Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783.

Bild:
<< vorherige Seite

scheuten wir uns vor nichts mehr weder im
Himmel noch auf Erden."

Sonst war sie stille, und löschte so sanft
aus wie ein Licht.

Gertrud besorgte sie zum Grabe, und
als die Todtengloke läutete, wainten weit
die meisten Menschen im Dorfe ob ihr;
und ihr Mann gieng eine Viertelstunde,
nachdem sie verschieden, in sein Gefängniß
zurük.

§. 65.
Weilen doch über den himmlischen
Bogen
Eine so dike Deke gezogen,
Daß es auf Erden finster und
Nacht --
Welches uns alle so schläferig
macht,
Liebester Gott! So wollest ver-
schaffen,
Daß wir doch friedlich nehmen
Bedacht;
Unser Aug sey für das Nahe ge-
schaffen,
Und nicht gar in die Ferne zu
sehn --
P 5

ſcheuten wir uns vor nichts mehr weder im
Him̃el noch auf Erden.“

Sonſt war ſie ſtille, und loͤſchte ſo ſanft
aus wie ein Licht.

Gertrud beſorgte ſie zum Grabe, und
als die Todtengloke laͤutete, wainten weit
die meiſten Menſchen im Dorfe ob ihr;
und ihr Mann gieng eine Viertelſtunde,
nachdem ſie verſchieden, in ſein Gefaͤngniß
zuruͤk.

§. 65.
Weilen doch uͤber den him̃liſchen
Bogen
Eine ſo dike Deke gezogen,
Daß es auf Erden finſter und
Nacht —
Welches uns alle ſo ſchlaͤferig
macht,
Liebeſter Gott! So wolleſt ver-
ſchaffen,
Daß wir doch friedlich nehmen
Bedacht;
Unſer Aug ſey fuͤr das Nahe ge-
ſchaffen,
Und nicht gar in die Ferne zu
ſehn —
P 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0251" n="233"/>
&#x017F;cheuten wir uns vor nichts mehr weder im<lb/>
Him&#x0303;el noch auf Erden.&#x201C;</p><lb/>
          <p>Son&#x017F;t war &#x017F;ie &#x017F;tille, und lo&#x0364;&#x017F;chte &#x017F;o &#x017F;anft<lb/>
aus wie ein Licht.</p><lb/>
          <p>Gertrud be&#x017F;orgte &#x017F;ie zum Grabe, und<lb/>
als die Todtengloke la&#x0364;utete, wainten weit<lb/>
die mei&#x017F;ten Men&#x017F;chen im Dorfe ob ihr;<lb/>
und ihr Mann gieng eine Viertel&#x017F;tunde,<lb/>
nachdem &#x017F;ie ver&#x017F;chieden, in &#x017F;ein Gefa&#x0364;ngniß<lb/>
zuru&#x0364;k.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>§. 65.</head><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>Weilen doch u&#x0364;ber den him&#x0303;li&#x017F;chen</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">Bogen</hi> </l><lb/>
            <l>Eine &#x017F;o dike Deke gezogen,</l><lb/>
            <l>Daß es auf Erden fin&#x017F;ter und</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">Nacht &#x2014;</hi> </l><lb/>
            <l>Welches uns alle &#x017F;o &#x017F;chla&#x0364;ferig</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">macht,</hi> </l><lb/>
            <l>Liebe&#x017F;ter Gott! So wolle&#x017F;t ver-</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">&#x017F;chaffen,</hi> </l><lb/>
            <l>Daß wir doch friedlich nehmen</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">Bedacht;</hi> </l><lb/>
            <l>Un&#x017F;er Aug &#x017F;ey fu&#x0364;r das Nahe ge-</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">&#x017F;chaffen,</hi> </l><lb/>
            <l>Und nicht gar in die Ferne zu</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">&#x017F;ehn &#x2014;</hi> </l><lb/>
            <fw place="bottom" type="sig">P 5</fw><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[233/0251] ſcheuten wir uns vor nichts mehr weder im Him̃el noch auf Erden.“ Sonſt war ſie ſtille, und loͤſchte ſo ſanft aus wie ein Licht. Gertrud beſorgte ſie zum Grabe, und als die Todtengloke laͤutete, wainten weit die meiſten Menſchen im Dorfe ob ihr; und ihr Mann gieng eine Viertelſtunde, nachdem ſie verſchieden, in ſein Gefaͤngniß zuruͤk. §. 65. Weilen doch uͤber den him̃liſchen Bogen Eine ſo dike Deke gezogen, Daß es auf Erden finſter und Nacht — Welches uns alle ſo ſchlaͤferig macht, Liebeſter Gott! So wolleſt ver- ſchaffen, Daß wir doch friedlich nehmen Bedacht; Unſer Aug ſey fuͤr das Nahe ge- ſchaffen, Und nicht gar in die Ferne zu ſehn — P 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783/251
Zitationshilfe: Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783/251>, abgerufen am 17.06.2024.