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Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721.

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I. Abth. 1. Cap. Vom Ursprung der Macht
der Gewalt
Sünde zu
vergeben,
und zu be-
halten, ge-
redet.
von der Gewalt die Sünde zu vergeben und zu behalten/
die Christus denen Aposteln verliehen/ gehandelt hätte. Sie
werden sagen/ es sey niemand unter denen Christen/ der sol-
ches in Zweiffel zöge. Allein es ist solches nicht ohne Ur-
sache geschehen. Jch habe es darum gethan/ damit man
erkennen möge/ ob solche denen Aposteln insonderheit/ oder
auch ihren so genannten Nachfolgern verliehen worden? ob
dieselbe zu denen auserordentlichen Gnaden-Gaben, oder zu
denenjenigen/ so unsere Theologi ministerialia nennen/ zu
ziehen sey? Es kan seyn/ daß wenn einige dieses lesen/ sie
mich so gleich vor einen unverschämten und verwegenen
Menschen ausruffen/ weil ich hierwieder nur einen Zweif-
fel erregen wolte. Die meisten bilden sich ein/ es sey son-
nenklar/ daß diese Gewalt allen Dienern des Worts in der
Person der Apostel verliehen worden. Da die Apostel nun
ihr Leben beschlossen/ sey dieselbe auf alle Priester/ als ihre
rechtmäßige Nachfolger und Erben gefallen a). Allein ich

kan
Sünde zu vergeben und zu behalten verliehen, und dieses sage ich
auch. Jch könte also auch den Löse- und Binde-Schlüssel hie-
her ziehen, allein ich habe meine Ursachen, warum ich solches nicht
thun mag.
a) Meinung der
Theologen
von der Macht
Sünde zu ver-
geben.
Man schlage nur die Schrifften der Theologorum auf, ich glau-
be, man werde mit Mühe einen finden, der auf einen andern
Schlag urtheilte. Mich düncket aber, die meisten haben keine deut-
liche Einsicht gehabt, was vor ein Unterscheid unter denen Apo-
steln und denen Bischöffen oder Aeltesten gewesen. So beschei-
den sind sie zwar, daß sie nicht sagen, sie wären in allen der Apo-
stel Nachfolger, sondern nur in ministerialibus. Jst aber dieses
an dem, so kommet ihnen die Macht, die Sünde zu vergeben und
zu behalten, keines weges zu. Andere sagen, es hätten nicht alle
geistliche diese Macht, sondern nur die rechtmäßig beruffene,
die wiedergebohrne
und erleuchtete, und was dergleichen lieb-
liche

I. Abth. 1. Cap. Vom Urſprung der Macht
der Gewalt
Suͤnde zu
vergeben,
und zu be-
halten, ge-
redet.
von der Gewalt die Suͤnde zu vergeben und zu behalten/
die Chriſtus denen Apoſteln verliehen/ gehandelt haͤtte. Sie
werden ſagen/ es ſey niemand unter denen Chriſten/ der ſol-
ches in Zweiffel zoͤge. Allein es iſt ſolches nicht ohne Ur-
ſache geſchehen. Jch habe es darum gethan/ damit man
erkennen moͤge/ ob ſolche denen Apoſteln inſonderheit/ oder
auch ihren ſo genannten Nachfolgern verliehen worden? ob
dieſelbe zu denen auſerordentlichen Gnaden-Gaben, oder zu
denenjenigen/ ſo unſere Theologi miniſterialia nennen/ zu
ziehen ſey? Es kan ſeyn/ daß wenn einige dieſes leſen/ ſie
mich ſo gleich vor einen unverſchaͤmten und verwegenen
Menſchen ausruffen/ weil ich hierwieder nur einen Zweif-
fel erregen wolte. Die meiſten bilden ſich ein/ es ſey ſon-
nenklar/ daß dieſe Gewalt allen Dienern des Worts in der
Perſon der Apoſtel verliehen worden. Da die Apoſtel nun
ihr Leben beſchloſſen/ ſey dieſelbe auf alle Prieſter/ als ihre
rechtmaͤßige Nachfolger und Erben gefallen a). Allein ich

kan
Suͤnde zu vergeben und zu behalten verliehen, und dieſes ſage ich
auch. Jch koͤnte alſo auch den Loͤſe- und Binde-Schluͤſſel hie-
her ziehen, allein ich habe meine Urſachen, warum ich ſolches nicht
thun mag.
a) Meinung der
Theologen
von der Macht
Suͤnde zu ver-
geben.
Man ſchlage nur die Schrifften der Theologorum auf, ich glau-
be, man werde mit Muͤhe einen finden, der auf einen andern
Schlag urtheilte. Mich duͤncket aber, die meiſten haben keine deut-
liche Einſicht gehabt, was vor ein Unterſcheid unter denen Apo-
ſteln und denen Biſchoͤffen oder Aelteſten geweſen. So beſchei-
den ſind ſie zwar, daß ſie nicht ſagen, ſie waͤren in allen der Apo-
ſtel Nachfolger, ſondern nur in miniſterialibus. Jſt aber dieſes
an dem, ſo kommet ihnen die Macht, die Suͤnde zu vergeben und
zu behalten, keines weges zu. Andere ſagen, es haͤtten nicht alle
geiſtliche dieſe Macht, ſondern nur die rechtmaͤßig beruffene,
die wiedergebohrne
und erleuchtete, und was dergleichen lieb-
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[56/0075] I. Abth. 1. Cap. Vom Urſprung der Macht von der Gewalt die Suͤnde zu vergeben und zu behalten/ die Chriſtus denen Apoſteln verliehen/ gehandelt haͤtte. Sie werden ſagen/ es ſey niemand unter denen Chriſten/ der ſol- ches in Zweiffel zoͤge. Allein es iſt ſolches nicht ohne Ur- ſache geſchehen. Jch habe es darum gethan/ damit man erkennen moͤge/ ob ſolche denen Apoſteln inſonderheit/ oder auch ihren ſo genannten Nachfolgern verliehen worden? ob dieſelbe zu denen auſerordentlichen Gnaden-Gaben, oder zu denenjenigen/ ſo unſere Theologi miniſterialia nennen/ zu ziehen ſey? Es kan ſeyn/ daß wenn einige dieſes leſen/ ſie mich ſo gleich vor einen unverſchaͤmten und verwegenen Menſchen ausruffen/ weil ich hierwieder nur einen Zweif- fel erregen wolte. Die meiſten bilden ſich ein/ es ſey ſon- nenklar/ daß dieſe Gewalt allen Dienern des Worts in der Perſon der Apoſtel verliehen worden. Da die Apoſtel nun ihr Leben beſchloſſen/ ſey dieſelbe auf alle Prieſter/ als ihre rechtmaͤßige Nachfolger und Erben gefallen a). Allein ich kan d) der Gewalt Suͤnde zu vergeben, und zu be- halten, ge- redet. a) Man ſchlage nur die Schrifften der Theologorum auf, ich glau- be, man werde mit Muͤhe einen finden, der auf einen andern Schlag urtheilte. Mich duͤncket aber, die meiſten haben keine deut- liche Einſicht gehabt, was vor ein Unterſcheid unter denen Apo- ſteln und denen Biſchoͤffen oder Aelteſten geweſen. So beſchei- den ſind ſie zwar, daß ſie nicht ſagen, ſie waͤren in allen der Apo- ſtel Nachfolger, ſondern nur in miniſterialibus. Jſt aber dieſes an dem, ſo kommet ihnen die Macht, die Suͤnde zu vergeben und zu behalten, keines weges zu. Andere ſagen, es haͤtten nicht alle geiſtliche dieſe Macht, ſondern nur die rechtmaͤßig beruffene, die wiedergebohrne und erleuchtete, und was dergleichen lieb- liche d) Suͤnde zu vergeben und zu behalten verliehen, und dieſes ſage ich auch. Jch koͤnte alſo auch den Loͤſe- und Binde-Schluͤſſel hie- her ziehen, allein ich habe meine Urſachen, warum ich ſolches nicht thun mag.

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Zitationshilfe: Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pertsch_recht_1721/75>, abgerufen am 29.04.2024.