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Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874.

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Die Neger.
die abgestuft nach der Grösse auf einem Reifen befestigt werden,
den der Künstler an einem Riemen trägt. Mit Hammerschlägen
setzt er die Schalen in Schwingung und entlockt, wie man schon
errathen haben wird, den grösseren Holzbechern tiefere, den
kleineren höhere Töne1). Selbst die Abrichtung der Ochsen zum
Reiten ist nicht nothwendig eine Erfindung der Neger, sondern
viel eher den Galla oder andern Völkern hamitischer Abkunft am
Nil zuzuschreiben.

Nach allem Mitgetheilten den Neger einer Erhebung auf
höhere Zustände für unfähig zu erklären, wäre bare Willkür, allein
für die niedrigen Stufen der bis jetzt vorhandenen Gesittung einzig
nur die Natur des Festlandes anzuschuldigen, hiesse gänzlich die
Verschiedenheit in der Begabung der Menschenracen verkennen.
Afrika's Vorzüge bestanden, wie wir sahen, darin, dass es von der
alten Welt aus, wenn auch mühsam, erreichbar blieb. Von dort
aus haben die Neger fast alles bezogen, was ihre Zustände besserte.
Könnten wir uns denken, dass diese Menschenstämme in Australien
aufgetreten wären, schwerlich hätten sie dort, sich selbst überlassen,
über die Zustände australischer Eingeborner sich erhoben. Daher
müssen wir sie bei Abschätzung der Anlagen weit tiefer stellen
als die Urbewohner Amerika's, die völlig aus sich selbst zu grosser
geistiger Reife gelangten. Wäre dagegen Afrika zierlicher gestaltet,
wäre es so aufgeschlossen gewesen wie Europa, so würden auch
die Neger viel früher sich gehoben haben und möchten jetzt viel-
leicht gesellschaftliche Verbesserungen geniessen, wie etwa die
Malayochinesen.


1) Livingstone, Reisen in Südafrika. Bd. 1. S. 332.

Die Neger.
die abgestuft nach der Grösse auf einem Reifen befestigt werden,
den der Künstler an einem Riemen trägt. Mit Hammerschlägen
setzt er die Schalen in Schwingung und entlockt, wie man schon
errathen haben wird, den grösseren Holzbechern tiefere, den
kleineren höhere Töne1). Selbst die Abrichtung der Ochsen zum
Reiten ist nicht nothwendig eine Erfindung der Neger, sondern
viel eher den Galla oder andern Völkern hamitischer Abkunft am
Nil zuzuschreiben.

Nach allem Mitgetheilten den Neger einer Erhebung auf
höhere Zustände für unfähig zu erklären, wäre bare Willkür, allein
für die niedrigen Stufen der bis jetzt vorhandenen Gesittung einzig
nur die Natur des Festlandes anzuschuldigen, hiesse gänzlich die
Verschiedenheit in der Begabung der Menschenracen verkennen.
Afrika’s Vorzüge bestanden, wie wir sahen, darin, dass es von der
alten Welt aus, wenn auch mühsam, erreichbar blieb. Von dort
aus haben die Neger fast alles bezogen, was ihre Zustände besserte.
Könnten wir uns denken, dass diese Menschenstämme in Australien
aufgetreten wären, schwerlich hätten sie dort, sich selbst überlassen,
über die Zustände australischer Eingeborner sich erhoben. Daher
müssen wir sie bei Abschätzung der Anlagen weit tiefer stellen
als die Urbewohner Amerika’s, die völlig aus sich selbst zu grosser
geistiger Reife gelangten. Wäre dagegen Afrika zierlicher gestaltet,
wäre es so aufgeschlossen gewesen wie Europa, so würden auch
die Neger viel früher sich gehoben haben und möchten jetzt viel-
leicht gesellschaftliche Verbesserungen geniessen, wie etwa die
Malayochinesen.


1) Livingstone, Reisen in Südafrika. Bd. 1. S. 332.
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[516/0534] Die Neger. die abgestuft nach der Grösse auf einem Reifen befestigt werden, den der Künstler an einem Riemen trägt. Mit Hammerschlägen setzt er die Schalen in Schwingung und entlockt, wie man schon errathen haben wird, den grösseren Holzbechern tiefere, den kleineren höhere Töne 1). Selbst die Abrichtung der Ochsen zum Reiten ist nicht nothwendig eine Erfindung der Neger, sondern viel eher den Galla oder andern Völkern hamitischer Abkunft am Nil zuzuschreiben. Nach allem Mitgetheilten den Neger einer Erhebung auf höhere Zustände für unfähig zu erklären, wäre bare Willkür, allein für die niedrigen Stufen der bis jetzt vorhandenen Gesittung einzig nur die Natur des Festlandes anzuschuldigen, hiesse gänzlich die Verschiedenheit in der Begabung der Menschenracen verkennen. Afrika’s Vorzüge bestanden, wie wir sahen, darin, dass es von der alten Welt aus, wenn auch mühsam, erreichbar blieb. Von dort aus haben die Neger fast alles bezogen, was ihre Zustände besserte. Könnten wir uns denken, dass diese Menschenstämme in Australien aufgetreten wären, schwerlich hätten sie dort, sich selbst überlassen, über die Zustände australischer Eingeborner sich erhoben. Daher müssen wir sie bei Abschätzung der Anlagen weit tiefer stellen als die Urbewohner Amerika’s, die völlig aus sich selbst zu grosser geistiger Reife gelangten. Wäre dagegen Afrika zierlicher gestaltet, wäre es so aufgeschlossen gewesen wie Europa, so würden auch die Neger viel früher sich gehoben haben und möchten jetzt viel- leicht gesellschaftliche Verbesserungen geniessen, wie etwa die Malayochinesen. 1) Livingstone, Reisen in Südafrika. Bd. 1. S. 332.

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Zitationshilfe: Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 516. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/534>, abgerufen am 27.04.2024.