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Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743.

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Dreyßig Fragestücke
1) Ein langer jambischer, oder alexandri-
nischer, Vers ist dieser:

Ach du- Cupi-do du- schaff mir- doch ei-nen
Frey-er,
Denn mei-ne Jung-ferschaft- sperrt sich- in
mei-nem Schley-er.
Ein kurzer jambischer Vers ist z. E.
Lisett-gen, hast- du bra-ves Geld;
Nehm ich- als Frau- dich mit- ins Feld.

Aus Gegeneinanderhaltung dieser beyderley
Arten Reime wird ja ein Frauenzimmer, ohne
großes Nachgrübeln, wol sehen, welches ein
langer, und welches ein kurzer Reim sey.

2) Ein langer trochäischer Vers ist dieser:
Ach Frau-Mutter-auf dem-Balle-hat ein- Frey-
er- mich er-tappt,
Und mir- mein jung-fräulich-Kränzgen,- eh ichs-
dachte,- wegge-schnappt.

Ein kurzer trochäischer Vers aber ist:

Spröde- Schöne,- meine- Klagen
Werden,- wenn ich- sterbe,- sagen:
Dieser- hat mich- treu ge-liebt.

Hier wird ein Frauenzimmer und Einfältiger
ebenfalls ohne groß Kopfbrechen leicht begreifen,
daß die ersten beyden Verse lang, die drey an-
dern kurze trochäische Verse sind.

3) Ein langer dactylischer Vers ist z. E.
Englische-Stimme, du- lässest dich- hören;
Willst du, Si-rene, mein-Herze be-thören:

Ein kurzer dactylischer Vers aber ist dieser:
Niedliche- Küsse
Schmecken gar- süße.
Drucket auf- marmorne-Hügel,
Weil sie noch- veste, das- Siegel.
Sucht
Dreyßig Frageſtuͤcke
1) Ein langer jambiſcher, oder alexandri-
niſcher, Vers iſt dieſer:

Ach du- Cupi-do du- ſchaff mir- doch ei-nen
Frey-er,
Denn mei-ne Jung-ferſchaft- ſperrt ſich- in
mei-nem Schley-er.
Ein kurzer jambiſcher Vers iſt z. E.
Liſett-gen, haſt- du bra-ves Geld;
Nehm ich- als Frau- dich mit- ins Feld.

Aus Gegeneinanderhaltung dieſer beyderley
Arten Reime wird ja ein Frauenzimmer, ohne
großes Nachgruͤbeln, wol ſehen, welches ein
langer, und welches ein kurzer Reim ſey.

2) Ein langer trochaͤiſcher Vers iſt dieſer:
Ach Frau-Mutter-auf dem-Balle-hat ein- Frey-
er- mich er-tappt,
Und mir- mein jung-fraͤulich-Kraͤnzgen,- eh ichs-
dachte,- wegge-ſchnappt.

Ein kurzer trochaͤiſcher Vers aber iſt:

Sproͤde- Schoͤne,- meine- Klagen
Werden,- wenn ich- ſterbe,- ſagen:
Dieſer- hat mich- treu ge-liebt.

Hier wird ein Frauenzimmer und Einfaͤltiger
ebenfalls ohne groß Kopfbrechen leicht begreifen,
daß die erſten beyden Verſe lang, die drey an-
dern kurze trochaͤiſche Verſe ſind.

3) Ein langer dactyliſcher Vers iſt z. E.
Engliſche-Stimme, du- laͤſſeſt dich- hoͤren;
Willſt du, Si-rene, mein-Herze be-thoͤren:

Ein kurzer dactyliſcher Vers aber iſt dieſer:
Niedliche- Kuͤſſe
Schmecken gar- ſuͤße.
Drucket auf- marmorne-Huͤgel,
Weil ſie noch- veſte, das- Siegel.
Sucht
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[90/0098] Dreyßig Frageſtuͤcke 1) Ein langer jambiſcher, oder alexandri- niſcher, Vers iſt dieſer: Ach du- Cupi-do du- ſchaff mir- doch ei-nen Frey-er, Denn mei-ne Jung-ferſchaft- ſperrt ſich- in mei-nem Schley-er. Ein kurzer jambiſcher Vers iſt z. E. Liſett-gen, haſt- du bra-ves Geld; Nehm ich- als Frau- dich mit- ins Feld. Aus Gegeneinanderhaltung dieſer beyderley Arten Reime wird ja ein Frauenzimmer, ohne großes Nachgruͤbeln, wol ſehen, welches ein langer, und welches ein kurzer Reim ſey. 2) Ein langer trochaͤiſcher Vers iſt dieſer: Ach Frau-Mutter-auf dem-Balle-hat ein- Frey- er- mich er-tappt, Und mir- mein jung-fraͤulich-Kraͤnzgen,- eh ichs- dachte,- wegge-ſchnappt. Ein kurzer trochaͤiſcher Vers aber iſt: Sproͤde- Schoͤne,- meine- Klagen Werden,- wenn ich- ſterbe,- ſagen: Dieſer- hat mich- treu ge-liebt. Hier wird ein Frauenzimmer und Einfaͤltiger ebenfalls ohne groß Kopfbrechen leicht begreifen, daß die erſten beyden Verſe lang, die drey an- dern kurze trochaͤiſche Verſe ſind. 3) Ein langer dactyliſcher Vers iſt z. E. Engliſche-Stimme, du- laͤſſeſt dich- hoͤren; Willſt du, Si-rene, mein-Herze be-thoͤren: Ein kurzer dactyliſcher Vers aber iſt dieſer: Niedliche- Kuͤſſe Schmecken gar- ſuͤße. Drucket auf- marmorne-Huͤgel, Weil ſie noch- veſte, das- Siegel. Sucht

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Zitationshilfe: Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/philippi_reimschmiedekunst_1743/98>, abgerufen am 26.04.2024.