Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pölitz, Karl Heinrich Ludwig: Das Gesamtgebiet der teutschen Sprache nach Prosa, Dichtkunst und Beredsamkeit theoretisch und praktisch dargestellt. Dritter Band: Sprache der Dichtkunst. Leipzig, 1825.

Bild:
<< vorherige Seite
ppo_013.001

Die zweite Grundbedingung der dichterischen ppo_013.002
Darstellung beruht daher darauf, daß der aus dem ppo_013.003
Gefühlsvermögen stammende Stoff für jedes dichterische ppo_013.004
Erzeugniß, nach seinem Uebergange ins ppo_013.005
Vorstellungsvermögen, vermittelst der Einbildungskraft ppo_013.006
eine idealische Bekleidung erhalte, und, mit ppo_013.007
dieser Ausstattung, eintrete ins Gebiet der Sprache; ppo_013.008
denn nur das Jdealische trägt in der Sprachdarstellung ppo_013.009
den Charakter der Dichtkunst. Der bloße ppo_013.010
Begriff des Verstandes, und wäre er noch so abgeglättet ppo_013.011
in Sylbenmaas und Reim gekleidet, kann ppo_013.012
nie als Erzeugniß der Dichtkunst erscheinen; denn ppo_013.013
ihm fehlt eben so die Abstammung aus dem Gefühlsvermögen, ppo_013.014
wie er der idealischen Haltung durch ppo_013.015
die Thätigkeit der Einbildungskraft ermangelt. (So ppo_013.016
wird z. B. Kästners Lehrgedicht von den Kometen ppo_013.017
nie als Gedicht gelten, ob es gleich im abgemessenen ppo_013.018
Sylbenmaase sich bewegt; dagegen sind ppo_013.019
viele Erzeugnisse Jean Pauls echt dichterische ppo_013.020
Formen, ob sie gleich des Sylbenmaases und Reimes ppo_013.021
ermangeln.)

ppo_013.022

Unter allen Urbildern (Jdealen) der Einbildungskraft ppo_013.023
sind aber die Jdeale des Wahren, ppo_013.024
des Schönen und des Guten die drei höchsten, die ppo_013.025
sie hervorbringt, und welchen sie jede einzelne idealische ppo_013.026
Form unterordnet. Wenn das Jdeal des ppo_013.027
Wahren der höchste Zielpunct für alle durch das ppo_013.028
Vorstellungsvermögen vermittelte Erkenntniß, so wie ppo_013.029
das Jdeal des Sittlich-Guten der höchste Zielpunct ppo_013.030
für alle durch das Bestrebungsvermögen hervorzubringende ppo_013.031
freie Handlungen bleibt; so ist das ppo_013.032
Jdeal des Schönen der höchste Zielpunct für ppo_013.033
die gesammte Thätigkeit des Gefühlsvermögens. ppo_013.034
Denn, was das Gefühlsvermögen rühren und erschüttern

ppo_013.001

Die zweite Grundbedingung der dichterischen ppo_013.002
Darstellung beruht daher darauf, daß der aus dem ppo_013.003
Gefühlsvermögen stammende Stoff für jedes dichterische ppo_013.004
Erzeugniß, nach seinem Uebergange ins ppo_013.005
Vorstellungsvermögen, vermittelst der Einbildungskraft ppo_013.006
eine idealische Bekleidung erhalte, und, mit ppo_013.007
dieser Ausstattung, eintrete ins Gebiet der Sprache; ppo_013.008
denn nur das Jdealische trägt in der Sprachdarstellung ppo_013.009
den Charakter der Dichtkunst. Der bloße ppo_013.010
Begriff des Verstandes, und wäre er noch so abgeglättet ppo_013.011
in Sylbenmaas und Reim gekleidet, kann ppo_013.012
nie als Erzeugniß der Dichtkunst erscheinen; denn ppo_013.013
ihm fehlt eben so die Abstammung aus dem Gefühlsvermögen, ppo_013.014
wie er der idealischen Haltung durch ppo_013.015
die Thätigkeit der Einbildungskraft ermangelt. (So ppo_013.016
wird z. B. Kästners Lehrgedicht von den Kometen ppo_013.017
nie als Gedicht gelten, ob es gleich im abgemessenen ppo_013.018
Sylbenmaase sich bewegt; dagegen sind ppo_013.019
viele Erzeugnisse Jean Pauls echt dichterische ppo_013.020
Formen, ob sie gleich des Sylbenmaases und Reimes ppo_013.021
ermangeln.)

ppo_013.022

Unter allen Urbildern (Jdealen) der Einbildungskraft ppo_013.023
sind aber die Jdeale des Wahren, ppo_013.024
des Schönen und des Guten die drei höchsten, die ppo_013.025
sie hervorbringt, und welchen sie jede einzelne idealische ppo_013.026
Form unterordnet. Wenn das Jdeal des ppo_013.027
Wahren der höchste Zielpunct für alle durch das ppo_013.028
Vorstellungsvermögen vermittelte Erkenntniß, so wie ppo_013.029
das Jdeal des Sittlich-Guten der höchste Zielpunct ppo_013.030
für alle durch das Bestrebungsvermögen hervorzubringende ppo_013.031
freie Handlungen bleibt; so ist das ppo_013.032
Jdeal des Schönen der höchste Zielpunct für ppo_013.033
die gesammte Thätigkeit des Gefühlsvermögens. ppo_013.034
Denn, was das Gefühlsvermögen rühren und erschüttern

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0025" n="13"/>
          <lb n="ppo_013.001"/>
          <p>  Die <hi rendition="#g">zweite</hi> Grundbedingung der dichterischen <lb n="ppo_013.002"/>Darstellung beruht daher darauf, daß der aus dem <lb n="ppo_013.003"/>Gefühlsvermögen stammende Stoff für jedes dichterische <lb n="ppo_013.004"/>Erzeugniß, nach seinem Uebergange ins <lb n="ppo_013.005"/>Vorstellungsvermögen, vermittelst der Einbildungskraft <lb n="ppo_013.006"/>eine <hi rendition="#g">idealische</hi> Bekleidung erhalte, und, mit <lb n="ppo_013.007"/>dieser Ausstattung, eintrete ins Gebiet der Sprache; <lb n="ppo_013.008"/>denn nur das Jdealische trägt in der Sprachdarstellung <lb n="ppo_013.009"/>den Charakter der Dichtkunst. Der bloße <lb n="ppo_013.010"/>Begriff des Verstandes, und wäre er noch so abgeglättet <lb n="ppo_013.011"/>in Sylbenmaas und Reim gekleidet, kann <lb n="ppo_013.012"/>nie als Erzeugniß der Dichtkunst erscheinen; denn <lb n="ppo_013.013"/>ihm fehlt eben so die Abstammung aus dem Gefühlsvermögen, <lb n="ppo_013.014"/>wie er der idealischen Haltung durch <lb n="ppo_013.015"/>die Thätigkeit der Einbildungskraft ermangelt. (So <lb n="ppo_013.016"/>wird z. B. <hi rendition="#g">Kästners</hi> Lehrgedicht von den Kometen <lb n="ppo_013.017"/>nie als Gedicht gelten, ob es gleich im abgemessenen <lb n="ppo_013.018"/>Sylbenmaase sich bewegt; dagegen sind <lb n="ppo_013.019"/>viele Erzeugnisse <hi rendition="#g">Jean Pauls</hi> echt dichterische <lb n="ppo_013.020"/>Formen, ob sie gleich des Sylbenmaases und Reimes <lb n="ppo_013.021"/>ermangeln.)</p>
          <lb n="ppo_013.022"/>
          <p>  Unter allen <hi rendition="#g">Urbildern</hi> (Jdealen) der Einbildungskraft <lb n="ppo_013.023"/>sind aber die Jdeale des <hi rendition="#g">Wahren,</hi> <lb n="ppo_013.024"/>des <hi rendition="#g">Schönen</hi> und des <hi rendition="#g">Guten</hi> die drei höchsten, die <lb n="ppo_013.025"/>sie hervorbringt, und welchen sie jede einzelne idealische <lb n="ppo_013.026"/>Form unterordnet. Wenn das Jdeal des <lb n="ppo_013.027"/><hi rendition="#g">Wahren</hi> der höchste Zielpunct für alle durch das <lb n="ppo_013.028"/>Vorstellungsvermögen vermittelte Erkenntniß, so wie <lb n="ppo_013.029"/>das Jdeal des <hi rendition="#g">Sittlich-Guten</hi> der höchste Zielpunct <lb n="ppo_013.030"/>für alle durch das Bestrebungsvermögen hervorzubringende <lb n="ppo_013.031"/>freie Handlungen bleibt; so ist das <lb n="ppo_013.032"/><hi rendition="#g">Jdeal des Schönen</hi> der höchste Zielpunct für <lb n="ppo_013.033"/>die gesammte Thätigkeit des Gefühlsvermögens. <lb n="ppo_013.034"/>Denn, was das Gefühlsvermögen rühren und erschüttern
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[13/0025] ppo_013.001 Die zweite Grundbedingung der dichterischen ppo_013.002 Darstellung beruht daher darauf, daß der aus dem ppo_013.003 Gefühlsvermögen stammende Stoff für jedes dichterische ppo_013.004 Erzeugniß, nach seinem Uebergange ins ppo_013.005 Vorstellungsvermögen, vermittelst der Einbildungskraft ppo_013.006 eine idealische Bekleidung erhalte, und, mit ppo_013.007 dieser Ausstattung, eintrete ins Gebiet der Sprache; ppo_013.008 denn nur das Jdealische trägt in der Sprachdarstellung ppo_013.009 den Charakter der Dichtkunst. Der bloße ppo_013.010 Begriff des Verstandes, und wäre er noch so abgeglättet ppo_013.011 in Sylbenmaas und Reim gekleidet, kann ppo_013.012 nie als Erzeugniß der Dichtkunst erscheinen; denn ppo_013.013 ihm fehlt eben so die Abstammung aus dem Gefühlsvermögen, ppo_013.014 wie er der idealischen Haltung durch ppo_013.015 die Thätigkeit der Einbildungskraft ermangelt. (So ppo_013.016 wird z. B. Kästners Lehrgedicht von den Kometen ppo_013.017 nie als Gedicht gelten, ob es gleich im abgemessenen ppo_013.018 Sylbenmaase sich bewegt; dagegen sind ppo_013.019 viele Erzeugnisse Jean Pauls echt dichterische ppo_013.020 Formen, ob sie gleich des Sylbenmaases und Reimes ppo_013.021 ermangeln.) ppo_013.022 Unter allen Urbildern (Jdealen) der Einbildungskraft ppo_013.023 sind aber die Jdeale des Wahren, ppo_013.024 des Schönen und des Guten die drei höchsten, die ppo_013.025 sie hervorbringt, und welchen sie jede einzelne idealische ppo_013.026 Form unterordnet. Wenn das Jdeal des ppo_013.027 Wahren der höchste Zielpunct für alle durch das ppo_013.028 Vorstellungsvermögen vermittelte Erkenntniß, so wie ppo_013.029 das Jdeal des Sittlich-Guten der höchste Zielpunct ppo_013.030 für alle durch das Bestrebungsvermögen hervorzubringende ppo_013.031 freie Handlungen bleibt; so ist das ppo_013.032 Jdeal des Schönen der höchste Zielpunct für ppo_013.033 die gesammte Thätigkeit des Gefühlsvermögens. ppo_013.034 Denn, was das Gefühlsvermögen rühren und erschüttern

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription. (2015-09-30T09:54:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination
Sandra Richter: ePoetics-Projekt-Koordination

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/poelitz_poetik_1825
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/poelitz_poetik_1825/25
Zitationshilfe: Pölitz, Karl Heinrich Ludwig: Das Gesamtgebiet der teutschen Sprache nach Prosa, Dichtkunst und Beredsamkeit theoretisch und praktisch dargestellt. Dritter Band: Sprache der Dichtkunst. Leipzig, 1825, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poelitz_poetik_1825/25>, abgerufen am 26.04.2024.