Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pocci, Franz von: Lustiges Komödienbüchlein. Bd. 2. München, 1861.

Bild:
<< vorherige Seite
musterhaft. Jch bin so gewissenhaft, daß ich nicht
einen Tropfen im Krug lassen kann; so pünktlich,
daß ich nicht einen Wurstzipfel auf'm Teller liegen
laß; so genau, daß ich nicht einen Kreuzer im
Sack behalten kann; so dienstfertig, daß ich mit mei-
nem Dienst und mit meiner Arbeit schon fertig bin,
eh' ich damit angfangen hab, das heißt: Jch thu'
lieber gleich gar nir! Kurz -- ich bin das Muster
eines menschlichen Exemplar's. Der erste Mensch
Adam war Nichts im Vergleich zu mir, seinem
Nachkommen! und der muß, doch das Muster aller
Menschen gewesen sein, weil er der erste war. Er
hat in einen süßen Apfel gebißen; aber ich muß
gar oft in einen sauern beißen; seine Evakathl
hat ihm die Frucht gereicht; aber meine Evakathl
such' ich noch. Wenn ich einmal fünfundzwanzig
Jahr treu gedient hab -- so sagt mein Herr --
nachher laßt er mich auch heirathen. Bis dahin
bleib ich ledig! 'S ist freilich a bißl lang hin;
allein der Mensch muß Geduld haben! -- Aha! da
kommt er.
Sassafras (tritt ein.)
Casperl.
Guten Morgen, guten Morgen! -- Ja wo
muſterhaft. Jch bin ſo gewiſſenhaft, daß ich nicht
einen Tropfen im Krug laſſen kann; ſo pünktlich,
daß ich nicht einen Wurſtzipfel auf’m Teller liegen
laß; ſo genau, daß ich nicht einen Kreuzer im
Sack behalten kann; ſo dienſtfertig, daß ich mit mei-
nem Dienſt und mit meiner Arbeit ſchon fertig bin,
eh’ ich damit angfangen hab, das heißt: Jch thu’
lieber gleich gar nir! Kurz — ich bin das Muſter
eines menſchlichen Exemplar’s. Der erſte Menſch
Adam war Nichts im Vergleich zu mir, ſeinem
Nachkommen! und der muß, doch das Muſter aller
Menſchen geweſen ſein, weil er der erſte war. Er
hat in einen ſüßen Apfel gebißen; aber ich muß
gar oft in einen ſauern beißen; ſeine Evakathl
hat ihm die Frucht gereicht; aber meine Evakathl
ſuch’ ich noch. Wenn ich einmal fünfundzwanzig
Jahr treu gedient hab — ſo ſagt mein Herr —
nachher laßt er mich auch heirathen. Bis dahin
bleib ich ledig! ’S iſt freilich a bißl lang hin;
allein der Menſch muß Geduld haben! — Aha! da
kommt er.
Saſſafras (tritt ein.)
Casperl.
Guten Morgen, guten Morgen! — Ja wo
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <sp who="#CASD">
                <p><pb facs="#f0058" n="38"/>
mu&#x017F;terhaft. Jch bin &#x017F;o gewi&#x017F;&#x017F;enhaft, daß ich nicht<lb/>
einen Tropfen im Krug la&#x017F;&#x017F;en kann; &#x017F;o pünktlich,<lb/>
daß ich nicht einen Wur&#x017F;tzipfel auf&#x2019;m Teller liegen<lb/>
laß; &#x017F;o genau, daß ich nicht einen Kreuzer im<lb/>
Sack behalten kann; &#x017F;o dien&#x017F;tfertig, daß ich mit mei-<lb/>
nem Dien&#x017F;t und mit meiner Arbeit &#x017F;chon fertig bin,<lb/>
eh&#x2019; ich damit angfangen hab, das heißt: Jch thu&#x2019;<lb/>
lieber gleich gar nir! Kurz &#x2014; ich bin das Mu&#x017F;ter<lb/>
eines men&#x017F;chlichen Exemplar&#x2019;s. Der er&#x017F;te Men&#x017F;ch<lb/>
Adam war Nichts im Vergleich zu mir, &#x017F;einem<lb/>
Nachkommen! und der muß, doch das Mu&#x017F;ter aller<lb/>
Men&#x017F;chen gewe&#x017F;en &#x017F;ein, weil er der er&#x017F;te war. Er<lb/>
hat in einen &#x017F;üßen Apfel gebißen; aber ich muß<lb/>
gar oft in einen &#x017F;auern beißen; &#x017F;eine Evakathl<lb/>
hat ihm die Frucht gereicht; aber meine Evakathl<lb/>
&#x017F;uch&#x2019; ich noch. Wenn ich einmal fünfundzwanzig<lb/>
Jahr treu gedient hab &#x2014; &#x017F;o &#x017F;agt mein Herr &#x2014;<lb/>
nachher laßt er mich auch heirathen. Bis dahin<lb/>
bleib ich ledig! &#x2019;S i&#x017F;t freilich a bißl lang hin;<lb/>
allein der Men&#x017F;ch muß Geduld haben! &#x2014; Aha! da<lb/>
kommt er.</p>
              </sp><lb/>
              <sp who="#SASSAF">
                <speaker>Sa&#x017F;&#x017F;afras</speaker>
                <stage>(tritt ein.)</stage>
              </sp><lb/>
              <sp who="#CASD">
                <speaker> <hi rendition="#c">Casperl.</hi> </speaker><lb/>
                <p>Guten Morgen, guten Morgen! &#x2014; Ja wo<lb/></p>
              </sp>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[38/0058] muſterhaft. Jch bin ſo gewiſſenhaft, daß ich nicht einen Tropfen im Krug laſſen kann; ſo pünktlich, daß ich nicht einen Wurſtzipfel auf’m Teller liegen laß; ſo genau, daß ich nicht einen Kreuzer im Sack behalten kann; ſo dienſtfertig, daß ich mit mei- nem Dienſt und mit meiner Arbeit ſchon fertig bin, eh’ ich damit angfangen hab, das heißt: Jch thu’ lieber gleich gar nir! Kurz — ich bin das Muſter eines menſchlichen Exemplar’s. Der erſte Menſch Adam war Nichts im Vergleich zu mir, ſeinem Nachkommen! und der muß, doch das Muſter aller Menſchen geweſen ſein, weil er der erſte war. Er hat in einen ſüßen Apfel gebißen; aber ich muß gar oft in einen ſauern beißen; ſeine Evakathl hat ihm die Frucht gereicht; aber meine Evakathl ſuch’ ich noch. Wenn ich einmal fünfundzwanzig Jahr treu gedient hab — ſo ſagt mein Herr — nachher laßt er mich auch heirathen. Bis dahin bleib ich ledig! ’S iſt freilich a bißl lang hin; allein der Menſch muß Geduld haben! — Aha! da kommt er. Saſſafras (tritt ein.) Casperl. Guten Morgen, guten Morgen! — Ja wo

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pocci_komoedienbuechlein02_1861
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pocci_komoedienbuechlein02_1861/58
Zitationshilfe: Pocci, Franz von: Lustiges Komödienbüchlein. Bd. 2. München, 1861, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pocci_komoedienbuechlein02_1861/58>, abgerufen am 30.04.2024.