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Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743.

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Poetische Meisterstücke.
Wenn Winde wehn und regnet viel,
Wenns Wasser wächst, steigt übers Ziel,
Wenn Sonn und Monden etwan roth,
Legen sie's aus von Krieg und Tod;
Wenn Wolken wunderlich gethürmt,
Alsdenn viel Ungelück herstürmt;
Wenn etwan auftrit ein Comet,
Mit seinem Schweif gar prächtig geht:
So schreyen sie gleich aus Mirakel,
Guck'n in Gottes Tabernakel,
Halten alles für Wunder-Zeich'n,
Denk'n die Deutung zu erreich'n.
Da solche Thoren besser thäten,
Läsen Mosen und die Propheten,
Auch der Evangelisten Schaar,
Die können besser sagen wahr,
Die sprechen: Wenn herrscht Sünd und Schand:
So strafe Gott ein solches Land.
Wo man ab'r leb in Ehrbarkeit:
So schon uns Gott mit Plag und Leid.
Das ist die rechte Prophezey;
Das andre ist nur Phantasey,
Das alte Weib'r, Kinder und Gecken
Jn ihrem Kalbs-Gehirne hecken,
Und plagen damit ehrlich Leut,
Wie mir geschehn zu dieser Zeit:
Denn ich mußt solches mehr anhören,
Bis wir thäten zu Lande kehren,
Da mußt sie schweigen wider Will.
Wie es denn giebt der Weiber viel,
Die immer in das Gelag nein waschen,
Und brauch'n also ihre Maul-Taschen,
Daß man davon wird als wie taub,
Jn die Händ mir kommen ist der Glaub.
Darum spricht jener weise Mann:
Daß der stark sey, so schweigen kann.
Auch Syrach und Fürst Salomon
Schreiben mit Fug und Recht davon:
Daß
L 5
Poetiſche Meiſterſtuͤcke.
Wenn Winde wehn und regnet viel,
Wenns Waſſer waͤchſt, ſteigt uͤbers Ziel,
Wenn Sonn und Monden etwan roth,
Legen ſie’s aus von Krieg und Tod;
Wenn Wolken wunderlich gethuͤrmt,
Alsdenn viel Ungeluͤck herſtuͤrmt;
Wenn etwan auftrit ein Comet,
Mit ſeinem Schweif gar praͤchtig geht:
So ſchreyen ſie gleich aus Mirakel,
Guck’n in Gottes Tabernakel,
Halten alles fuͤr Wunder-Zeich’n,
Denk’n die Deutung zu erreich’n.
Da ſolche Thoren beſſer thaͤten,
Laͤſen Moſen und die Propheten,
Auch der Evangeliſten Schaar,
Die koͤnnen beſſer ſagen wahr,
Die ſprechen: Wenn herrſcht Suͤnd und Schand:
So ſtrafe Gott ein ſolches Land.
Wo man ab’r leb in Ehrbarkeit:
So ſchon uns Gott mit Plag und Leid.
Das iſt die rechte Prophezey;
Das andre iſt nur Phantaſey,
Das alte Weib’r, Kinder und Gecken
Jn ihrem Kalbs-Gehirne hecken,
Und plagen damit ehrlich Leut,
Wie mir geſchehn zu dieſer Zeit:
Denn ich mußt ſolches mehr anhoͤren,
Bis wir thaͤten zu Lande kehren,
Da mußt ſie ſchweigen wider Will.
Wie es denn giebt der Weiber viel,
Die immer in das Gelag nein waſchen,
Und brauch’n alſo ihre Maul-Taſchen,
Daß man davon wird als wie taub,
Jn die Haͤnd mir kommen iſt der Glaub.
Darum ſpricht jener weiſe Mann:
Daß der ſtark ſey, ſo ſchweigen kann.
Auch Syrach und Fuͤrſt Salomon
Schreiben mit Fug und Recht davon:
Daß
L 5
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[169/0177] Poetiſche Meiſterſtuͤcke. Wenn Winde wehn und regnet viel, Wenns Waſſer waͤchſt, ſteigt uͤbers Ziel, Wenn Sonn und Monden etwan roth, Legen ſie’s aus von Krieg und Tod; Wenn Wolken wunderlich gethuͤrmt, Alsdenn viel Ungeluͤck herſtuͤrmt; Wenn etwan auftrit ein Comet, Mit ſeinem Schweif gar praͤchtig geht: So ſchreyen ſie gleich aus Mirakel, Guck’n in Gottes Tabernakel, Halten alles fuͤr Wunder-Zeich’n, Denk’n die Deutung zu erreich’n. Da ſolche Thoren beſſer thaͤten, Laͤſen Moſen und die Propheten, Auch der Evangeliſten Schaar, Die koͤnnen beſſer ſagen wahr, Die ſprechen: Wenn herrſcht Suͤnd und Schand: So ſtrafe Gott ein ſolches Land. Wo man ab’r leb in Ehrbarkeit: So ſchon uns Gott mit Plag und Leid. Das iſt die rechte Prophezey; Das andre iſt nur Phantaſey, Das alte Weib’r, Kinder und Gecken Jn ihrem Kalbs-Gehirne hecken, Und plagen damit ehrlich Leut, Wie mir geſchehn zu dieſer Zeit: Denn ich mußt ſolches mehr anhoͤren, Bis wir thaͤten zu Lande kehren, Da mußt ſie ſchweigen wider Will. Wie es denn giebt der Weiber viel, Die immer in das Gelag nein waſchen, Und brauch’n alſo ihre Maul-Taſchen, Daß man davon wird als wie taub, Jn die Haͤnd mir kommen iſt der Glaub. Darum ſpricht jener weiſe Mann: Daß der ſtark ſey, ſo ſchweigen kann. Auch Syrach und Fuͤrſt Salomon Schreiben mit Fug und Recht davon: Daß L 5

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Zitationshilfe: Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/philippi_reimschmiedekunst_1743/177>, abgerufen am 14.05.2024.