Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Platen, August von: Gedichte. Stuttgart, 1828.

Bild:
<< vorherige Seite
XXIV.
Der Seelenwanderer.
Scherzend rief ich solche Worte, da das Licht herab¬
gebrannt war:

Dich beklag' ich, armes Kerzchen, daß zum Nichts dein
Seyn so bald ward!

Aber Antwort gab die Kerze, dieses hört' ich voll Ver¬
wund'rung:

Ueberhebe nicht dich also, denn auch ich war einst was
nun du!

Starb ich, modert' ich, doch wieder wuchs ich aus dem
Grab als Aglei,

Kam ein Bienchen, naschte fleißig, nuzte mich im Korb
zur Arbeit.

Ward ich Wachs, woraus man endlich diese Kerze nun
für dich goß:

Staub und Erde mußt du werden, ich verzehre mich im
Lichtstoff.


XXIV.
Der Seelenwanderer.
Scherzend rief ich ſolche Worte, da das Licht herab¬
gebrannt war:

Dich beklag' ich, armes Kerzchen, daß zum Nichts dein
Seyn ſo bald ward!

Aber Antwort gab die Kerze, dieſes hoͤrt' ich voll Ver¬
wund'rung:

Ueberhebe nicht dich alſo, denn auch ich war einſt was
nun du!

Starb ich, modert' ich, doch wieder wuchs ich aus dem
Grab als Aglei,

Kam ein Bienchen, naſchte fleißig, nuzte mich im Korb
zur Arbeit.

Ward ich Wachs, woraus man endlich dieſe Kerze nun
fuͤr dich goß:

Staub und Erde mußt du werden, ich verzehre mich im
Lichtſtoff.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0047" n="37"/>
          </div>
          <div n="3">
            <head><hi rendition="#aq">XXIV</hi>.<lb/><hi rendition="#g">Der Seelenwanderer.</hi><lb/></head>
            <lg type="poem">
              <lg n="1">
                <l><hi rendition="#in">S</hi>cherzend rief ich &#x017F;olche Worte, da das Licht herab¬<lb/><hi rendition="#et">gebrannt war:</hi></l><lb/>
                <l>Dich beklag' ich, armes Kerzchen, daß zum Nichts dein<lb/><hi rendition="#et">Seyn &#x017F;o bald ward!</hi></l><lb/>
              </lg>
              <lg n="2">
                <l>Aber Antwort gab die Kerze, die&#x017F;es ho&#x0364;rt' ich voll Ver¬<lb/><hi rendition="#et">wund'rung:</hi></l><lb/>
                <l>Ueberhebe nicht dich al&#x017F;o, denn auch ich war ein&#x017F;t was<lb/><hi rendition="#et">nun du!</hi></l><lb/>
              </lg>
              <lg n="3">
                <l>Starb ich, modert' ich, doch wieder wuchs ich aus dem<lb/><hi rendition="#et">Grab als Aglei,</hi></l><lb/>
                <l>Kam ein Bienchen, na&#x017F;chte fleißig, nuzte mich im Korb<lb/><hi rendition="#et">zur Arbeit.</hi></l><lb/>
              </lg>
              <lg n="4">
                <l>Ward ich Wachs, woraus man endlich die&#x017F;e Kerze nun<lb/><hi rendition="#et">fu&#x0364;r dich goß:</hi></l><lb/>
                <l>Staub und Erde mußt du werden, ich verzehre mich im<lb/><hi rendition="#et">Licht&#x017F;toff.</hi></l><lb/>
              </lg>
            </lg>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[37/0047] XXIV. Der Seelenwanderer. Scherzend rief ich ſolche Worte, da das Licht herab¬ gebrannt war: Dich beklag' ich, armes Kerzchen, daß zum Nichts dein Seyn ſo bald ward! Aber Antwort gab die Kerze, dieſes hoͤrt' ich voll Ver¬ wund'rung: Ueberhebe nicht dich alſo, denn auch ich war einſt was nun du! Starb ich, modert' ich, doch wieder wuchs ich aus dem Grab als Aglei, Kam ein Bienchen, naſchte fleißig, nuzte mich im Korb zur Arbeit. Ward ich Wachs, woraus man endlich dieſe Kerze nun fuͤr dich goß: Staub und Erde mußt du werden, ich verzehre mich im Lichtſtoff.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/platen_gedichte_1828
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/platen_gedichte_1828/47
Zitationshilfe: Platen, August von: Gedichte. Stuttgart, 1828, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/platen_gedichte_1828/47>, abgerufen am 15.10.2024.