Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721.

Bild:
<< vorherige Seite

Geheimhaltung der Beichte.
chen wird man aller dieser Dinge nicht viel vonnöthen ha-
ben. Jch glaube nicht/ daß jemand zu dem Beicht-Vater
kommen und ihm sagen wird: Er hätte den Vorsatz diese
oder jene Sünde zu begehen/ diesem oder jenem zu schaden.
Geschehe es aber/ so halte ich dafür/ daß es ein melancholi-
sches Gemürhe sey. Mit diesen muß man ohne hin anders
verfahren/ als mit Leuten/ die ihrer Vernunfft Meister
sind c).

§. XVIII.
Diese Warnung aber müste in generalen terminis geschehen. Nie-
mand müste errathen können, wer damit gemeinet wäre. Beyer
erkläret die Sache mit dem Exempel der Römer, die mit dem
Pyrrhone Krieg geführet. Timochares hätte sich anerboten, den
König mit Gifft zu vergeben. Die Römer aber hätten Pyrrho-
nem
ermahnet, sich vorzusehen, aber von dem Timocharo nichts
dabey gemeldet. vid. Valerius Maximus Lib. VI. cap. 5. Verlan-
get jemand meine Meinung zu wissen, so will ich mit folgenden
dienen. Ein Beicht-Vater soll, so viel an ihm ist, verhüten, daß
dasjenige, was ihm jemand beichtet, es bey gelegener Zeit in das
Werck zu setzen, keinesweges geschehen möge. Wiedrigenfals
ist er die moralische Ursache der Sünde. Daß aber alles ver-
mieden werde, soll er sein äusserstes verursachen, einen solchen
Menschen von seinem bösen Vorhaben abzuwenden, und auf
andere Gedancken zu bringen. Bey dem Anfang der Beichte
sind nur die begangene Sünden das obiectum gewesen. Die,
so erst noch begangen werden sollen, haben keine absolution er-
halten. Lässet sich jemand durch Bitten, Flehen und Vermah-
nen nicht auf andere Gedancken bringen, so ist es entweder eine
starcke melancholie oder Boßheit. Von dem ersten Fall wer-
de gleich meine Meinung entdecken. Von dem andern aber/ da
so eine enorme Boßheit verspüret wird, ist es nichts unbilliges,
wenn ein Priester die gantze Sache denen, so das Unglück be-
vorstehet, hinterbringet.
c) Denn bißweilen gerathen die Leute in solche Anfechtungen, daßWas bey ei-
nem melancho-

sie selbst bekennen und beichten: Sie befürchteten, der Satan
möchte
s s 3

Geheimhaltung der Beichte.
chen wird man aller dieſer Dinge nicht viel vonnoͤthen ha-
ben. Jch glaube nicht/ daß jemand zu dem Beicht-Vater
kommen und ihm ſagen wird: Er haͤtte den Vorſatz dieſe
oder jene Suͤnde zu begehen/ dieſem oder jenem zu ſchaden.
Geſchehe es aber/ ſo halte ich dafuͤr/ daß es ein melancholi-
ſches Gemuͤrhe ſey. Mit dieſen muß man ohne hin anders
verfahren/ als mit Leuten/ die ihrer Vernunfft Meiſter
ſind c).

§. XVIII.
Dieſe Warnung aber muͤſte in generalen terminis geſchehen. Nie-
mand muͤſte errathen koͤnnen, wer damit gemeinet waͤre. Beyer
erklaͤret die Sache mit dem Exempel der Roͤmer, die mit dem
Pyrrhone Krieg gefuͤhret. Timochares haͤtte ſich anerboten, den
Koͤnig mit Gifft zu vergeben. Die Roͤmer aber haͤtten Pyrrho-
nem
ermahnet, ſich vorzuſehen, aber von dem Timocharo nichts
dabey gemeldet. vid. Valerius Maximus Lib. VI. cap. 5. Verlan-
get jemand meine Meinung zu wiſſen, ſo will ich mit folgenden
dienen. Ein Beicht-Vater ſoll, ſo viel an ihm iſt, verhuͤten, daß
dasjenige, was ihm jemand beichtet, es bey gelegener Zeit in das
Werck zu ſetzen, keinesweges geſchehen moͤge. Wiedrigenfals
iſt er die moraliſche Urſache der Suͤnde. Daß aber alles ver-
mieden werde, ſoll er ſein aͤuſſerſtes verurſachen, einen ſolchen
Menſchen von ſeinem boͤſen Vorhaben abzuwenden, und auf
andere Gedancken zu bringen. Bey dem Anfang der Beichte
ſind nur die begangene Suͤnden das obiectum geweſen. Die,
ſo erſt noch begangen werden ſollen, haben keine abſolution er-
halten. Laͤſſet ſich jemand durch Bitten, Flehen und Vermah-
nen nicht auf andere Gedancken bringen, ſo iſt es entweder eine
ſtarcke melancholie oder Boßheit. Von dem erſten Fall wer-
de gleich meine Meinung entdecken. Von dem andern aber/ da
ſo eine enorme Boßheit verſpuͤret wird, iſt es nichts unbilliges,
wenn ein Prieſter die gantze Sache denen, ſo das Ungluͤck be-
vorſtehet, hinterbringet.
c) Denn bißweilen gerathen die Leute in ſolche Anfechtungen, daßWas bey ei-
nem melancho-

ſie ſelbſt bekennen und beichten: Sie befuͤrchteten, der Satan
moͤchte
ſ ſ 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0344" n="325"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Geheimhaltung der Beichte.</hi></fw><lb/>
chen wird man aller die&#x017F;er Dinge nicht viel vonno&#x0364;then ha-<lb/>
ben. Jch glaube nicht/ daß jemand zu dem Beicht-Vater<lb/>
kommen und ihm &#x017F;agen wird: Er ha&#x0364;tte den Vor&#x017F;atz die&#x017F;e<lb/>
oder jene Su&#x0364;nde zu begehen/ die&#x017F;em oder jenem zu &#x017F;chaden.<lb/>
Ge&#x017F;chehe es aber/ &#x017F;o halte ich dafu&#x0364;r/ daß es ein <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">melancholi-</hi></hi><lb/><hi rendition="#fr">&#x017F;ches Gemu&#x0364;rhe</hi> &#x017F;ey. Mit die&#x017F;en muß man ohne hin anders<lb/>
verfahren/ als mit Leuten/ die ihrer Vernunfft Mei&#x017F;ter<lb/>
&#x017F;ind <note xml:id="i21" next="#i22" place="foot" n="c)">Denn bißweilen gerathen die Leute in &#x017F;olche <hi rendition="#fr">Anfechtungen,</hi> daß<note place="right">Was bey ei-<lb/>
nem melancho-</note><lb/>
&#x017F;ie &#x017F;elb&#x017F;t bekennen und beichten: Sie befu&#x0364;rchteten, der Satan<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">mo&#x0364;chte</fw></note>.</p><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">§. <hi rendition="#aq">XVIII.</hi></fw><lb/>
            <p>
              <note xml:id="i20" prev="#i19" place="foot" n="(b)">Die&#x017F;e Warnung aber mu&#x0364;&#x017F;te in <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">genera</hi></hi>len <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">terminis</hi></hi> ge&#x017F;chehen. Nie-<lb/>
mand mu&#x0364;&#x017F;te errathen ko&#x0364;nnen, wer damit gemeinet wa&#x0364;re. <hi rendition="#aq">Beyer</hi><lb/>
erkla&#x0364;ret die Sache mit dem Exempel der Ro&#x0364;mer, die mit dem<lb/><hi rendition="#aq">Pyrrhone</hi> Krieg gefu&#x0364;hret. <hi rendition="#aq">Timochares</hi> ha&#x0364;tte &#x017F;ich anerboten, den<lb/>
Ko&#x0364;nig mit Gifft zu vergeben. Die Ro&#x0364;mer aber ha&#x0364;tten <hi rendition="#aq">Pyrrho-<lb/>
nem</hi> ermahnet, &#x017F;ich vorzu&#x017F;ehen, aber von dem <hi rendition="#aq">Timocharo</hi> nichts<lb/>
dabey gemeldet. <hi rendition="#aq">vid. Valerius Maximus <hi rendition="#i">Lib. VI. cap.</hi></hi> 5. Verlan-<lb/>
get jemand meine Meinung zu wi&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;o will ich mit folgenden<lb/>
dienen. Ein Beicht-Vater &#x017F;oll, &#x017F;o viel an ihm i&#x017F;t, verhu&#x0364;ten, daß<lb/>
dasjenige, was ihm jemand beichtet, es bey gelegener Zeit in das<lb/>
Werck zu &#x017F;etzen, keinesweges ge&#x017F;chehen mo&#x0364;ge. Wiedrigenfals<lb/>
i&#x017F;t er die <hi rendition="#aq">morali</hi>&#x017F;che Ur&#x017F;ache der Su&#x0364;nde. Daß aber alles ver-<lb/>
mieden werde, &#x017F;oll er &#x017F;ein a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;er&#x017F;tes verur&#x017F;achen, einen &#x017F;olchen<lb/>
Men&#x017F;chen von &#x017F;einem bo&#x0364;&#x017F;en Vorhaben abzuwenden, und auf<lb/>
andere Gedancken zu bringen. Bey dem Anfang der Beichte<lb/>
&#x017F;ind nur die begangene Su&#x0364;nden das <hi rendition="#aq">obiectum</hi> gewe&#x017F;en. Die,<lb/>
&#x017F;o er&#x017F;t noch begangen werden &#x017F;ollen, haben keine <hi rendition="#aq">ab&#x017F;olution</hi> er-<lb/>
halten. La&#x0364;&#x017F;&#x017F;et &#x017F;ich jemand durch Bitten, Flehen und Vermah-<lb/>
nen nicht auf andere Gedancken bringen, &#x017F;o i&#x017F;t es entweder eine<lb/>
&#x017F;tarcke <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">melancholie</hi></hi> oder <hi rendition="#fr">Boßheit.</hi> Von dem er&#x017F;ten Fall wer-<lb/>
de gleich meine Meinung entdecken. Von dem andern aber/ da<lb/>
&#x017F;o eine <hi rendition="#aq">enorme</hi> Boßheit ver&#x017F;pu&#x0364;ret wird, i&#x017F;t es nichts unbilliges,<lb/>
wenn ein Prie&#x017F;ter die gantze Sache denen, &#x017F;o das Unglu&#x0364;ck be-<lb/>
vor&#x017F;tehet, hinterbringet.</note>
            </p><lb/>
            <fw place="bottom" type="sig">&#x017F; &#x017F; 3</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[325/0344] Geheimhaltung der Beichte. chen wird man aller dieſer Dinge nicht viel vonnoͤthen ha- ben. Jch glaube nicht/ daß jemand zu dem Beicht-Vater kommen und ihm ſagen wird: Er haͤtte den Vorſatz dieſe oder jene Suͤnde zu begehen/ dieſem oder jenem zu ſchaden. Geſchehe es aber/ ſo halte ich dafuͤr/ daß es ein melancholi- ſches Gemuͤrhe ſey. Mit dieſen muß man ohne hin anders verfahren/ als mit Leuten/ die ihrer Vernunfft Meiſter ſind c). §. XVIII. (b) c) Denn bißweilen gerathen die Leute in ſolche Anfechtungen, daß ſie ſelbſt bekennen und beichten: Sie befuͤrchteten, der Satan moͤchte (b) Dieſe Warnung aber muͤſte in generalen terminis geſchehen. Nie- mand muͤſte errathen koͤnnen, wer damit gemeinet waͤre. Beyer erklaͤret die Sache mit dem Exempel der Roͤmer, die mit dem Pyrrhone Krieg gefuͤhret. Timochares haͤtte ſich anerboten, den Koͤnig mit Gifft zu vergeben. Die Roͤmer aber haͤtten Pyrrho- nem ermahnet, ſich vorzuſehen, aber von dem Timocharo nichts dabey gemeldet. vid. Valerius Maximus Lib. VI. cap. 5. Verlan- get jemand meine Meinung zu wiſſen, ſo will ich mit folgenden dienen. Ein Beicht-Vater ſoll, ſo viel an ihm iſt, verhuͤten, daß dasjenige, was ihm jemand beichtet, es bey gelegener Zeit in das Werck zu ſetzen, keinesweges geſchehen moͤge. Wiedrigenfals iſt er die moraliſche Urſache der Suͤnde. Daß aber alles ver- mieden werde, ſoll er ſein aͤuſſerſtes verurſachen, einen ſolchen Menſchen von ſeinem boͤſen Vorhaben abzuwenden, und auf andere Gedancken zu bringen. Bey dem Anfang der Beichte ſind nur die begangene Suͤnden das obiectum geweſen. Die, ſo erſt noch begangen werden ſollen, haben keine abſolution er- halten. Laͤſſet ſich jemand durch Bitten, Flehen und Vermah- nen nicht auf andere Gedancken bringen, ſo iſt es entweder eine ſtarcke melancholie oder Boßheit. Von dem erſten Fall wer- de gleich meine Meinung entdecken. Von dem andern aber/ da ſo eine enorme Boßheit verſpuͤret wird, iſt es nichts unbilliges, wenn ein Prieſter die gantze Sache denen, ſo das Ungluͤck be- vorſtehet, hinterbringet. ſ ſ 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pertsch_recht_1721
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pertsch_recht_1721/344
Zitationshilfe: Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721, S. 325. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pertsch_recht_1721/344>, abgerufen am 30.04.2024.