Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 3. Wien, 1850.

Bild:
<< vorherige Seite

mancher Berge standen Ruinen von Burgen und Vesten. Auch in diesen Gegenden gab es Zeiten, wie im alten deutschen Reiche, in welche ein Edelherr den andern befehdete und kein Mensch seines Lebens und Gutes sicher war. Die Herren wohnten in befestigten Schlössern auf Hügeln und Bergen, gingen gerüstet und geharnischt wie Ritter, und wenn feindliche Einfälle drohten, flüchteten sich die Unterthanen nach den festen Schlössern. -- Noch jetzt soll es Leute geben, die über oder unter den Anzügen, Hemden von Eisen, gestricktem Drahte und Helme statt Mützen tragen. Ich sah jedoch nichts davon. -- Der Fluß Kurry blieb stets treu zur Seite. Unweit der Station führt eine lange schöne Brücke hinüber, die aber so ungeschickt angebracht ist, daß man eine ganze Werst Umweg hat.

6. September. Die Fahrt wird immer romantischer. Gebüsch und Waldungen decken Hügel und Thal, und auf den Feldern prangt im saftigen Grün das hochstämmige türkische Korn. Auch an alten Burgen und Schlössern fehlt es nicht. Gegen Abend, nachdem ich es heute mit vieler Mühe auf vier Stationen gebracht hatte, erreichte ich das Städchen Gory, dessen Lage überaus reizend ist. Bewaldete Gebirge schließen es in weiten Kreisen ein, während sich näher die niedlichsten Hügelpartien erheben. Beinahe mitten aus der Häusermasse steigt ein Hügel empor, dessen Spitze mit einer schönen Citadelle gekrönt ist. Das Städtchen selbst besitzt einige hübsche Kirchen, Privathäuser, Kasernen und ein nettes Spital. -- Städte und Ortschaften verlieren hier schon ganz den orientalischen Charakter.

Bei heiterer Luft sieht man beständig das kaukasische

mancher Berge standen Ruinen von Burgen und Vesten. Auch in diesen Gegenden gab es Zeiten, wie im alten deutschen Reiche, in welche ein Edelherr den andern befehdete und kein Mensch seines Lebens und Gutes sicher war. Die Herren wohnten in befestigten Schlössern auf Hügeln und Bergen, gingen gerüstet und geharnischt wie Ritter, und wenn feindliche Einfälle drohten, flüchteten sich die Unterthanen nach den festen Schlössern. — Noch jetzt soll es Leute geben, die über oder unter den Anzügen, Hemden von Eisen, gestricktem Drahte und Helme statt Mützen tragen. Ich sah jedoch nichts davon. — Der Fluß Kurry blieb stets treu zur Seite. Unweit der Station führt eine lange schöne Brücke hinüber, die aber so ungeschickt angebracht ist, daß man eine ganze Werst Umweg hat.

6. September. Die Fahrt wird immer romantischer. Gebüsch und Waldungen decken Hügel und Thal, und auf den Feldern prangt im saftigen Grün das hochstämmige türkische Korn. Auch an alten Burgen und Schlössern fehlt es nicht. Gegen Abend, nachdem ich es heute mit vieler Mühe auf vier Stationen gebracht hatte, erreichte ich das Städchen Gory, dessen Lage überaus reizend ist. Bewaldete Gebirge schließen es in weiten Kreisen ein, während sich näher die niedlichsten Hügelpartien erheben. Beinahe mitten aus der Häusermasse steigt ein Hügel empor, dessen Spitze mit einer schönen Citadelle gekrönt ist. Das Städtchen selbst besitzt einige hübsche Kirchen, Privathäuser, Kasernen und ein nettes Spital. — Städte und Ortschaften verlieren hier schon ganz den orientalischen Charakter.

Bei heiterer Luft sieht man beständig das kaukasische

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0277" n="269"/>
mancher Berge standen Ruinen von Burgen und Vesten. Auch in diesen Gegenden gab es Zeiten, wie im alten deutschen Reiche, in welche ein Edelherr den andern befehdete und kein Mensch seines Lebens und Gutes sicher war. Die Herren wohnten in befestigten Schlössern auf Hügeln und Bergen, gingen gerüstet und geharnischt wie Ritter, und wenn feindliche Einfälle drohten, flüchteten sich die Unterthanen nach den festen Schlössern. &#x2014; Noch jetzt soll es Leute geben, die über oder unter den Anzügen, Hemden von Eisen, gestricktem Drahte und Helme statt Mützen tragen. Ich sah jedoch nichts davon. &#x2014; Der Fluß Kurry blieb stets treu zur Seite. Unweit der Station führt eine lange schöne Brücke hinüber, die aber so ungeschickt angebracht ist, daß man eine ganze Werst Umweg hat.</p>
        <p>6. September. Die Fahrt wird immer romantischer. Gebüsch und Waldungen decken Hügel und Thal, und auf den Feldern prangt im saftigen Grün das hochstämmige türkische Korn. Auch an alten Burgen und Schlössern fehlt es nicht. Gegen Abend, nachdem ich es heute mit vieler Mühe auf vier Stationen gebracht hatte, erreichte ich das Städchen <hi rendition="#aq">Gory</hi>, dessen Lage überaus reizend ist. Bewaldete Gebirge schließen es in weiten Kreisen ein, während sich näher die niedlichsten Hügelpartien erheben. Beinahe mitten aus der Häusermasse steigt ein Hügel empor, dessen Spitze mit einer schönen Citadelle gekrönt ist. Das Städtchen selbst besitzt einige hübsche Kirchen, Privathäuser, Kasernen und ein nettes Spital. &#x2014; Städte und Ortschaften verlieren hier schon ganz den orientalischen Charakter.</p>
        <p>Bei heiterer Luft sieht man beständig das kaukasische
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[269/0277] mancher Berge standen Ruinen von Burgen und Vesten. Auch in diesen Gegenden gab es Zeiten, wie im alten deutschen Reiche, in welche ein Edelherr den andern befehdete und kein Mensch seines Lebens und Gutes sicher war. Die Herren wohnten in befestigten Schlössern auf Hügeln und Bergen, gingen gerüstet und geharnischt wie Ritter, und wenn feindliche Einfälle drohten, flüchteten sich die Unterthanen nach den festen Schlössern. — Noch jetzt soll es Leute geben, die über oder unter den Anzügen, Hemden von Eisen, gestricktem Drahte und Helme statt Mützen tragen. Ich sah jedoch nichts davon. — Der Fluß Kurry blieb stets treu zur Seite. Unweit der Station führt eine lange schöne Brücke hinüber, die aber so ungeschickt angebracht ist, daß man eine ganze Werst Umweg hat. 6. September. Die Fahrt wird immer romantischer. Gebüsch und Waldungen decken Hügel und Thal, und auf den Feldern prangt im saftigen Grün das hochstämmige türkische Korn. Auch an alten Burgen und Schlössern fehlt es nicht. Gegen Abend, nachdem ich es heute mit vieler Mühe auf vier Stationen gebracht hatte, erreichte ich das Städchen Gory, dessen Lage überaus reizend ist. Bewaldete Gebirge schließen es in weiten Kreisen ein, während sich näher die niedlichsten Hügelpartien erheben. Beinahe mitten aus der Häusermasse steigt ein Hügel empor, dessen Spitze mit einer schönen Citadelle gekrönt ist. Das Städtchen selbst besitzt einige hübsche Kirchen, Privathäuser, Kasernen und ein nettes Spital. — Städte und Ortschaften verlieren hier schon ganz den orientalischen Charakter. Bei heiterer Luft sieht man beständig das kaukasische

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Sophie: A digital library of works by german-speaking women: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-06-28T07:11:29Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition (2013-06-28T07:11:29Z)
Bayerische Staatsbibliothek Digital: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-06-28T07:11:29Z)

Weitere Informationen:

  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein
  • Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.) sind nicht konsequent wie in der Vorlage gekennzeichnet



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pfeiffer_frauenfahrt03_1850
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pfeiffer_frauenfahrt03_1850/277
Zitationshilfe: Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 3. Wien, 1850, S. 269. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pfeiffer_frauenfahrt03_1850/277>, abgerufen am 27.04.2024.