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Pflüger, Eduard Friedrich Wilhelm: Die sensorischen Functionen des Rückenmarks der Wirbelthiere. Berlin, 1853.

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als Cautel zu bemerken. Die Krampfparoxysmen wechseln mit
Intervallen, in welchen sich das Thier willkürlich bewegt. Reizt
man nun, so entsteht nicht immer ein Paroxysmus, und das
Thier weicht dem Reize aus. Es lässt sich aber unter dem
Finger sehr leicht diese Bewegung von dem Krampfe unter¬
scheiden, indem der Körper weich bleibt und keine stürmische
Zuckung unter den Fingern dahinrollt, welche den Körper
streckt und hart macht. Sobald aber dem Aale, auf den noch
keine anderweitigen intensiven Hautreize eingewirkt haben, das
Feuer genähert wird und Zuckung erfolgt, schlägt der Schwanz
gegen und in das Feuer. Wir sehen also auf das Allerbestimm¬
teste, dass der Schwanz dann, wenn er von wirklichen Re¬
flexen bewegt wird, nicht von dem Feuer sich entfernt, sondern
von den Muskeln in dasselbe hineingezogen wird.

Ein anderes Experiment, welches auf anderem Wege Das¬
selbe bestätigt, ist folgendes. Da nämlich die Anwendung des
Feuers auf die Haut Convulsionen erregen kann, schloss ich,
dass eine mächtige und längere Einwirkung desselben auf die
Aalhaut schliesslich Krämpfe erzeugen würde, die, wenn die
Einwirkung auf eine Seite des Schwanzes statt fände, diesen
in das Feuer biegen müssten.

Nachdem ich einen abgeschnittenen Aalschwanz an beiden
Enden gefasst hatte, näherte ich eine Seite desselben einer
Flamme, und zwar mit Vorsicht, dass nur die oberflächlichen
Theile seiner Einwirkung ausgesetzt waren. Sofort bemerkt
man nun, wie das in den Fingern gehaltene Thierstück alle
Kraft aufwendet, sich abbiegt und der Flamme ausweicht. Ver¬
eitelt man diese Bemühungen, indem man dieselbe Stelle immer
wieder der Lichtkante nähert, so bemerkt man alsbald eine
Veränderung der Scene. Sämmtliche Muskeln derselben Seite,
die weit vom Feuer entfernt sind, gerathen in eine starre Con¬
traction; das Schwanzstück biegt sich kreisförmig, um sich
rasch in das Licht hereinzubewegen, und zwar um so rascher,
je intensiver die Hitze einwirkt.

Noch bliebe uns übrig zu beweisen, dass die vorstehende

als Cautel zu bemerken. Die Krampfparoxysmen wechseln mit
Intervallen, in welchen sich das Thier willkürlich bewegt. Reizt
man nun, so entsteht nicht immer ein Paroxysmus, und das
Thier weicht dem Reize aus. Es lässt sich aber unter dem
Finger sehr leicht diese Bewegung von dem Krampfe unter¬
scheiden, indem der Körper weich bleibt und keine stürmische
Zuckung unter den Fingern dahinrollt, welche den Körper
streckt und hart macht. Sobald aber dem Aale, auf den noch
keine anderweitigen intensiven Hautreize eingewirkt haben, das
Feuer genähert wird und Zuckung erfolgt, schlägt der Schwanz
gegen und in das Feuer. Wir sehen also auf das Allerbestimm¬
teste, dass der Schwanz dann, wenn er von wirklichen Re¬
flexen bewegt wird, nicht von dem Feuer sich entfernt, sondern
von den Muskeln in dasselbe hineingezogen wird.

Ein anderes Experiment, welches auf anderem Wege Das¬
selbe bestätigt, ist folgendes. Da nämlich die Anwendung des
Feuers auf die Haut Convulsionen erregen kann, schloss ich,
dass eine mächtige und längere Einwirkung desselben auf die
Aalhaut schliesslich Krämpfe erzeugen würde, die, wenn die
Einwirkung auf eine Seite des Schwanzes statt fände, diesen
in das Feuer biegen müssten.

Nachdem ich einen abgeschnittenen Aalschwanz an beiden
Enden gefasst hatte, näherte ich eine Seite desselben einer
Flamme, und zwar mit Vorsicht, dass nur die oberflächlichen
Theile seiner Einwirkung ausgesetzt waren. Sofort bemerkt
man nun, wie das in den Fingern gehaltene Thierstück alle
Kraft aufwendet, sich abbiegt und der Flamme ausweicht. Ver¬
eitelt man diese Bemühungen, indem man dieselbe Stelle immer
wieder der Lichtkante nähert, so bemerkt man alsbald eine
Veränderung der Scene. Sämmtliche Muskeln derselben Seite,
die weit vom Feuer entfernt sind, gerathen in eine starre Con¬
traction; das Schwanzstück biegt sich kreisförmig, um sich
rasch in das Licht hereinzubewegen, und zwar um so rascher,
je intensiver die Hitze einwirkt.

Noch bliebe uns übrig zu beweisen, dass die vorstehende

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[117/0139] als Cautel zu bemerken. Die Krampfparoxysmen wechseln mit Intervallen, in welchen sich das Thier willkürlich bewegt. Reizt man nun, so entsteht nicht immer ein Paroxysmus, und das Thier weicht dem Reize aus. Es lässt sich aber unter dem Finger sehr leicht diese Bewegung von dem Krampfe unter¬ scheiden, indem der Körper weich bleibt und keine stürmische Zuckung unter den Fingern dahinrollt, welche den Körper streckt und hart macht. Sobald aber dem Aale, auf den noch keine anderweitigen intensiven Hautreize eingewirkt haben, das Feuer genähert wird und Zuckung erfolgt, schlägt der Schwanz gegen und in das Feuer. Wir sehen also auf das Allerbestimm¬ teste, dass der Schwanz dann, wenn er von wirklichen Re¬ flexen bewegt wird, nicht von dem Feuer sich entfernt, sondern von den Muskeln in dasselbe hineingezogen wird. Ein anderes Experiment, welches auf anderem Wege Das¬ selbe bestätigt, ist folgendes. Da nämlich die Anwendung des Feuers auf die Haut Convulsionen erregen kann, schloss ich, dass eine mächtige und längere Einwirkung desselben auf die Aalhaut schliesslich Krämpfe erzeugen würde, die, wenn die Einwirkung auf eine Seite des Schwanzes statt fände, diesen in das Feuer biegen müssten. Nachdem ich einen abgeschnittenen Aalschwanz an beiden Enden gefasst hatte, näherte ich eine Seite desselben einer Flamme, und zwar mit Vorsicht, dass nur die oberflächlichen Theile seiner Einwirkung ausgesetzt waren. Sofort bemerkt man nun, wie das in den Fingern gehaltene Thierstück alle Kraft aufwendet, sich abbiegt und der Flamme ausweicht. Ver¬ eitelt man diese Bemühungen, indem man dieselbe Stelle immer wieder der Lichtkante nähert, so bemerkt man alsbald eine Veränderung der Scene. Sämmtliche Muskeln derselben Seite, die weit vom Feuer entfernt sind, gerathen in eine starre Con¬ traction; das Schwanzstück biegt sich kreisförmig, um sich rasch in das Licht hereinzubewegen, und zwar um so rascher, je intensiver die Hitze einwirkt. Noch bliebe uns übrig zu beweisen, dass die vorstehende

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Zitationshilfe: Pflüger, Eduard Friedrich Wilhelm: Die sensorischen Functionen des Rückenmarks der Wirbelthiere. Berlin, 1853, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pflueger_rueckenmark_1853/139>, abgerufen am 05.05.2024.