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Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721.

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Vorbericht von der Juristen
durch alle Secula zu einem Mantel und Decke der Leichtfertig-
keit und Boßheit gebraucht.
Jch übergehe andere unentbehr-
liche uud nützliche Anmerckungen/ so man aus der Kirchen-
Historie ziehen kan. So viel sage ich nur/ daß man in denen
canonischen Rechten nichts gründliches thun wird/ wenn uns
die Kirchen-Geschichte kein Licht anzünden. Jch muß aber so
wohl die Begebenheiten des alten als des neuen Bundes wis-
sen. Denn wenn ich mir die Historie des alten Bundes nicht
wohl bekannt mache/ wie kan ich die politischen Streiche der
Clerisey
im neuen Bunde recht einsehen. Die Priester so
wohl unter denen Heyden als Jüden/ zur Zeit des andern
Tempels/ haben schon den Grund darzu gelegt. Ohne die
Historie des alten Bundes/ kan ich den Gebrauch des prie-
sterlichen Rechts,
von desselben Mißbrauch ohnmöglich un-
terscheiden. Die Kirchen-Geschichte aber des alten Bundes/
und ersten Jahrhunderts nach Christi Geburth/ müssen vor-
nehmlich aus der Bibel erlernet werden. Und wer will leug-
nen/ daß solche recht zu verstehen und zu Nutzen zu machen
keine Erkänntniß von der Theologie erfordert würde? Die
Theologi haben die Wahrheit hievon selbst eingesehen/ und
darum auff Universitäten die Lesung der Kirchen-Historie zu
sich gerissen. Die Juristen aber müssen dieselbe so wohl als
die Clerjsey erkennen. Jst es also aus diesem Grund wieder

was
sten und Diener vorgesetzet. Diese solten die Versammlungen und an-
dere Dinge dirigiren. Weil nun gewisse Ceremonien bey solcher Anord-
nung gebraucht worden, so schlosse man gleich, sie wären von dem andern
Volck unterschieden gewesen. Sie hätten das geistliche Regiment ge-
führet. Die Gläubigen zu der Apostel Zeiten, wenn sie eine Zwistig-
keit hatten, giengen nicht vor die Heidnische Obrigkeit, sondern machten die
Sache unter sich aus, oder erwarteten vielleicht zu weilen den Ausspruch
der Aeltesten. Aus diesem Grund wolte man sich gleiche Befugniß zu-
eignen. So ist denn nach und nach die Hierarchie erwachsen, und mit der
Kirchen-Historie bemäntelt worden. Aber alle solche Schein-Gründe
können aus der Kirchen-Historie wiederleget werden.

Vorbericht von der Juriſten
durch alle Secula zu einem Mantel und Decke der Leichtfertig-
keit und Boßheit gebraucht.
Jch uͤbergehe andere unentbehr-
liche uud nuͤtzliche Anmerckungen/ ſo man aus der Kirchen-
Hiſtorie ziehen kan. So viel ſage ich nur/ daß man in denen
canoniſchen Rechten nichts gruͤndliches thun wird/ wenn uns
die Kirchen-Geſchichte kein Licht anzuͤnden. Jch muß aber ſo
wohl die Begebenheiten des alten als des neuen Bundes wiſ-
ſen. Denn wenn ich mir die Hiſtorie des alten Bundes nicht
wohl bekannt mache/ wie kan ich die politiſchen Streiche der
Cleriſey
im neuen Bunde recht einſehen. Die Prieſter ſo
wohl unter denen Heyden als Juͤden/ zur Zeit des andern
Tempels/ haben ſchon den Grund darzu gelegt. Ohne die
Hiſtorie des alten Bundes/ kan ich den Gebrauch des prie-
ſterlichen Rechts,
von deſſelben Mißbrauch ohnmoͤglich un-
terſcheiden. Die Kirchen-Geſchichte aber des alten Bundes/
und erſten Jahrhunderts nach Chriſti Geburth/ muͤſſen vor-
nehmlich aus der Bibel erlernet werden. Und wer will leug-
nen/ daß ſolche recht zu verſtehen und zu Nutzen zu machen
keine Erkaͤnntniß von der Theologie erfordert wuͤrde? Die
Theologi haben die Wahrheit hievon ſelbſt eingeſehen/ und
darum auff Univerſitaͤten die Leſung der Kirchen-Hiſtorie zu
ſich geriſſen. Die Juriſten aber muͤſſen dieſelbe ſo wohl als
die Clerjſey erkennen. Jſt es alſo aus dieſem Grund wieder

was
ſten und Diener vorgeſetzet. Dieſe ſolten die Verſammlungen und an-
dere Dinge dirigiren. Weil nun gewiſſe Ceremonien bey ſolcher Anord-
nung gebraucht worden, ſo ſchloſſe man gleich, ſie waͤren von dem andern
Volck unterſchieden geweſen. Sie haͤtten das geiſtliche Regiment ge-
fuͤhret. Die Glaͤubigen zu der Apoſtel Zeiten, wenn ſie eine Zwiſtig-
keit hatten, giengen nicht vor die Heidniſche Obrigkeit, ſondern machten die
Sache unter ſich aus, oder erwarteten vielleicht zu weilen den Ausſpruch
der Aelteſten. Aus dieſem Grund wolte man ſich gleiche Befugniß zu-
eignen. So iſt denn nach und nach die Hierarchie erwachſen, und mit der
Kirchen-Hiſtorie bemaͤntelt worden. Aber alle ſolche Schein-Gruͤnde
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[22/0041] Vorbericht von der Juriſten durch alle Secula zu einem Mantel und Decke der Leichtfertig- keit und Boßheit gebraucht. Jch uͤbergehe andere unentbehr- liche uud nuͤtzliche Anmerckungen/ ſo man aus der Kirchen- Hiſtorie ziehen kan. So viel ſage ich nur/ daß man in denen canoniſchen Rechten nichts gruͤndliches thun wird/ wenn uns die Kirchen-Geſchichte kein Licht anzuͤnden. Jch muß aber ſo wohl die Begebenheiten des alten als des neuen Bundes wiſ- ſen. Denn wenn ich mir die Hiſtorie des alten Bundes nicht wohl bekannt mache/ wie kan ich die politiſchen Streiche der Cleriſey im neuen Bunde recht einſehen. Die Prieſter ſo wohl unter denen Heyden als Juͤden/ zur Zeit des andern Tempels/ haben ſchon den Grund darzu gelegt. Ohne die Hiſtorie des alten Bundes/ kan ich den Gebrauch des prie- ſterlichen Rechts, von deſſelben Mißbrauch ohnmoͤglich un- terſcheiden. Die Kirchen-Geſchichte aber des alten Bundes/ und erſten Jahrhunderts nach Chriſti Geburth/ muͤſſen vor- nehmlich aus der Bibel erlernet werden. Und wer will leug- nen/ daß ſolche recht zu verſtehen und zu Nutzen zu machen keine Erkaͤnntniß von der Theologie erfordert wuͤrde? Die Theologi haben die Wahrheit hievon ſelbſt eingeſehen/ und darum auff Univerſitaͤten die Leſung der Kirchen-Hiſtorie zu ſich geriſſen. Die Juriſten aber muͤſſen dieſelbe ſo wohl als die Clerjſey erkennen. Jſt es alſo aus dieſem Grund wieder was (b) (b) ſten und Diener vorgeſetzet. Dieſe ſolten die Verſammlungen und an- dere Dinge dirigiren. Weil nun gewiſſe Ceremonien bey ſolcher Anord- nung gebraucht worden, ſo ſchloſſe man gleich, ſie waͤren von dem andern Volck unterſchieden geweſen. Sie haͤtten das geiſtliche Regiment ge- fuͤhret. Die Glaͤubigen zu der Apoſtel Zeiten, wenn ſie eine Zwiſtig- keit hatten, giengen nicht vor die Heidniſche Obrigkeit, ſondern machten die Sache unter ſich aus, oder erwarteten vielleicht zu weilen den Ausſpruch der Aelteſten. Aus dieſem Grund wolte man ſich gleiche Befugniß zu- eignen. So iſt denn nach und nach die Hierarchie erwachſen, und mit der Kirchen-Hiſtorie bemaͤntelt worden. Aber alle ſolche Schein-Gruͤnde koͤnnen aus der Kirchen-Hiſtorie wiederleget werden.

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Zitationshilfe: Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pertsch_recht_1721/41>, abgerufen am 29.04.2024.