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Pflüger, Eduard Friedrich Wilhelm: Die sensorischen Functionen des Rückenmarks der Wirbelthiere. Berlin, 1853.

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gebene Fall das Gesetz der gleichseitigen Leitung. Wenn wir
aber achten auf den Weg der intersensitiv-motorischen Bewe¬
gung, so sehen wir seine Direction von vorne nach hinten ge¬
richtet: von den Wurzeln des Quintus nach dem Facialis und
Quintus motorius. Der Fall lehrt ferner das intensivere Auftre¬
ten der Reflexion auf der Seite der Verletzung bei doppelseiti¬
gen Reflexionen. (Gesetz I., III. und IV.)

Beobachtung II.

Larrey, Memoires de Chirurgie militaire. Tom. III. p. 307. (Cam¬
pagnes d'Autriche.)

Markeski, Lieutenant der Cheveaulegers, wurde mit einer
Lanze auf dem rechten Stirnbein verwundet. Die Waffe war
durch das Pericranium in die Dicke des Os frontale gedrungen.
Neun Tage waren bereits ohne alle üblen Symptome vergangen.
Aber vom neunten zum zehnten Tage erschien der Tetanus
während der Nacht. Die rechten Augenlider begannen zu
zucken und das Gesicht verlor sich auf diesem Auge. Auch
war der Kranke ein wenig irre. Heftige locale Schmerzen, Tris¬
mus und Emprosthotonos gesellte sich hinzu. Das Uebel nahm
raschen Fortgang. Larrey sondirte nun die Wunde, welche
die lebhaftesten Schmerzen und grosse Empfindlichkeit zeigte.
Dieser Chirurge trennte Deshalb mit einem Schnitte den Mus¬
culus orbicularis, so dass Dadurch die Nerven und Gefässe der
Stirn getheilt wurden. Sofort fand sich der Kranke sehr er¬
leichtert und in 24 Stunden waren alle die drohenden Erschei¬
nungen verschwunden. -- 25 Tage nach der Verwundung ergriff
den Kranken eine Gehirnentzündung, welche ihn wegraffte.

Physiologisches Resultat: Gesetz der gleichseitigen
Leitung. Reflex vom Nervus frontalis auf den N. Facialis. Der
Weg der intersensitiv-motorischen Bewegung geht wiederum
nach Hinten. Dass die Krämpfe wirklich Reflexe waren, beweist
ihr Verschwinden nach Durchschneidung des Nervus frontalis.
(Gesetz I. und IV.)

gebene Fall das Gesetz der gleichseitigen Leitung. Wenn wir
aber achten auf den Weg der intersensitiv-motorischen Bewe¬
gung, so sehen wir seine Direction von vorne nach hinten ge¬
richtet: von den Wurzeln des Quintus nach dem Facialis und
Quintus motorius. Der Fall lehrt ferner das intensivere Auftre¬
ten der Reflexion auf der Seite der Verletzung bei doppelseiti¬
gen Reflexionen. (Gesetz I., III. und IV.)

Beobachtung II.

Larrey, Mémoires de Chirurgie militaire. Tom. III. p. 307. (Cam¬
pagnes d'Autriche.)

Markeski, Lieutenant der Cheveaulegers, wurde mit einer
Lanze auf dem rechten Stirnbein verwundet. Die Waffe war
durch das Pericranium in die Dicke des Os frontale gedrungen.
Neun Tage waren bereits ohne alle üblen Symptome vergangen.
Aber vom neunten zum zehnten Tage erschien der Tetanus
während der Nacht. Die rechten Augenlider begannen zu
zucken und das Gesicht verlor sich auf diesem Auge. Auch
war der Kranke ein wenig irre. Heftige locale Schmerzen, Tris¬
mus und Emprosthotonos gesellte sich hinzu. Das Uebel nahm
raschen Fortgang. Larrey sondirte nun die Wunde, welche
die lebhaftesten Schmerzen und grosse Empfindlichkeit zeigte.
Dieser Chirurge trennte Deshalb mit einem Schnitte den Mus¬
culus orbicularis, so dass Dadurch die Nerven und Gefässe der
Stirn getheilt wurden. Sofort fand sich der Kranke sehr er¬
leichtert und in 24 Stunden waren alle die drohenden Erschei¬
nungen verschwunden. — 25 Tage nach der Verwundung ergriff
den Kranken eine Gehirnentzündung, welche ihn wegraffte.

Physiologisches Resultat: Gesetz der gleichseitigen
Leitung. Reflex vom Nervus frontalis auf den N. Facialis. Der
Weg der intersensitiv-motorischen Bewegung geht wiederum
nach Hinten. Dass die Krämpfe wirklich Reflexe waren, beweist
ihr Verschwinden nach Durchschneidung des Nervus frontalis.
(Gesetz I. und IV.)

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[82/0104] gebene Fall das Gesetz der gleichseitigen Leitung. Wenn wir aber achten auf den Weg der intersensitiv-motorischen Bewe¬ gung, so sehen wir seine Direction von vorne nach hinten ge¬ richtet: von den Wurzeln des Quintus nach dem Facialis und Quintus motorius. Der Fall lehrt ferner das intensivere Auftre¬ ten der Reflexion auf der Seite der Verletzung bei doppelseiti¬ gen Reflexionen. (Gesetz I., III. und IV.) Beobachtung II. Larrey, Mémoires de Chirurgie militaire. Tom. III. p. 307. (Cam¬ pagnes d'Autriche.) Markeski, Lieutenant der Cheveaulegers, wurde mit einer Lanze auf dem rechten Stirnbein verwundet. Die Waffe war durch das Pericranium in die Dicke des Os frontale gedrungen. Neun Tage waren bereits ohne alle üblen Symptome vergangen. Aber vom neunten zum zehnten Tage erschien der Tetanus während der Nacht. Die rechten Augenlider begannen zu zucken und das Gesicht verlor sich auf diesem Auge. Auch war der Kranke ein wenig irre. Heftige locale Schmerzen, Tris¬ mus und Emprosthotonos gesellte sich hinzu. Das Uebel nahm raschen Fortgang. Larrey sondirte nun die Wunde, welche die lebhaftesten Schmerzen und grosse Empfindlichkeit zeigte. Dieser Chirurge trennte Deshalb mit einem Schnitte den Mus¬ culus orbicularis, so dass Dadurch die Nerven und Gefässe der Stirn getheilt wurden. Sofort fand sich der Kranke sehr er¬ leichtert und in 24 Stunden waren alle die drohenden Erschei¬ nungen verschwunden. — 25 Tage nach der Verwundung ergriff den Kranken eine Gehirnentzündung, welche ihn wegraffte. Physiologisches Resultat: Gesetz der gleichseitigen Leitung. Reflex vom Nervus frontalis auf den N. Facialis. Der Weg der intersensitiv-motorischen Bewegung geht wiederum nach Hinten. Dass die Krämpfe wirklich Reflexe waren, beweist ihr Verschwinden nach Durchschneidung des Nervus frontalis. (Gesetz I. und IV.)

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Zitationshilfe: Pflüger, Eduard Friedrich Wilhelm: Die sensorischen Functionen des Rückenmarks der Wirbelthiere. Berlin, 1853, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pflueger_rueckenmark_1853/104>, abgerufen am 27.04.2024.