Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721.

Bild:
<< vorherige Seite

eines gewissen Beicht-Vaters.
man viele Beicht-Kinder hat. Es bringet auch solches
Brod in das Haus. Man ist also mit allem Ernst dahin
bemühet/ daß die Anzahl der Beicht-Kinder nicht verrin-
gert werde. Es trifft bey vielen Geistlichen ein/ was ein ge-
wisser Gelehrter von denen Sitten der Falschgelehrten redet/
da er saget d): Sie sind wegen einer eitlen von sich gefasten
Meinung aufgeblasen; sie dencken, daß sie den höchsten Gipfel
bereits erreichet; sie halten es vor eine Schande von andern
zu lernen, oder zu erkennen, daß sie nur in einigen Stücken ge-
irret; sie hangen denen Meinungen ihrer Parthey so hastig an,
daß sie nicht eines Nagels breit davon abweichen, im Gegen-
theil wollen sie anderer Verstand sich völlig unterwerffen; in
Erlernung der Wissenschafften suchen sie nicht die Wahrheit,
sondern den Sieg; sie fallen die, so anderer Meinung sind, also-
bald wie wütige Hunde an, und verfolgen sie; ihre gantze Ar-
beit ist auf einen eitlen Pracht, nichtswürdigen Ruhm
gerichtet, und was andern an Ruhm und Ehre zuwächset, das
meinen sie, gienge ihnen ab.
Wer Verstand hat/ wird es/
wenn er weniges verändert/ gar leicht auf den Fall/ davon
wir handeln/ appliciren können.

§. XVI.
hieher gehörte. Jch erinnere nur, daß der Ehrgeitz nicht wenig
Theil daran hat, daß man die Freyheit, den Beicht-Vater zu
ändern, so starck ein geschrencket. Man hat von seinen Lehrern
gehöret, es sey niemand erlaubt, von dem einmahl erwehlten
Beicht-Vater ab zutreten, ausser in wenigen Fällen. Diese Mei-
nung schämet man sich zu verlassen. Es machet eine Ombrage,
wenn man viele Beicht-Kinder hat, darum will man solche nicht
missen. Verblendet erst der Geitz die Augen, so kan man sich fast
keine Hoffnung machen, daß jemand die Wahrheit einsehen wer-
de. Die Leute sind so dann mehr auf ihren Nutzen als auf das-
jenige, was wahr und der Kirche zuträglich ist, mit allem Ernst
bedacht. Jhr Verstand ist gantz durch das interesse verdunckelt,
das Licht der Wahrheit kan darinn nicht angezündet werden.
d) Es ist dieses der Joh. Alphons. Turretinus, Pastor S. Theol. & Hist.Fehler der Ge-
lehrten.

Ec-
d d 2

eines gewiſſen Beicht-Vaters.
man viele Beicht-Kinder hat. Es bringet auch ſolches
Brod in das Haus. Man iſt alſo mit allem Ernſt dahin
bemuͤhet/ daß die Anzahl der Beicht-Kinder nicht verrin-
gert werde. Es trifft bey vielen Geiſtlichen ein/ was ein ge-
wiſſer Gelehrter von denen Sitten der Falſchgelehrten redet/
da er ſaget d): Sie ſind wegen einer eitlen von ſich gefaſten
Meinung aufgeblaſen; ſie dencken, daß ſie den hoͤchſten Gipfel
bereits erreichet; ſie halten es vor eine Schande von andern
zu lernen, oder zu erkennen, daß ſie nur in einigen Stuͤcken ge-
irret; ſie hangen denen Meinungen ihrer Parthey ſo haſtig an,
daß ſie nicht eines Nagels breit davon abweichen, im Gegen-
theil wollen ſie anderer Verſtand ſich voͤllig unterwerffen; in
Erlernung der Wiſſenſchafften ſuchen ſie nicht die Wahrheit,
ſondern den Sieg; ſie fallen die, ſo anderer Meinung ſind, alſo-
bald wie wuͤtige Hunde an, und verfolgen ſie; ihre gantze Ar-
beit iſt auf einen eitlen Pracht, nichtswuͤrdigen Ruhm
gerichtet, und was andern an Ruhm und Ehre zuwaͤchſet, das
meinen ſie, gienge ihnen ab.
Wer Verſtand hat/ wird es/
wenn er weniges veraͤndert/ gar leicht auf den Fall/ davon
wir handeln/ appliciren koͤnnen.

§. XVI.
hieher gehoͤrte. Jch erinnere nur, daß der Ehrgeitz nicht wenig
Theil daran hat, daß man die Freyheit, den Beicht-Vater zu
aͤndern, ſo ſtarck ein geſchrencket. Man hat von ſeinen Lehrern
gehoͤret, es ſey niemand erlaubt, von dem einmahl erwehlten
Beicht-Vater ab zutreten, auſſer in wenigen Faͤllen. Dieſe Mei-
nung ſchaͤmet man ſich zu verlaſſen. Es machet eine Ombrage,
wenn man viele Beicht-Kinder hat, darum will man ſolche nicht
miſſen. Verblendet erſt der Geitz die Augen, ſo kan man ſich faſt
keine Hoffnung machen, daß jemand die Wahrheit einſehen wer-
de. Die Leute ſind ſo dann mehr auf ihren Nutzen als auf das-
jenige, was wahr und der Kirche zutraͤglich iſt, mit allem Ernſt
bedacht. Jhr Verſtand iſt gantz durch das intereſſe verdunckelt,
das Licht der Wahrheit kan darinn nicht angezuͤndet werden.
d) Es iſt dieſes der Joh. Alphonſ. Turretinus, Paſtor S. Theol. & Hiſt.Fehler der Ge-
lehrten.

Ec-
d d 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0230" n="211"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">eines gewi&#x017F;&#x017F;en Beicht-Vaters.</hi></fw><lb/>
man viele Beicht-Kinder hat. Es bringet auch &#x017F;olches<lb/>
Brod in das Haus. Man i&#x017F;t al&#x017F;o mit allem Ern&#x017F;t dahin<lb/>
bemu&#x0364;het/ daß die Anzahl der Beicht-Kinder nicht verrin-<lb/>
gert werde. Es trifft bey vielen Gei&#x017F;tlichen ein/ was ein ge-<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;er Gelehrter von denen Sitten der Fal&#x017F;chgelehrten redet/<lb/>
da er &#x017F;aget <note xml:id="h14" next="#h15" place="foot" n="d)">Es i&#x017F;t die&#x017F;es der <hi rendition="#aq">Joh. Alphon&#x017F;. Turretinus, <hi rendition="#i">Pa&#x017F;tor S. Theol. &amp; Hi&#x017F;t.</hi></hi><note place="right">Fehler der Ge-<lb/>
lehrten.</note><lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Ec-</hi></hi></fw></note>: <hi rendition="#fr">Sie &#x017F;ind wegen einer eitlen von &#x017F;ich gefa&#x017F;ten<lb/>
Meinung aufgebla&#x017F;en; &#x017F;ie dencken, daß &#x017F;ie den ho&#x0364;ch&#x017F;ten Gipfel<lb/>
bereits erreichet; &#x017F;ie halten es vor eine Schande von andern<lb/>
zu lernen, oder zu erkennen, daß &#x017F;ie nur in einigen Stu&#x0364;cken ge-<lb/>
irret; &#x017F;ie hangen denen Meinungen ihrer Parthey &#x017F;o ha&#x017F;tig an,<lb/>
daß &#x017F;ie nicht eines Nagels breit davon abweichen, im Gegen-<lb/>
theil wollen &#x017F;ie anderer Ver&#x017F;tand &#x017F;ich vo&#x0364;llig unterwerffen; in<lb/>
Erlernung der Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chafften &#x017F;uchen &#x017F;ie nicht die Wahrheit,<lb/>
&#x017F;ondern den Sieg; &#x017F;ie fallen die, &#x017F;o anderer Meinung &#x017F;ind, al&#x017F;o-<lb/>
bald wie wu&#x0364;tige Hunde an, und verfolgen &#x017F;ie; ihre gantze Ar-<lb/>
beit i&#x017F;t auf einen eitlen Pracht, nichtswu&#x0364;rdigen Ruhm<lb/>
gerichtet, und was andern an Ruhm und Ehre zuwa&#x0364;ch&#x017F;et, das<lb/>
meinen &#x017F;ie, gienge ihnen ab.</hi> Wer Ver&#x017F;tand hat/ wird es/<lb/>
wenn er weniges vera&#x0364;ndert/ gar leicht auf den Fall/ davon<lb/>
wir handeln/ <hi rendition="#aq">applici</hi>ren ko&#x0364;nnen.</p><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">§. <hi rendition="#aq">XVI.</hi></fw><lb/>
            <p>
              <note xml:id="h13" prev="#h12" place="foot" n="(c)">hieher geho&#x0364;rte. Jch erinnere nur, daß der Ehrgeitz nicht wenig<lb/>
Theil daran hat, daß man die Freyheit, den Beicht-Vater zu<lb/>
a&#x0364;ndern, &#x017F;o &#x017F;tarck ein ge&#x017F;chrencket. Man hat von &#x017F;einen Lehrern<lb/>
geho&#x0364;ret, es &#x017F;ey niemand erlaubt, von dem <hi rendition="#fr">einmahl erwehlten</hi><lb/>
Beicht-Vater ab zutreten, au&#x017F;&#x017F;er in wenigen Fa&#x0364;llen. Die&#x017F;e Mei-<lb/>
nung &#x017F;cha&#x0364;met man &#x017F;ich zu verla&#x017F;&#x017F;en. Es machet eine <hi rendition="#aq">Ombrage,</hi><lb/>
wenn man <hi rendition="#fr">viele Beicht-Kinder</hi> hat, darum will man &#x017F;olche nicht<lb/>
mi&#x017F;&#x017F;en. Verblendet er&#x017F;t der Geitz die Augen, &#x017F;o kan man &#x017F;ich fa&#x017F;t<lb/>
keine Hoffnung machen, daß jemand die Wahrheit ein&#x017F;ehen wer-<lb/>
de. Die Leute &#x017F;ind &#x017F;o dann mehr auf ihren <hi rendition="#fr">Nutzen</hi> als auf das-<lb/>
jenige, was <hi rendition="#fr">wahr</hi> und der <hi rendition="#fr">Kirche zutra&#x0364;glich</hi> i&#x017F;t, mit allem Ern&#x017F;t<lb/>
bedacht. Jhr Ver&#x017F;tand i&#x017F;t gantz durch das <hi rendition="#aq">intere&#x017F;&#x017F;e</hi> verdunckelt,<lb/>
das Licht der Wahrheit kan darinn nicht angezu&#x0364;ndet werden.</note>
            </p><lb/>
            <fw place="bottom" type="sig">d d 2</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[211/0230] eines gewiſſen Beicht-Vaters. man viele Beicht-Kinder hat. Es bringet auch ſolches Brod in das Haus. Man iſt alſo mit allem Ernſt dahin bemuͤhet/ daß die Anzahl der Beicht-Kinder nicht verrin- gert werde. Es trifft bey vielen Geiſtlichen ein/ was ein ge- wiſſer Gelehrter von denen Sitten der Falſchgelehrten redet/ da er ſaget d): Sie ſind wegen einer eitlen von ſich gefaſten Meinung aufgeblaſen; ſie dencken, daß ſie den hoͤchſten Gipfel bereits erreichet; ſie halten es vor eine Schande von andern zu lernen, oder zu erkennen, daß ſie nur in einigen Stuͤcken ge- irret; ſie hangen denen Meinungen ihrer Parthey ſo haſtig an, daß ſie nicht eines Nagels breit davon abweichen, im Gegen- theil wollen ſie anderer Verſtand ſich voͤllig unterwerffen; in Erlernung der Wiſſenſchafften ſuchen ſie nicht die Wahrheit, ſondern den Sieg; ſie fallen die, ſo anderer Meinung ſind, alſo- bald wie wuͤtige Hunde an, und verfolgen ſie; ihre gantze Ar- beit iſt auf einen eitlen Pracht, nichtswuͤrdigen Ruhm gerichtet, und was andern an Ruhm und Ehre zuwaͤchſet, das meinen ſie, gienge ihnen ab. Wer Verſtand hat/ wird es/ wenn er weniges veraͤndert/ gar leicht auf den Fall/ davon wir handeln/ appliciren koͤnnen. §. XVI. (c) d) Es iſt dieſes der Joh. Alphonſ. Turretinus, Paſtor S. Theol. & Hiſt. Ec- (c) hieher gehoͤrte. Jch erinnere nur, daß der Ehrgeitz nicht wenig Theil daran hat, daß man die Freyheit, den Beicht-Vater zu aͤndern, ſo ſtarck ein geſchrencket. Man hat von ſeinen Lehrern gehoͤret, es ſey niemand erlaubt, von dem einmahl erwehlten Beicht-Vater ab zutreten, auſſer in wenigen Faͤllen. Dieſe Mei- nung ſchaͤmet man ſich zu verlaſſen. Es machet eine Ombrage, wenn man viele Beicht-Kinder hat, darum will man ſolche nicht miſſen. Verblendet erſt der Geitz die Augen, ſo kan man ſich faſt keine Hoffnung machen, daß jemand die Wahrheit einſehen wer- de. Die Leute ſind ſo dann mehr auf ihren Nutzen als auf das- jenige, was wahr und der Kirche zutraͤglich iſt, mit allem Ernſt bedacht. Jhr Verſtand iſt gantz durch das intereſſe verdunckelt, das Licht der Wahrheit kan darinn nicht angezuͤndet werden. d d 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pertsch_recht_1721
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pertsch_recht_1721/230
Zitationshilfe: Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pertsch_recht_1721/230>, abgerufen am 29.04.2024.