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Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874.

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Die Urzustände des Menschengeschlechtes.
Menschen. Es ist ein unersetzliches Mittel, um solche Stoffver-
änderungen herbeizuführen, ohne welche die wichtigsten unserer
Nahrungsmittel ungeniessbar wären. Mit dem Beistande des Feuers
gelang es zuerst und gelingt es noch jetzt, Baumstämme in Fahr-
zeuge auszuhöhlen. Das Feuer allein verscheucht die grimmigen
Raubthiere des Waldes und der Wüste, den afrikanischen Löwen,
den asiatischen Tiger, den amerikanischen Jaguar. Am Feuer
härteten die Menschen der Urzeit ihre rohen Waffen, die
Spitzen ihrer hölzernen Speere. Das Feuer als Steppenbrand muss
den Jägerstämmen in Australien, Süd-Afrika, sowie in der neuen
Welt in Ermangelung abgerichteter Hunde das Wild in Schussbe-
reich treiben. Reste von verkohltem Holz und Asche sind aber sowohl
in den Höhlen des Perigord 1), als auch, was noch schwerer ins
Gewicht fällt, bei der Schussenquelle unter den Geräthen aus
Renthierhorn angetroffen worden, die noch in die nordeuropäische
Eiszeit gehören 2).

Ueberlegen wir nun, auf welche Art der Mensch sich ursprüng-
lich in den Besitz des Feuers gesetzt haben möge, so wird der
erste Gedanke wohl sein, dass er es als ein Geschenk aus der
Höhe empfangen habe durch einen Blitzstrahl, der einen Baum in
Flammen setzte. Allein um das Feuer als einen brauchbaren Ge-
hilfen an sich zu fesseln, dazu hätte eine Kenntniss aller der
Leistungen gehört, zu denen es der Mensch erst abrichten muss.
Der Aufbewahrung des Feuers musste also ein vertraulicher Um-
gang vorausgegangen sein. Wenn ein Schluss erlaubt ist aus den
Beobachtungen derer, die Völker im halben Naturzustande be-
lauscht haben, dürfen wir hinzufügen, dass der Mensch der unbe-
kannten Vorzeit mit Entsetzen sich von dem Schauspiele des auf-
lodernden Baumes abgewendet hätte, so oft etwa ein zuckender
Strahl aus der drohenden Wolke zündend herabfuhr. Das höchste
Maass innerer Wahrscheinlichkeit besitzt daher die Vermuthung,
dass in der Nachbarschaft von Lavaergüssen aus Vulcanen die
Menschen zuerst und dauernd mit den Wohlthaten des Feuers be-
kannt wurden 3). Noch zwanzig Jahre nach dem Ausbruche des
Jorullo vermochte man in den Spalten seiner Hornitos oder Mi-

1) S. oben S. 39.
2) S. oben S. 42.
3) Charles Darwin, Die Abstammung des Menschen. Bd. 1. S. 44.

Die Urzustände des Menschengeschlechtes.
Menschen. Es ist ein unersetzliches Mittel, um solche Stoffver-
änderungen herbeizuführen, ohne welche die wichtigsten unserer
Nahrungsmittel ungeniessbar wären. Mit dem Beistande des Feuers
gelang es zuerst und gelingt es noch jetzt, Baumstämme in Fahr-
zeuge auszuhöhlen. Das Feuer allein verscheucht die grimmigen
Raubthiere des Waldes und der Wüste, den afrikanischen Löwen,
den asiatischen Tiger, den amerikanischen Jaguar. Am Feuer
härteten die Menschen der Urzeit ihre rohen Waffen, die
Spitzen ihrer hölzernen Speere. Das Feuer als Steppenbrand muss
den Jägerstämmen in Australien, Süd-Afrika, sowie in der neuen
Welt in Ermangelung abgerichteter Hunde das Wild in Schussbe-
reich treiben. Reste von verkohltem Holz und Asche sind aber sowohl
in den Höhlen des Périgord 1), als auch, was noch schwerer ins
Gewicht fällt, bei der Schussenquelle unter den Geräthen aus
Renthierhorn angetroffen worden, die noch in die nordeuropäische
Eiszeit gehören 2).

Ueberlegen wir nun, auf welche Art der Mensch sich ursprüng-
lich in den Besitz des Feuers gesetzt haben möge, so wird der
erste Gedanke wohl sein, dass er es als ein Geschenk aus der
Höhe empfangen habe durch einen Blitzstrahl, der einen Baum in
Flammen setzte. Allein um das Feuer als einen brauchbaren Ge-
hilfen an sich zu fesseln, dazu hätte eine Kenntniss aller der
Leistungen gehört, zu denen es der Mensch erst abrichten muss.
Der Aufbewahrung des Feuers musste also ein vertraulicher Um-
gang vorausgegangen sein. Wenn ein Schluss erlaubt ist aus den
Beobachtungen derer, die Völker im halben Naturzustande be-
lauscht haben, dürfen wir hinzufügen, dass der Mensch der unbe-
kannten Vorzeit mit Entsetzen sich von dem Schauspiele des auf-
lodernden Baumes abgewendet hätte, so oft etwa ein zuckender
Strahl aus der drohenden Wolke zündend herabfuhr. Das höchste
Maass innerer Wahrscheinlichkeit besitzt daher die Vermuthung,
dass in der Nachbarschaft von Lavaergüssen aus Vulcanen die
Menschen zuerst und dauernd mit den Wohlthaten des Feuers be-
kannt wurden 3). Noch zwanzig Jahre nach dem Ausbruche des
Jorullo vermochte man in den Spalten seiner Hornitos oder Mi-

1) S. oben S. 39.
2) S. oben S. 42.
3) Charles Darwin, Die Abstammung des Menschen. Bd. 1. S. 44.
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[141/0159] Die Urzustände des Menschengeschlechtes. Menschen. Es ist ein unersetzliches Mittel, um solche Stoffver- änderungen herbeizuführen, ohne welche die wichtigsten unserer Nahrungsmittel ungeniessbar wären. Mit dem Beistande des Feuers gelang es zuerst und gelingt es noch jetzt, Baumstämme in Fahr- zeuge auszuhöhlen. Das Feuer allein verscheucht die grimmigen Raubthiere des Waldes und der Wüste, den afrikanischen Löwen, den asiatischen Tiger, den amerikanischen Jaguar. Am Feuer härteten die Menschen der Urzeit ihre rohen Waffen, die Spitzen ihrer hölzernen Speere. Das Feuer als Steppenbrand muss den Jägerstämmen in Australien, Süd-Afrika, sowie in der neuen Welt in Ermangelung abgerichteter Hunde das Wild in Schussbe- reich treiben. Reste von verkohltem Holz und Asche sind aber sowohl in den Höhlen des Périgord 1), als auch, was noch schwerer ins Gewicht fällt, bei der Schussenquelle unter den Geräthen aus Renthierhorn angetroffen worden, die noch in die nordeuropäische Eiszeit gehören 2). Ueberlegen wir nun, auf welche Art der Mensch sich ursprüng- lich in den Besitz des Feuers gesetzt haben möge, so wird der erste Gedanke wohl sein, dass er es als ein Geschenk aus der Höhe empfangen habe durch einen Blitzstrahl, der einen Baum in Flammen setzte. Allein um das Feuer als einen brauchbaren Ge- hilfen an sich zu fesseln, dazu hätte eine Kenntniss aller der Leistungen gehört, zu denen es der Mensch erst abrichten muss. Der Aufbewahrung des Feuers musste also ein vertraulicher Um- gang vorausgegangen sein. Wenn ein Schluss erlaubt ist aus den Beobachtungen derer, die Völker im halben Naturzustande be- lauscht haben, dürfen wir hinzufügen, dass der Mensch der unbe- kannten Vorzeit mit Entsetzen sich von dem Schauspiele des auf- lodernden Baumes abgewendet hätte, so oft etwa ein zuckender Strahl aus der drohenden Wolke zündend herabfuhr. Das höchste Maass innerer Wahrscheinlichkeit besitzt daher die Vermuthung, dass in der Nachbarschaft von Lavaergüssen aus Vulcanen die Menschen zuerst und dauernd mit den Wohlthaten des Feuers be- kannt wurden 3). Noch zwanzig Jahre nach dem Ausbruche des Jorullo vermochte man in den Spalten seiner Hornitos oder Mi- 1) S. oben S. 39. 2) S. oben S. 42. 3) Charles Darwin, Die Abstammung des Menschen. Bd. 1. S. 44.

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Zitationshilfe: Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/159>, abgerufen am 30.04.2024.