Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pölitz, Karl Heinrich Ludwig: Das Gesamtgebiet der teutschen Sprache nach Prosa, Dichtkunst und Beredsamkeit theoretisch und praktisch dargestellt. Dritter Band: Sprache der Dichtkunst. Leipzig, 1825.

Bild:
<< vorherige Seite
ppo_224.001
Nichts werd' ich endlich bleiben, wenn ich ganz Körper bin. ppo_224.002
So will es eine Ordnung; so wechseln die Gestalten; ppo_224.003
Der Untergang des ersten muß stets das Neu erhalten. ppo_224.004
O Abgrund voller Schrecken, worin zurück geführt, ppo_224.005
Sich alles Leben endigt, und die Natur verliert; ppo_224.006
Wird denn die Nacht auf ewig, wenn sie herabgestiegen, ppo_224.007
Verbreitet auf dem Moder der ganzen Schöpfung liegen? ppo_224.008
Wie, oder führt beständig der alte Cirkellauf ppo_224.009
Das Alternde hinunter, das Neuere herauf? ppo_224.010
Ach! und ich hoffe Leben, zum Untergang erschaffen? ppo_224.011
Wo? an des Abgrunds Rande, wo meine Väter schlafen? ppo_224.012
Jetzt tret' ich ihre Hügel; sie waren, was ich bin! ppo_224.013
Bald wandelt eine Nachwelt auf meinem Grabe hin. ppo_224.014
Dann lieg' ich, aufgelöset, ins stille Nichts verloren, ppo_224.015
Und, was auch nach mir auftritt, ich werde nie geboren. ppo_224.016
Jn jedem Lenz ermuntert der Sonne warmer Stral ppo_224.017
Die Blumen aus dem Schlafe, und weckt ein schlummernd ppo_224.018
Thal; ppo_224.019
Die Pflanzen auferstehen, die schon begraben schienen; ppo_224.020
Der todte Baum erwachet, und seine Blätter grünen; ppo_224.021
Der jugendliche Frühling stellt alles wieder her; ppo_224.022
Für mich nur, schlaf' ich einmal, ist keine Widerkehr; ppo_224.023
Allein auf meine Asche, verscharrt im kleinen Hügel, ppo_224.024
Streckt ewig unerbittlich der Todtesschlaf den Flügel. ppo_224.025
Der Vorhang wird geöffnet. Nicht alles ist hier aus; ppo_224.026
Jch seh' in weitre Felder der Ewigkeit hinaus. ppo_224.027
Nicht ganz darf mich auf ewig der Schoos der Erden ppo_224.028
rauben; ppo_224.029
Wo nicht; so muß ich lästern, und keinen Schöpfer glauben. ppo_224.030
O jetzt erwach' ich wieder; der Leib wird Moder seyn, ppo_224.031
Doch das, was in mir denket, ist nicht, wie er, Gebein. ppo_224.032
Unsterblich ist das Wesen, das in mir will und denket; ppo_224.033
Nicht theilbar, wie sein Körper, den Form und Dau'r ppo_224.034
umschränket;
ppo_224.001
Nichts werd' ich endlich bleiben, wenn ich ganz Körper bin. ppo_224.002
So will es eine Ordnung; so wechseln die Gestalten; ppo_224.003
Der Untergang des ersten muß stets das Neu erhalten. ppo_224.004
O Abgrund voller Schrecken, worin zurück geführt, ppo_224.005
Sich alles Leben endigt, und die Natur verliert; ppo_224.006
Wird denn die Nacht auf ewig, wenn sie herabgestiegen, ppo_224.007
Verbreitet auf dem Moder der ganzen Schöpfung liegen? ppo_224.008
Wie, oder führt beständig der alte Cirkellauf ppo_224.009
Das Alternde hinunter, das Neuere herauf? ppo_224.010
Ach! und ich hoffe Leben, zum Untergang erschaffen? ppo_224.011
Wo? an des Abgrunds Rande, wo meine Väter schlafen? ppo_224.012
Jetzt tret' ich ihre Hügel; sie waren, was ich bin! ppo_224.013
Bald wandelt eine Nachwelt auf meinem Grabe hin. ppo_224.014
Dann lieg' ich, aufgelöset, ins stille Nichts verloren, ppo_224.015
Und, was auch nach mir auftritt, ich werde nie geboren. ppo_224.016
Jn jedem Lenz ermuntert der Sonne warmer Stral ppo_224.017
Die Blumen aus dem Schlafe, und weckt ein schlummernd ppo_224.018
Thal; ppo_224.019
Die Pflanzen auferstehen, die schon begraben schienen; ppo_224.020
Der todte Baum erwachet, und seine Blätter grünen; ppo_224.021
Der jugendliche Frühling stellt alles wieder her; ppo_224.022
Für mich nur, schlaf' ich einmal, ist keine Widerkehr; ppo_224.023
Allein auf meine Asche, verscharrt im kleinen Hügel, ppo_224.024
Streckt ewig unerbittlich der Todtesschlaf den Flügel. ppo_224.025
Der Vorhang wird geöffnet. Nicht alles ist hier aus; ppo_224.026
Jch seh' in weitre Felder der Ewigkeit hinaus. ppo_224.027
Nicht ganz darf mich auf ewig der Schoos der Erden ppo_224.028
rauben; ppo_224.029
Wo nicht; so muß ich lästern, und keinen Schöpfer glauben. ppo_224.030
O jetzt erwach' ich wieder; der Leib wird Moder seyn, ppo_224.031
Doch das, was in mir denket, ist nicht, wie er, Gebein. ppo_224.032
Unsterblich ist das Wesen, das in mir will und denket; ppo_224.033
Nicht theilbar, wie sein Körper, den Form und Dau'r ppo_224.034
umschränket;
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0236" n="224"/>
          <lb n="ppo_224.001"/>
          <lg>
            <l>Nichts werd' ich endlich bleiben, wenn ich ganz Körper bin.</l>
            <lb n="ppo_224.002"/>
            <l>So will es eine Ordnung; so wechseln die Gestalten;</l>
            <lb n="ppo_224.003"/>
            <l>Der Untergang des ersten muß stets das Neu erhalten.</l>
            <lb n="ppo_224.004"/>
            <l>  O Abgrund voller Schrecken, worin zurück geführt,</l>
            <lb n="ppo_224.005"/>
            <l>Sich alles Leben endigt, und die Natur verliert;</l>
            <lb n="ppo_224.006"/>
            <l>Wird denn die Nacht auf ewig, wenn sie herabgestiegen,</l>
            <lb n="ppo_224.007"/>
            <l>Verbreitet auf dem Moder der ganzen Schöpfung liegen?</l>
            <lb n="ppo_224.008"/>
            <l>Wie, oder führt beständig der alte Cirkellauf</l>
            <lb n="ppo_224.009"/>
            <l>Das Alternde hinunter, das Neuere herauf?</l>
            <lb n="ppo_224.010"/>
            <l>Ach! und ich hoffe Leben, zum Untergang erschaffen?</l>
            <lb n="ppo_224.011"/>
            <l>Wo? an des Abgrunds Rande, wo meine Väter schlafen?</l>
            <lb n="ppo_224.012"/>
            <l>Jetzt tret' ich ihre Hügel; sie waren, was ich bin!</l>
            <lb n="ppo_224.013"/>
            <l>Bald wandelt eine Nachwelt auf meinem Grabe hin.</l>
            <lb n="ppo_224.014"/>
            <l>Dann lieg' ich, aufgelöset, ins stille Nichts verloren,</l>
            <lb n="ppo_224.015"/>
            <l>Und, was auch nach mir auftritt, ich werde nie geboren.</l>
            <lb n="ppo_224.016"/>
            <l>Jn jedem Lenz ermuntert der Sonne warmer Stral</l>
            <lb n="ppo_224.017"/>
            <l>Die Blumen aus dem Schlafe, und weckt ein schlummernd</l>
            <lb n="ppo_224.018"/>
            <l> <hi rendition="#right">Thal;</hi> </l>
            <lb n="ppo_224.019"/>
            <l>Die Pflanzen auferstehen, die schon begraben schienen;</l>
            <lb n="ppo_224.020"/>
            <l>Der todte Baum erwachet, und seine Blätter grünen;</l>
            <lb n="ppo_224.021"/>
            <l>Der jugendliche Frühling stellt alles wieder her;</l>
            <lb n="ppo_224.022"/>
            <l>Für mich nur, schlaf' ich einmal, ist keine Widerkehr;</l>
            <lb n="ppo_224.023"/>
            <l>Allein auf meine Asche, verscharrt im kleinen Hügel,</l>
            <lb n="ppo_224.024"/>
            <l>Streckt ewig unerbittlich der Todtesschlaf den Flügel.</l>
            <lb n="ppo_224.025"/>
            <l>  Der Vorhang wird geöffnet. Nicht alles ist hier aus;</l>
            <lb n="ppo_224.026"/>
            <l>Jch seh' in weitre Felder der Ewigkeit hinaus.</l>
            <lb n="ppo_224.027"/>
            <l>Nicht ganz darf mich auf ewig der Schoos der Erden</l>
            <lb n="ppo_224.028"/>
            <l> <hi rendition="#right">rauben;</hi> </l>
            <lb n="ppo_224.029"/>
            <l>Wo nicht; so muß ich lästern, und keinen Schöpfer glauben.</l>
            <lb n="ppo_224.030"/>
            <l>  O jetzt erwach' ich wieder; der Leib wird Moder seyn,</l>
            <lb n="ppo_224.031"/>
            <l>Doch das, was in mir denket, ist nicht, wie er, Gebein.</l>
            <lb n="ppo_224.032"/>
            <l>Unsterblich ist das Wesen, das in mir will und denket;</l>
            <lb n="ppo_224.033"/>
            <l>Nicht theilbar, wie sein Körper, den Form und Dau'r</l>
            <lb n="ppo_224.034"/>
            <l> <hi rendition="#right">umschränket;</hi> </l>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[224/0236] ppo_224.001 Nichts werd' ich endlich bleiben, wenn ich ganz Körper bin. ppo_224.002 So will es eine Ordnung; so wechseln die Gestalten; ppo_224.003 Der Untergang des ersten muß stets das Neu erhalten. ppo_224.004 O Abgrund voller Schrecken, worin zurück geführt, ppo_224.005 Sich alles Leben endigt, und die Natur verliert; ppo_224.006 Wird denn die Nacht auf ewig, wenn sie herabgestiegen, ppo_224.007 Verbreitet auf dem Moder der ganzen Schöpfung liegen? ppo_224.008 Wie, oder führt beständig der alte Cirkellauf ppo_224.009 Das Alternde hinunter, das Neuere herauf? ppo_224.010 Ach! und ich hoffe Leben, zum Untergang erschaffen? ppo_224.011 Wo? an des Abgrunds Rande, wo meine Väter schlafen? ppo_224.012 Jetzt tret' ich ihre Hügel; sie waren, was ich bin! ppo_224.013 Bald wandelt eine Nachwelt auf meinem Grabe hin. ppo_224.014 Dann lieg' ich, aufgelöset, ins stille Nichts verloren, ppo_224.015 Und, was auch nach mir auftritt, ich werde nie geboren. ppo_224.016 Jn jedem Lenz ermuntert der Sonne warmer Stral ppo_224.017 Die Blumen aus dem Schlafe, und weckt ein schlummernd ppo_224.018 Thal; ppo_224.019 Die Pflanzen auferstehen, die schon begraben schienen; ppo_224.020 Der todte Baum erwachet, und seine Blätter grünen; ppo_224.021 Der jugendliche Frühling stellt alles wieder her; ppo_224.022 Für mich nur, schlaf' ich einmal, ist keine Widerkehr; ppo_224.023 Allein auf meine Asche, verscharrt im kleinen Hügel, ppo_224.024 Streckt ewig unerbittlich der Todtesschlaf den Flügel. ppo_224.025 Der Vorhang wird geöffnet. Nicht alles ist hier aus; ppo_224.026 Jch seh' in weitre Felder der Ewigkeit hinaus. ppo_224.027 Nicht ganz darf mich auf ewig der Schoos der Erden ppo_224.028 rauben; ppo_224.029 Wo nicht; so muß ich lästern, und keinen Schöpfer glauben. ppo_224.030 O jetzt erwach' ich wieder; der Leib wird Moder seyn, ppo_224.031 Doch das, was in mir denket, ist nicht, wie er, Gebein. ppo_224.032 Unsterblich ist das Wesen, das in mir will und denket; ppo_224.033 Nicht theilbar, wie sein Körper, den Form und Dau'r ppo_224.034 umschränket;

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription. (2015-09-30T09:54:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination
Sandra Richter: ePoetics-Projekt-Koordination

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/poelitz_poetik_1825
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/poelitz_poetik_1825/236
Zitationshilfe: Pölitz, Karl Heinrich Ludwig: Das Gesamtgebiet der teutschen Sprache nach Prosa, Dichtkunst und Beredsamkeit theoretisch und praktisch dargestellt. Dritter Band: Sprache der Dichtkunst. Leipzig, 1825, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poelitz_poetik_1825/236>, abgerufen am 29.04.2024.