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Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 2. Wien, 1850.

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wie ich überall sagen hörte, sollen die Gesetze gut, die Richter gerecht sein; aber eine andere Frage ist, ob der Arme auch immer bis zu dem Richter gelangt. Die Distrikte sind groß, der Bauer kann nicht eine Reise von siebzig bis achtzig oder noch mehr Meilen unternehmen. Und selbst wenn er in der Nähe wohnt, dringt er nicht immer bis zu des Richters Stuhl. Der Geschäfte sind so viele, daß der Richter selbst sich nicht mit allen Einzelnheiten befassen kann; und gewöhnlich ist er der einzige Europäer im Amte, -- das übrige Personale besteht aus Hindus und Mohamedanern, deren Charakter -- eine traurige Wahrheit -- immer schlechter wird, je mehr sie mit Europäern verkehren oder in Verbindung stehen. Wenn daher der Bauer der Gerichtshalle naht, ohne eine Gabe zu bringen, wird er gewöhnlich abgewiesen, seine Schrift oder Klage wird nicht angenommen, nicht angehört; -- und wo soll der von dem Pächter Ausgesogene die Gabe hernehmen? Der Bauer weiß und kennt dies, er geht daher selten klagen.

Ein Engländer (leider entfiel mir sein Name), der Indien wissenschaftlich bereist hat, bewies, daß die Bauern jetzt mehr zu leisten haben als früher unter ihren eingebornen Fürsten.

Auch hier in Indien unter der sogenannten "freisinnigen englischen Regierung" kam ich zur traurigen Ueberzeugung, daß die Lage des Sclaven in Brasilien besser ist als die des freien Bauers hier. Der Sclave dort hat für keine Bedürfnisse zu sorgen, auch wird ihm nie zu viel Arbeit aufgebürdet, da der Nutzen des Herrn darunter am meisten leiden würde, denn ein Sclave kostet

wie ich überall sagen hörte, sollen die Gesetze gut, die Richter gerecht sein; aber eine andere Frage ist, ob der Arme auch immer bis zu dem Richter gelangt. Die Distrikte sind groß, der Bauer kann nicht eine Reise von siebzig bis achtzig oder noch mehr Meilen unternehmen. Und selbst wenn er in der Nähe wohnt, dringt er nicht immer bis zu des Richters Stuhl. Der Geschäfte sind so viele, daß der Richter selbst sich nicht mit allen Einzelnheiten befassen kann; und gewöhnlich ist er der einzige Europäer im Amte, — das übrige Personale besteht aus Hindus und Mohamedanern, deren Charakter — eine traurige Wahrheit — immer schlechter wird, je mehr sie mit Europäern verkehren oder in Verbindung stehen. Wenn daher der Bauer der Gerichtshalle naht, ohne eine Gabe zu bringen, wird er gewöhnlich abgewiesen, seine Schrift oder Klage wird nicht angenommen, nicht angehört; — und wo soll der von dem Pächter Ausgesogene die Gabe hernehmen? Der Bauer weiß und kennt dies, er geht daher selten klagen.

Ein Engländer (leider entfiel mir sein Name), der Indien wissenschaftlich bereist hat, bewies, daß die Bauern jetzt mehr zu leisten haben als früher unter ihren eingebornen Fürsten.

Auch hier in Indien unter der sogenannten „freisinnigen englischen Regierung“ kam ich zur traurigen Ueberzeugung, daß die Lage des Sclaven in Brasilien besser ist als die des freien Bauers hier. Der Sclave dort hat für keine Bedürfnisse zu sorgen, auch wird ihm nie zu viel Arbeit aufgebürdet, da der Nutzen des Herrn darunter am meisten leiden würde, denn ein Sclave kostet

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wie ich überall sagen hörte, sollen die Gesetze gut, die Richter gerecht sein; aber eine andere Frage ist, ob der Arme auch immer bis zu dem Richter gelangt. Die Distrikte sind groß, der Bauer kann nicht eine Reise von siebzig bis achtzig oder noch mehr Meilen unternehmen. Und selbst wenn er in der Nähe wohnt, dringt er nicht immer bis zu des Richters Stuhl. Der Geschäfte sind so viele, daß der Richter selbst sich nicht mit allen Einzelnheiten befassen kann; und gewöhnlich ist er der einzige Europäer im Amte, &#x2014; das übrige Personale besteht aus Hindus und Mohamedanern, deren Charakter &#x2014; eine traurige Wahrheit &#x2014; immer schlechter wird, je mehr sie mit Europäern verkehren oder in Verbindung stehen. Wenn daher der Bauer der Gerichtshalle naht, ohne eine Gabe zu bringen, wird er gewöhnlich abgewiesen, seine Schrift oder Klage wird nicht angenommen, nicht angehört; &#x2014; und wo soll der von dem Pächter Ausgesogene die Gabe hernehmen? Der Bauer weiß und kennt dies, er geht daher selten klagen.</p>
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[184/0191] wie ich überall sagen hörte, sollen die Gesetze gut, die Richter gerecht sein; aber eine andere Frage ist, ob der Arme auch immer bis zu dem Richter gelangt. Die Distrikte sind groß, der Bauer kann nicht eine Reise von siebzig bis achtzig oder noch mehr Meilen unternehmen. Und selbst wenn er in der Nähe wohnt, dringt er nicht immer bis zu des Richters Stuhl. Der Geschäfte sind so viele, daß der Richter selbst sich nicht mit allen Einzelnheiten befassen kann; und gewöhnlich ist er der einzige Europäer im Amte, — das übrige Personale besteht aus Hindus und Mohamedanern, deren Charakter — eine traurige Wahrheit — immer schlechter wird, je mehr sie mit Europäern verkehren oder in Verbindung stehen. Wenn daher der Bauer der Gerichtshalle naht, ohne eine Gabe zu bringen, wird er gewöhnlich abgewiesen, seine Schrift oder Klage wird nicht angenommen, nicht angehört; — und wo soll der von dem Pächter Ausgesogene die Gabe hernehmen? Der Bauer weiß und kennt dies, er geht daher selten klagen. Ein Engländer (leider entfiel mir sein Name), der Indien wissenschaftlich bereist hat, bewies, daß die Bauern jetzt mehr zu leisten haben als früher unter ihren eingebornen Fürsten. Auch hier in Indien unter der sogenannten „freisinnigen englischen Regierung“ kam ich zur traurigen Ueberzeugung, daß die Lage des Sclaven in Brasilien besser ist als die des freien Bauers hier. Der Sclave dort hat für keine Bedürfnisse zu sorgen, auch wird ihm nie zu viel Arbeit aufgebürdet, da der Nutzen des Herrn darunter am meisten leiden würde, denn ein Sclave kostet

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Zitationshilfe: Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 2. Wien, 1850, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pfeiffer_frauenfahrt02_1850/191>, abgerufen am 28.04.2024.