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Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721.

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III. Abth. II. Cap. Vom Recht eines Fürsten
Recht eines
Fürsten, Ge-
setze wegen
der Kirchen-
Ceremonien
vorzuschrei-ben.
§. II.

Es ist auch über dieses die Kirche nichts anders
als eine gleiche Gesellschafft. Wie nun andere solche collegia
der Aufsicht des Fürsten unterworffen/ so muß man es
ebenfalß von der Kirche zugestehen a) Hier ist der vornehm-
ste Grund eines Rechts der Landes-Herrschafft/ wegen des
Gottesdienstes zu suchen. Wenn also Ceremonien durch
Gesetze eingeführet werden sollen/ so muß es von dem Lan-
des-Herrn geschehen. Denn die Macht Gesetze zu geben,
stehet dem Fürsten zu b). Es kan auch bey dem Gottes-
dienste nicht anders seyn/ weil der Zustand der Kirchen gar
sehr verderbet ist. Man mag die Lehrer oder Zuhörer an-

schau-
a) Ein Fürste hat
über die Kirche
wie über an-
dere Collegia
die Aufsicht.
Bey dem Gottesdienste muß ein Fürst noch viel wachsamer seyn,
als bey andern Gesellschafften. Die Menschen sind von Natur
also gesinnet, daß sie andere sich gerne unterwürfig machen
wollen. Diejenigen, so den Gottesdienst verrichten, haben bey
allen Völckern grosse Ehre genossen. Das gemeine Volck hat
ihnen angehangen. Darum muß ein Landes-Herr auf der Hut
seyn, daß keine besondere Herrschafft in der Kirche entstehet.
Das Exempel der Römischen Kirche lieget vor Augen. Wären
die Fürsten wachsamer gewesen, würden es die Bischöffe nicht
dahin gebracht haben. Diese besondere Aufsicht nun über die
Kirche, giebet einem Landes-Herrn das summum jus circa sacra.
b) Wie ferne die
Kirche Macht
haben könne
die Sachen an-
zuordnen.
Es ist zwar an dem, daß man denen Gemeinden die Macht, Ord-
nungen unter sich zu machen,
hätte überlassen können. Je-
doch hätte es müssen auf diese Weise geschehen, daß sie sich des-
selbigen, wie es sich gebühret, bedienet. Weil aber viel Unord-
nungen
aus dem üblen Gebrauch zu befürchten, ist es nöthig ge-
wesen, daß die Fürsten es zu sich gezogen. Wenn unsere Kir-
chen noch wie die ersten bewandt wären, daß die vorgesetzte bey
ihrem Amt blieben, die Zuhörer auch in reiner Unschuld leb-
ten, so ist es gewiß, daß man nicht nöthig haben würde, so
viel von dem Rechte der Fürsten in Kirchen- und Religions-Sa-
chen zu reden.
c) Bey
III. Abth. II. Cap. Vom Recht eines Fuͤrſten
Recht eines
Fuͤꝛſten, Ge-
ſetze wegen
der Kirchen-
Ceremonien
vorzuſchrei-ben.
§. II.

Es iſt auch uͤber dieſes die Kirche nichts anders
als eine gleiche Geſellſchafft. Wie nun andere ſolche collegia
der Aufſicht des Fuͤrſten unterworffen/ ſo muß man es
ebenfalß von der Kirche zugeſtehen a) Hier iſt der vornehm-
ſte Grund eines Rechts der Landes-Herrſchafft/ wegen des
Gottesdienſtes zu ſuchen. Wenn alſo Ceremonien durch
Geſetze eingefuͤhret werden ſollen/ ſo muß es von dem Lan-
des-Herrn geſchehen. Denn die Macht Geſetze zu geben,
ſtehet dem Fuͤrſten zu b). Es kan auch bey dem Gottes-
dienſte nicht anders ſeyn/ weil der Zuſtand der Kirchen gar
ſehr verderbet iſt. Man mag die Lehrer oder Zuhoͤrer an-

ſchau-
a) Ein Fuͤrſte hat
uͤber die Kirche
wie uͤber an-
dere Collegia
die Aufſicht.
Bey dem Gottesdienſte muß ein Fuͤrſt noch viel wachſamer ſeyn,
als bey andern Geſellſchafften. Die Menſchen ſind von Natur
alſo geſinnet, daß ſie andere ſich gerne unterwuͤrfig machen
wollen. Diejenigen, ſo den Gottesdienſt verrichten, haben bey
allen Voͤlckern groſſe Ehre genoſſen. Das gemeine Volck hat
ihnen angehangen. Darum muß ein Landes-Herr auf der Hut
ſeyn, daß keine beſondere Herrſchafft in der Kirche entſtehet.
Das Exempel der Roͤmiſchen Kirche lieget vor Augen. Waͤren
die Fuͤrſten wachſamer geweſen, wuͤrden es die Biſchoͤffe nicht
dahin gebracht haben. Dieſe beſondere Aufſicht nun uͤber die
Kirche, giebet einem Landes-Herrn das ſummum jus circa ſacra.
b) Wie ferne die
Kirche Macht
haben koͤnne
die Sachen an-
zuordnen.
Es iſt zwar an dem, daß man denen Gemeinden die Macht, Ord-
nungen unter ſich zu machen,
haͤtte uͤberlaſſen koͤnnen. Je-
doch haͤtte es muͤſſen auf dieſe Weiſe geſchehen, daß ſie ſich deſ-
ſelbigen, wie es ſich gebuͤhret, bedienet. Weil aber viel Unord-
nungen
aus dem uͤblen Gebrauch zu befuͤrchten, iſt es noͤthig ge-
weſen, daß die Fuͤrſten es zu ſich gezogen. Wenn unſere Kir-
chen noch wie die erſten bewandt waͤren, daß die vorgeſetzte bey
ihrem Amt blieben, die Zuhoͤrer auch in reiner Unſchuld leb-
ten, ſo iſt es gewiß, daß man nicht noͤthig haben wuͤrde, ſo
viel von dem Rechte der Fuͤrſten in Kirchen- und Religions-Sa-
chen zu reden.
c) Bey
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[362/0381] III. Abth. II. Cap. Vom Recht eines Fuͤrſten §. II. Es iſt auch uͤber dieſes die Kirche nichts anders als eine gleiche Geſellſchafft. Wie nun andere ſolche collegia der Aufſicht des Fuͤrſten unterworffen/ ſo muß man es ebenfalß von der Kirche zugeſtehen a) Hier iſt der vornehm- ſte Grund eines Rechts der Landes-Herrſchafft/ wegen des Gottesdienſtes zu ſuchen. Wenn alſo Ceremonien durch Geſetze eingefuͤhret werden ſollen/ ſo muß es von dem Lan- des-Herrn geſchehen. Denn die Macht Geſetze zu geben, ſtehet dem Fuͤrſten zu b). Es kan auch bey dem Gottes- dienſte nicht anders ſeyn/ weil der Zuſtand der Kirchen gar ſehr verderbet iſt. Man mag die Lehrer oder Zuhoͤrer an- ſchau- a) Bey dem Gottesdienſte muß ein Fuͤrſt noch viel wachſamer ſeyn, als bey andern Geſellſchafften. Die Menſchen ſind von Natur alſo geſinnet, daß ſie andere ſich gerne unterwuͤrfig machen wollen. Diejenigen, ſo den Gottesdienſt verrichten, haben bey allen Voͤlckern groſſe Ehre genoſſen. Das gemeine Volck hat ihnen angehangen. Darum muß ein Landes-Herr auf der Hut ſeyn, daß keine beſondere Herrſchafft in der Kirche entſtehet. Das Exempel der Roͤmiſchen Kirche lieget vor Augen. Waͤren die Fuͤrſten wachſamer geweſen, wuͤrden es die Biſchoͤffe nicht dahin gebracht haben. Dieſe beſondere Aufſicht nun uͤber die Kirche, giebet einem Landes-Herrn das ſummum jus circa ſacra. b) Es iſt zwar an dem, daß man denen Gemeinden die Macht, Ord- nungen unter ſich zu machen, haͤtte uͤberlaſſen koͤnnen. Je- doch haͤtte es muͤſſen auf dieſe Weiſe geſchehen, daß ſie ſich deſ- ſelbigen, wie es ſich gebuͤhret, bedienet. Weil aber viel Unord- nungen aus dem uͤblen Gebrauch zu befuͤrchten, iſt es noͤthig ge- weſen, daß die Fuͤrſten es zu ſich gezogen. Wenn unſere Kir- chen noch wie die erſten bewandt waͤren, daß die vorgeſetzte bey ihrem Amt blieben, die Zuhoͤrer auch in reiner Unſchuld leb- ten, ſo iſt es gewiß, daß man nicht noͤthig haben wuͤrde, ſo viel von dem Rechte der Fuͤrſten in Kirchen- und Religions-Sa- chen zu reden. c) Bey

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Zitationshilfe: Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721, S. 362. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pertsch_recht_1721/381>, abgerufen am 29.04.2024.