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Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743.

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Poetische Meisterstücke.
Darnach soll er nebst andern Gästen
Mit Speis und Trank sich weidlich mästen:
Denn in des Rathes Breyhan-Haus
Wird zugericht ein Hochzeit-Schmaus;
Kann dabey lustig lachen und scherzen,
Die Jungfern, wenn sie wollen, herzen;
Machen auch sonsten gute Schwier,
Trink'n guten Wein und frisches Bier,
Das man herbringt von Gavernitz,
Löscht aus den Durst, vertreibt die Hitz,
Und was er sagte noch vielmehr,
Der Ehre mich bedankte sehr,
Ließ machen ein schön Compliment,
Wie Braut und Bräut'gam wohl bekennt.
Darauf so fiel mir jähling ein,
Wie ich der Braut, so schön und fein,
Unlängst mit Hand und Mund versprochen:
Daß, wenn ihr Kränzlein werd zerbrochen,
Wollt ich mit Vers und Dichterey
Auch schmücken ihre Hochzeit frey.
Nun weiß ich wol zu dieser Frist,
Was ehedem geschehen ist:
Wie ich mir vormals eingebildt,
Als könnte ich gar hübsch und mild
Die Wort in Vers und Reime zwingen,
Und schön Poeterey vollbringen;
Wie ich denn in mein jüngern Jahren,
Ob ich der Sach gleich unerfahren,
Reimte die Länge und die Queer,
Meynt was für ein Poet ich wär,
Hielt mich für Phöbus Spieß-Gesellen,
Dacht, ich könnt fein Gedichte stellen.
Wie denn insonderheit die Jugend
Hat dieses Laster und Untugend,
Vermeynen, alles zu verstehn,
Und habn die Sache kaum gesehn,
Bildn sich gar groß Dinge ein,
Wollen gelehrt und altklug seyn,
Protzen,
Poetiſche Meiſterſtuͤcke.
Darnach ſoll er nebſt andern Gaͤſten
Mit Speis und Trank ſich weidlich maͤſten:
Denn in des Rathes Breyhan-Haus
Wird zugericht ein Hochzeit-Schmaus;
Kann dabey luſtig lachen und ſcherzen,
Die Jungfern, wenn ſie wollen, herzen;
Machen auch ſonſten gute Schwier,
Trink’n guten Wein und friſches Bier,
Das man herbringt von Gavernitz,
Loͤſcht aus den Durſt, vertreibt die Hitz,
Und was er ſagte noch vielmehr,
Der Ehre mich bedankte ſehr,
Ließ machen ein ſchoͤn Compliment,
Wie Braut und Braͤut’gam wohl bekennt.
Darauf ſo fiel mir jaͤhling ein,
Wie ich der Braut, ſo ſchoͤn und fein,
Unlaͤngſt mit Hand und Mund verſprochen:
Daß, wenn ihr Kraͤnzlein werd zerbrochen,
Wollt ich mit Vers und Dichterey
Auch ſchmuͤcken ihre Hochzeit frey.
Nun weiß ich wol zu dieſer Friſt,
Was ehedem geſchehen iſt:
Wie ich mir vormals eingebildt,
Als koͤnnte ich gar huͤbſch und mild
Die Wort in Vers und Reime zwingen,
Und ſchoͤn Poeterey vollbringen;
Wie ich denn in mein juͤngern Jahren,
Ob ich der Sach gleich unerfahren,
Reimte die Laͤnge und die Queer,
Meynt was fuͤr ein Poet ich waͤr,
Hielt mich fuͤr Phoͤbus Spieß-Geſellen,
Dacht, ich koͤnnt fein Gedichte ſtellen.
Wie denn inſonderheit die Jugend
Hat dieſes Laſter und Untugend,
Vermeynen, alles zu verſtehn,
Und habn die Sache kaum geſehn,
Bildn ſich gar groß Dinge ein,
Wollen gelehrt und altklug ſeyn,
Protzen,
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[172/0180] Poetiſche Meiſterſtuͤcke. Darnach ſoll er nebſt andern Gaͤſten Mit Speis und Trank ſich weidlich maͤſten: Denn in des Rathes Breyhan-Haus Wird zugericht ein Hochzeit-Schmaus; Kann dabey luſtig lachen und ſcherzen, Die Jungfern, wenn ſie wollen, herzen; Machen auch ſonſten gute Schwier, Trink’n guten Wein und friſches Bier, Das man herbringt von Gavernitz, Loͤſcht aus den Durſt, vertreibt die Hitz, Und was er ſagte noch vielmehr, Der Ehre mich bedankte ſehr, Ließ machen ein ſchoͤn Compliment, Wie Braut und Braͤut’gam wohl bekennt. Darauf ſo fiel mir jaͤhling ein, Wie ich der Braut, ſo ſchoͤn und fein, Unlaͤngſt mit Hand und Mund verſprochen: Daß, wenn ihr Kraͤnzlein werd zerbrochen, Wollt ich mit Vers und Dichterey Auch ſchmuͤcken ihre Hochzeit frey. Nun weiß ich wol zu dieſer Friſt, Was ehedem geſchehen iſt: Wie ich mir vormals eingebildt, Als koͤnnte ich gar huͤbſch und mild Die Wort in Vers und Reime zwingen, Und ſchoͤn Poeterey vollbringen; Wie ich denn in mein juͤngern Jahren, Ob ich der Sach gleich unerfahren, Reimte die Laͤnge und die Queer, Meynt was fuͤr ein Poet ich waͤr, Hielt mich fuͤr Phoͤbus Spieß-Geſellen, Dacht, ich koͤnnt fein Gedichte ſtellen. Wie denn inſonderheit die Jugend Hat dieſes Laſter und Untugend, Vermeynen, alles zu verſtehn, Und habn die Sache kaum geſehn, Bildn ſich gar groß Dinge ein, Wollen gelehrt und altklug ſeyn, Protzen,

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Zitationshilfe: Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/philippi_reimschmiedekunst_1743/180>, abgerufen am 14.05.2024.