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Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874.

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Die mittelländische Race.
sowie das mit vielen fremden Stoffen gemischte Urdu oder
die Lagersprache der Grossmongolen, das Pendschabi und Sindhi,
ferner das Marathi oder die Mahrattensprache, hervorgegangen.
Zu diesem Aste gehören ferner die Sprache der Siaposch oder
Schwarzbekleideten in Kafiristan1), sowie die der räthselhaften
Zigeuner, die nicht vor dem Jahre 1000 n. Chr. Indien verliessen,
in Griechenland unsern Welttheil betraten, 1322 auf Creta, 1346 auf
Corfu und um 1370 in der Walachai nachgewiesen worden sind2).

Der zweite Ast der asiatischen Arier umfasst die Völker,
welche das Zend, die Sprache des Avesta oder der altpersischen
heiligen Schrift sowie der Keilinschriften erster Gattung persischer
Grosskönige vormals geredet haben oder zu ihm in geschwister-
licher Beziehung stehen. Gemischt mit semitischen Stoffen ging
aus dem Zend das Pehlewi, aus diesem das Neupersische hervor.
Der Zendgruppe schliessen sich an die Karduchen der alten Geo-
graphen, die Kurden der neueren3), Gebirgsvölker Vorderasiens,
dann die Armenier, deren Sprache sich dem Pehlewi nähert und
denen die Phrygier und Kappodocier verwandt gewesen sein sollen,
drittens die Iron oder Osseten des Kaukasus, welche höchst be-
deutungsvoll in der und an beiden Ausgängen der Darielschlucht
wohnen, welche letztere tief die Centralkette des Kaukasus, sowie
die nördliche Vorkette, überhaupt als einzige natürliche Strasse
das grosse Gebirge spaltet; ferner die Belutschen in Belutschistan,
endlich die Awghanen Awghanistans, die sich Puschtaneh oder
Puchtaneh, ihre Sprache aber das Paschto oder Pachto nennen;
nur ist zu bemerken, dass nach den neuesten Erforschungen dieses
Paschto als selbstständiger Seitenzweig aus der Gabelung des era-
nischen und sanskritischen Astes hervorgesprosst ist. Zum Schluss
sind noch die Tadschik in Turkistan zu nennen, die ackerbau-
treibende und der Leibeigenschaft verfallene Bevölkerung der oez-
begischen Chanate oder Emirate Chiwa, Bochara, Kokand und
Kaschgarien4).

1) Trumpp, Sprache der Kafirn in Zeitschrift der D. Mgld. Gesell-
schaft. Bd. 20. S. 391.
2) F. Miklosich, Zigeuner Europa's. Wien. 1873. Heft III. S. 7.
3) Die Namen der einzelnen Horden gibt A. Schläfli in Petermann's
Mittheilungen. 1863. S. 62.
4) S. oben S. 407.

Die mittelländische Race.
sowie das mit vielen fremden Stoffen gemischte Urdu oder
die Lagersprache der Grossmongolen, das Pendschabi und Sindhi,
ferner das Marathi oder die Mahrattensprache, hervorgegangen.
Zu diesem Aste gehören ferner die Sprache der Siaposch oder
Schwarzbekleideten in Kafiristan1), sowie die der räthselhaften
Zigeuner, die nicht vor dem Jahre 1000 n. Chr. Indien verliessen,
in Griechenland unsern Welttheil betraten, 1322 auf Creta, 1346 auf
Corfu und um 1370 in der Walachai nachgewiesen worden sind2).

Der zweite Ast der asiatischen Arier umfasst die Völker,
welche das Zend, die Sprache des Avesta oder der altpersischen
heiligen Schrift sowie der Keilinschriften erster Gattung persischer
Grosskönige vormals geredet haben oder zu ihm in geschwister-
licher Beziehung stehen. Gemischt mit semitischen Stoffen ging
aus dem Zend das Pehlewi, aus diesem das Neupersische hervor.
Der Zendgruppe schliessen sich an die Karduchen der alten Geo-
graphen, die Kurden der neueren3), Gebirgsvölker Vorderasiens,
dann die Armenier, deren Sprache sich dem Pehlewi nähert und
denen die Phrygier und Kappodocier verwandt gewesen sein sollen,
drittens die Iron oder Osseten des Kaukasus, welche höchst be-
deutungsvoll in der und an beiden Ausgängen der Darielschlucht
wohnen, welche letztere tief die Centralkette des Kaukasus, sowie
die nördliche Vorkette, überhaupt als einzige natürliche Strasse
das grosse Gebirge spaltet; ferner die Belutschen in Belutschistan,
endlich die Awghanen Awghanistâns, die sich Puschtaneh oder
Puchtaneh, ihre Sprache aber das Paschto oder Pachto nennen;
nur ist zu bemerken, dass nach den neuesten Erforschungen dieses
Paschto als selbstständiger Seitenzweig aus der Gabelung des erâ-
nischen und sanskritischen Astes hervorgesprosst ist. Zum Schluss
sind noch die Tadschik in Turkistan zu nennen, die ackerbau-
treibende und der Leibeigenschaft verfallene Bevölkerung der oez-
begischen Chanate oder Emirate Chiwa, Bochara, Kokand und
Kaschgarien4).

1) Trumpp, Sprache der Kafirn in Zeitschrift der D. Mgld. Gesell-
schaft. Bd. 20. S. 391.
2) F. Miklosich, Zigeuner Europa’s. Wien. 1873. Heft III. S. 7.
3) Die Namen der einzelnen Horden gibt A. Schläfli in Petermann’s
Mittheilungen. 1863. S. 62.
4) S. oben S. 407.
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[541/0559] Die mittelländische Race. sowie das mit vielen fremden Stoffen gemischte Urdu oder die Lagersprache der Grossmongolen, das Pendschabi und Sindhi, ferner das Marathi oder die Mahrattensprache, hervorgegangen. Zu diesem Aste gehören ferner die Sprache der Siaposch oder Schwarzbekleideten in Kafiristan 1), sowie die der räthselhaften Zigeuner, die nicht vor dem Jahre 1000 n. Chr. Indien verliessen, in Griechenland unsern Welttheil betraten, 1322 auf Creta, 1346 auf Corfu und um 1370 in der Walachai nachgewiesen worden sind 2). Der zweite Ast der asiatischen Arier umfasst die Völker, welche das Zend, die Sprache des Avesta oder der altpersischen heiligen Schrift sowie der Keilinschriften erster Gattung persischer Grosskönige vormals geredet haben oder zu ihm in geschwister- licher Beziehung stehen. Gemischt mit semitischen Stoffen ging aus dem Zend das Pehlewi, aus diesem das Neupersische hervor. Der Zendgruppe schliessen sich an die Karduchen der alten Geo- graphen, die Kurden der neueren 3), Gebirgsvölker Vorderasiens, dann die Armenier, deren Sprache sich dem Pehlewi nähert und denen die Phrygier und Kappodocier verwandt gewesen sein sollen, drittens die Iron oder Osseten des Kaukasus, welche höchst be- deutungsvoll in der und an beiden Ausgängen der Darielschlucht wohnen, welche letztere tief die Centralkette des Kaukasus, sowie die nördliche Vorkette, überhaupt als einzige natürliche Strasse das grosse Gebirge spaltet; ferner die Belutschen in Belutschistan, endlich die Awghanen Awghanistâns, die sich Puschtaneh oder Puchtaneh, ihre Sprache aber das Paschto oder Pachto nennen; nur ist zu bemerken, dass nach den neuesten Erforschungen dieses Paschto als selbstständiger Seitenzweig aus der Gabelung des erâ- nischen und sanskritischen Astes hervorgesprosst ist. Zum Schluss sind noch die Tadschik in Turkistan zu nennen, die ackerbau- treibende und der Leibeigenschaft verfallene Bevölkerung der oez- begischen Chanate oder Emirate Chiwa, Bochara, Kokand und Kaschgarien 4). 1) Trumpp, Sprache der Kafirn in Zeitschrift der D. Mgld. Gesell- schaft. Bd. 20. S. 391. 2) F. Miklosich, Zigeuner Europa’s. Wien. 1873. Heft III. S. 7. 3) Die Namen der einzelnen Horden gibt A. Schläfli in Petermann’s Mittheilungen. 1863. S. 62. 4) S. oben S. 407.

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Zitationshilfe: Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 541. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/559>, abgerufen am 28.04.2024.