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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785.

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bringen, und wußte selber, daß wenn er
ihns also unter die Linde kommen lassen wür-
de, er dadurch noch mehr die Sitten und das
Herz seines armen Dorfs verderben würde.

Es zeigte sich deutlich. Er hatte auch ihm
nicht so bald dieses befohlen, als alles Lum-
penvolk unter der Linde seine eigene Rechnung
vergaß, und sich wie auf eine Hochzeit freuete,
die Hoffarths-Beth in ihrer Mutter Hudlen
unter die Linde waklen zusehen.

Aber der Junker schikte, so bald sie heim
war, den Harschier nach, mit Befehl, niemand
zu ihrem Haus hinzu stehen lassen, und vor
der Thüre zu warten, bis das Mensch in sei-
nen Hudlen herauskommen wolle, und ihm
denn zu sagen, es soll jezt nur daheim bleiben,
aber wenn es sich noch einmal in einer ihm
nicht anständigen Kleidung zeige, so lasse er
ihns ohn anders zum Dorf hinaus führen.

Seit dieser Stund ist die Hürnerbeth ein
braves eingezogenes Mensch und hat am glei-
chen Tag alle Zeichen und alle Faden von Hof-
farth von den Kleidern die es hatte, abge-
trennt.

Hundert an eins ist zu wetten, wenn er
die Comödie, auf die das Lumpenvolk hofte,
mit ihm gespielt hätte, es wäre vor immer
verloren gewesen.


bringen, und wußte ſelber, daß wenn er
ihns alſo unter die Linde kommen laſſen wuͤr-
de, er dadurch noch mehr die Sitten und das
Herz ſeines armen Dorfs verderben wuͤrde.

Es zeigte ſich deutlich. Er hatte auch ihm
nicht ſo bald dieſes befohlen, als alles Lum-
penvolk unter der Linde ſeine eigene Rechnung
vergaß, und ſich wie auf eine Hochzeit freuete,
die Hoffarths-Beth in ihrer Mutter Hudlen
unter die Linde waklen zuſehen.

Aber der Junker ſchikte, ſo bald ſie heim
war, den Harſchier nach, mit Befehl, niemand
zu ihrem Haus hinzu ſtehen laſſen, und vor
der Thuͤre zu warten, bis das Menſch in ſei-
nen Hudlen herauskommen wolle, und ihm
denn zu ſagen, es ſoll jezt nur daheim bleiben,
aber wenn es ſich noch einmal in einer ihm
nicht anſtaͤndigen Kleidung zeige, ſo laſſe er
ihns ohn anders zum Dorf hinaus fuͤhren.

Seit dieſer Stund iſt die Huͤrnerbeth ein
braves eingezogenes Menſch und hat am glei-
chen Tag alle Zeichen und alle Faden von Hof-
farth von den Kleidern die es hatte, abge-
trennt.

Hundert an eins iſt zu wetten, wenn er
die Comoͤdie, auf die das Lumpenvolk hofte,
mit ihm geſpielt haͤtte, es waͤre vor immer
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[185/0207] bringen, und wußte ſelber, daß wenn er ihns alſo unter die Linde kommen laſſen wuͤr- de, er dadurch noch mehr die Sitten und das Herz ſeines armen Dorfs verderben wuͤrde. Es zeigte ſich deutlich. Er hatte auch ihm nicht ſo bald dieſes befohlen, als alles Lum- penvolk unter der Linde ſeine eigene Rechnung vergaß, und ſich wie auf eine Hochzeit freuete, die Hoffarths-Beth in ihrer Mutter Hudlen unter die Linde waklen zuſehen. Aber der Junker ſchikte, ſo bald ſie heim war, den Harſchier nach, mit Befehl, niemand zu ihrem Haus hinzu ſtehen laſſen, und vor der Thuͤre zu warten, bis das Menſch in ſei- nen Hudlen herauskommen wolle, und ihm denn zu ſagen, es ſoll jezt nur daheim bleiben, aber wenn es ſich noch einmal in einer ihm nicht anſtaͤndigen Kleidung zeige, ſo laſſe er ihns ohn anders zum Dorf hinaus fuͤhren. Seit dieſer Stund iſt die Huͤrnerbeth ein braves eingezogenes Menſch und hat am glei- chen Tag alle Zeichen und alle Faden von Hof- farth von den Kleidern die es hatte, abge- trennt. Hundert an eins iſt zu wetten, wenn er die Comoͤdie, auf die das Lumpenvolk hofte, mit ihm geſpielt haͤtte, es waͤre vor immer verloren geweſen.

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Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/207>, abgerufen am 27.04.2024.