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Pölitz, Karl Heinrich Ludwig: Das Gesamtgebiet der teutschen Sprache nach Prosa, Dichtkunst und Beredsamkeit theoretisch und praktisch dargestellt. Dritter Band: Sprache der Dichtkunst. Leipzig, 1825.

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Jst gleich verehrungswerth an Pracht, an Seltenheit. ppo_226.002
Wie kann ein Geist doch so der Schönheit sich entwöhnen? ppo_226.003
Und jauchzt noch, wann er sie verdrängt. ppo_226.004
Das thut der Wahn, der sich in allen Scenen ppo_226.005
Mit dummem Eigennutz vermengt.
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Ja, Phädon, wisse du: ein Geist, den Tugend kleidet, ppo_226.007
Kann nimmer schöner seyn, und wird mit Recht beneidet; ppo_226.008
O, Tugend ist ein Schatz, der Kronen überwiegt. ppo_226.009
Geuß, ew'ge Schönheit, doch, geuß du doch starke Fluten ppo_226.010
Jn meines Phädons Brust; sie sind ein Theil vom Guten, ppo_226.011
Warum allein mein Geist sich betend vor dir schmiegt. ppo_226.012
Wie Licht und Wärme nur aus jener Flammensphäre, ppo_226.013
Quillt wahre Tugend nur aus dir; ppo_226.014
Und kehrt zurück, wie Flüsse zu dem Meere, ppo_226.015
Und fließt in dich und ich mit ihr.
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5) von Heydenreich (+ 1801).

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Das Selbstbewußtseyn.

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O Selbstbewußtseyn, meiner Unsterblichkeit ppo_226.019
Trugloser Bürge! Urquell der Hoffnungen, ppo_226.020
Die durch des Staubes Moderhülle ppo_226.021
Jn die umdämmerte Seele leuchten!
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Du bist mir heilig, weil noch wie Epheu sich ppo_226.023
Um meine Glieder Leben und Jugend schlingt; ppo_226.024
Dich werd' ich einst im Todeskampfe ppo_226.025
Noch mit den starrenden Lippen segnen. --
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Kaum fragt' ich sehnend, heiliger Ahnung voll, ppo_226.027
Nach jenem Land, das jenseits des Lebens liegt; ppo_226.028
(Viel hatt' ich von ihm durch die Sage, ppo_226.029
Viel durch die Lieder des Volks vernommen;)
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Wird, fragt' ich selbst mich, wann in den ängstenden ppo_226.031
Entbindungsqualen sterbend dein Wesen seufzt,
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Mit dummem Eigennutz vermengt.
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5) von Heydenreich († 1801).

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O Selbstbewußtseyn, meiner Unsterblichkeit ppo_226.019
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Um meine Glieder Leben und Jugend schlingt; ppo_226.024
Dich werd' ich einst im Todeskampfe ppo_226.025
Noch mit den starrenden Lippen segnen. —
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Kaum fragt' ich sehnend, heiliger Ahnung voll, ppo_226.027
Nach jenem Land, das jenseits des Lebens liegt; ppo_226.028
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Zitationshilfe: Pölitz, Karl Heinrich Ludwig: Das Gesamtgebiet der teutschen Sprache nach Prosa, Dichtkunst und Beredsamkeit theoretisch und praktisch dargestellt. Dritter Band: Sprache der Dichtkunst. Leipzig, 1825, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poelitz_poetik_1825/238>, abgerufen am 29.04.2024.