Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pölitz, Karl Heinrich Ludwig: Das Gesamtgebiet der teutschen Sprache nach Prosa, Dichtkunst und Beredsamkeit theoretisch und praktisch dargestellt. Dritter Band: Sprache der Dichtkunst. Leipzig, 1825.

Bild:
<< vorherige Seite
ppo_005.001

Wenn also der eigenthümliche Charakter der ppo_005.002
Dichtkunst theoretisch begründet und wissenschaftlich ppo_005.003
durchgeführt werden soll; so müssen drei Hauptgegenstände ppo_005.004
in kurzen Umrissen erläutert werden, wovon ppo_005.005
die beiden ersten das innere Wesen der Dichtkunst, ppo_005.006
nach ihrer Verschiedenheit von dem ursprünglichen ppo_005.007
Wesen der Prosa und Beredsamkeit im menschlichen ppo_005.008
Geiste bezeichnen, der dritte aber die äußere Ankündigung ppo_005.009
der Dichtkunst in dem Kreise der Sprache ppo_005.010
betrifft. Denn wenn, nach der hier aufgestellten ppo_005.011
Theorie, ein reiches, tiefes und vielseitig gebildetes ppo_005.012
Gefühlsvermögen die unnachlaßliche Grundbedingung ppo_005.013
des eigenthümlichen Charakters und des ppo_005.014
Wesens der Dichtkunst bildet; so kann doch nur der ppo_005.015
als Dichter gelten, dessen Einbildungskraft so reich, ppo_005.016
so kräftig und so ausgebildet ist, daß er seine individuellen ppo_005.017
Gefühle zu idealisiren und unter der ppo_005.018
Hülle des Jdeals in der Sprache darzustellen ppo_005.019
vermag. Soll aber das Letzte ihm gelingen; so muß ppo_005.020
er auch über die Sprache nach ihrem ganzen Umfange ppo_005.021
gebieten, damit unter der von ihm geschaffenen ppo_005.022
Form der Sprache die Ursprünglichkeit seines ppo_005.023
dargestellten Gefühls und die Jdealisirung desselben ppo_005.024
vermittelst der Einbildungskraft bestimmt hervortrete. ppo_005.025
Denn nicht blos Sylbenmaas oder Reim, sondern ppo_005.026
die unverkennbare Ankündigung eines individuellen, ppo_005.027
durch die Einbildungskraft idealisirten, Gefühls vermittelst ppo_005.028
der Form der Sprache, entscheidet über die ppo_005.029
äußere (technische) Vollkommenheit der dichterischen ppo_005.030
Darstellung, während -- im entgegengesetzten Sinne ppo_005.031
-- bei erlangter Fertigkeit in prosodischer Bildung ppo_005.032
rhythmischer Reihen, das, was nach seinem ppo_005.033
ursprünglichen Wesen nur Prosa ist, und durchaus ppo_005.034
nicht in das Gebiet der Sprache der Dichtkunst gehört,

ppo_005.001

Wenn also der eigenthümliche Charakter der ppo_005.002
Dichtkunst theoretisch begründet und wissenschaftlich ppo_005.003
durchgeführt werden soll; so müssen drei Hauptgegenstände ppo_005.004
in kurzen Umrissen erläutert werden, wovon ppo_005.005
die beiden ersten das innere Wesen der Dichtkunst, ppo_005.006
nach ihrer Verschiedenheit von dem ursprünglichen ppo_005.007
Wesen der Prosa und Beredsamkeit im menschlichen ppo_005.008
Geiste bezeichnen, der dritte aber die äußere Ankündigung ppo_005.009
der Dichtkunst in dem Kreise der Sprache ppo_005.010
betrifft. Denn wenn, nach der hier aufgestellten ppo_005.011
Theorie, ein reiches, tiefes und vielseitig gebildetes ppo_005.012
Gefühlsvermögen die unnachlaßliche Grundbedingung ppo_005.013
des eigenthümlichen Charakters und des ppo_005.014
Wesens der Dichtkunst bildet; so kann doch nur der ppo_005.015
als Dichter gelten, dessen Einbildungskraft so reich, ppo_005.016
so kräftig und so ausgebildet ist, daß er seine individuellen ppo_005.017
Gefühle zu idealisiren und unter der ppo_005.018
Hülle des Jdeals in der Sprache darzustellen ppo_005.019
vermag. Soll aber das Letzte ihm gelingen; so muß ppo_005.020
er auch über die Sprache nach ihrem ganzen Umfange ppo_005.021
gebieten, damit unter der von ihm geschaffenen ppo_005.022
Form der Sprache die Ursprünglichkeit seines ppo_005.023
dargestellten Gefühls und die Jdealisirung desselben ppo_005.024
vermittelst der Einbildungskraft bestimmt hervortrete. ppo_005.025
Denn nicht blos Sylbenmaas oder Reim, sondern ppo_005.026
die unverkennbare Ankündigung eines individuellen, ppo_005.027
durch die Einbildungskraft idealisirten, Gefühls vermittelst ppo_005.028
der Form der Sprache, entscheidet über die ppo_005.029
äußere (technische) Vollkommenheit der dichterischen ppo_005.030
Darstellung, während — im entgegengesetzten Sinne ppo_005.031
— bei erlangter Fertigkeit in prosodischer Bildung ppo_005.032
rhythmischer Reihen, das, was nach seinem ppo_005.033
ursprünglichen Wesen nur Prosa ist, und durchaus ppo_005.034
nicht in das Gebiet der Sprache der Dichtkunst gehört,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0017" n="5"/>
          <lb n="ppo_005.001"/>
          <p>  Wenn also der eigenthümliche Charakter der <lb n="ppo_005.002"/>Dichtkunst theoretisch begründet und wissenschaftlich <lb n="ppo_005.003"/>durchgeführt werden soll; so müssen <hi rendition="#g">drei</hi> Hauptgegenstände <lb n="ppo_005.004"/>in kurzen Umrissen erläutert werden, wovon <lb n="ppo_005.005"/>die beiden ersten das <hi rendition="#g">innere</hi> Wesen der Dichtkunst, <lb n="ppo_005.006"/>nach ihrer Verschiedenheit von dem ursprünglichen <lb n="ppo_005.007"/>Wesen der Prosa und Beredsamkeit im menschlichen <lb n="ppo_005.008"/>Geiste bezeichnen, der dritte aber die <hi rendition="#g">äußere</hi> Ankündigung <lb n="ppo_005.009"/>der Dichtkunst in dem Kreise der Sprache <lb n="ppo_005.010"/>betrifft. Denn wenn, nach der hier aufgestellten <lb n="ppo_005.011"/>Theorie, ein reiches, tiefes und vielseitig gebildetes <lb n="ppo_005.012"/><hi rendition="#g">Gefühlsvermögen</hi> die unnachlaßliche Grundbedingung <lb n="ppo_005.013"/>des eigenthümlichen Charakters und des <lb n="ppo_005.014"/>Wesens der Dichtkunst bildet; so kann doch nur <hi rendition="#g">der</hi> <lb n="ppo_005.015"/>als Dichter gelten, dessen Einbildungskraft so reich, <lb n="ppo_005.016"/>so kräftig und so ausgebildet ist, daß er seine individuellen <lb n="ppo_005.017"/>Gefühle <hi rendition="#g">zu idealisiren</hi> und unter der <lb n="ppo_005.018"/>Hülle des Jdeals in der Sprache <hi rendition="#g">darzustellen</hi> <lb n="ppo_005.019"/>vermag. Soll aber das Letzte ihm gelingen; so muß <lb n="ppo_005.020"/>er auch über die Sprache nach ihrem ganzen Umfange <lb n="ppo_005.021"/>gebieten, damit unter der von ihm geschaffenen <lb n="ppo_005.022"/>Form der Sprache die Ursprünglichkeit seines <lb n="ppo_005.023"/>dargestellten Gefühls und die Jdealisirung desselben <lb n="ppo_005.024"/>vermittelst der Einbildungskraft bestimmt hervortrete. <lb n="ppo_005.025"/>Denn nicht blos Sylbenmaas oder Reim, sondern <lb n="ppo_005.026"/>die unverkennbare Ankündigung eines individuellen, <lb n="ppo_005.027"/>durch die Einbildungskraft idealisirten, Gefühls vermittelst <lb n="ppo_005.028"/>der Form der Sprache, entscheidet über die <lb n="ppo_005.029"/><hi rendition="#g">äußere</hi> (technische) Vollkommenheit der dichterischen <lb n="ppo_005.030"/>Darstellung, während &#x2014; im entgegengesetzten Sinne <lb n="ppo_005.031"/>&#x2014; bei erlangter Fertigkeit in prosodischer Bildung <lb n="ppo_005.032"/>rhythmischer Reihen, das, was nach seinem <lb n="ppo_005.033"/>ursprünglichen Wesen nur Prosa ist, und durchaus <lb n="ppo_005.034"/>nicht in das Gebiet der Sprache der Dichtkunst gehört,
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[5/0017] ppo_005.001 Wenn also der eigenthümliche Charakter der ppo_005.002 Dichtkunst theoretisch begründet und wissenschaftlich ppo_005.003 durchgeführt werden soll; so müssen drei Hauptgegenstände ppo_005.004 in kurzen Umrissen erläutert werden, wovon ppo_005.005 die beiden ersten das innere Wesen der Dichtkunst, ppo_005.006 nach ihrer Verschiedenheit von dem ursprünglichen ppo_005.007 Wesen der Prosa und Beredsamkeit im menschlichen ppo_005.008 Geiste bezeichnen, der dritte aber die äußere Ankündigung ppo_005.009 der Dichtkunst in dem Kreise der Sprache ppo_005.010 betrifft. Denn wenn, nach der hier aufgestellten ppo_005.011 Theorie, ein reiches, tiefes und vielseitig gebildetes ppo_005.012 Gefühlsvermögen die unnachlaßliche Grundbedingung ppo_005.013 des eigenthümlichen Charakters und des ppo_005.014 Wesens der Dichtkunst bildet; so kann doch nur der ppo_005.015 als Dichter gelten, dessen Einbildungskraft so reich, ppo_005.016 so kräftig und so ausgebildet ist, daß er seine individuellen ppo_005.017 Gefühle zu idealisiren und unter der ppo_005.018 Hülle des Jdeals in der Sprache darzustellen ppo_005.019 vermag. Soll aber das Letzte ihm gelingen; so muß ppo_005.020 er auch über die Sprache nach ihrem ganzen Umfange ppo_005.021 gebieten, damit unter der von ihm geschaffenen ppo_005.022 Form der Sprache die Ursprünglichkeit seines ppo_005.023 dargestellten Gefühls und die Jdealisirung desselben ppo_005.024 vermittelst der Einbildungskraft bestimmt hervortrete. ppo_005.025 Denn nicht blos Sylbenmaas oder Reim, sondern ppo_005.026 die unverkennbare Ankündigung eines individuellen, ppo_005.027 durch die Einbildungskraft idealisirten, Gefühls vermittelst ppo_005.028 der Form der Sprache, entscheidet über die ppo_005.029 äußere (technische) Vollkommenheit der dichterischen ppo_005.030 Darstellung, während — im entgegengesetzten Sinne ppo_005.031 — bei erlangter Fertigkeit in prosodischer Bildung ppo_005.032 rhythmischer Reihen, das, was nach seinem ppo_005.033 ursprünglichen Wesen nur Prosa ist, und durchaus ppo_005.034 nicht in das Gebiet der Sprache der Dichtkunst gehört,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription. (2015-09-30T09:54:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination
Sandra Richter: ePoetics-Projekt-Koordination

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/poelitz_poetik_1825
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/poelitz_poetik_1825/17
Zitationshilfe: Pölitz, Karl Heinrich Ludwig: Das Gesamtgebiet der teutschen Sprache nach Prosa, Dichtkunst und Beredsamkeit theoretisch und praktisch dargestellt. Dritter Band: Sprache der Dichtkunst. Leipzig, 1825, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poelitz_poetik_1825/17>, abgerufen am 26.04.2024.