Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pölitz, Karl Heinrich Ludwig: Das Gesamtgebiet der teutschen Sprache nach Prosa, Dichtkunst und Beredsamkeit theoretisch und praktisch dargestellt. Dritter Band: Sprache der Dichtkunst. Leipzig, 1825.

Bild:
<< vorherige Seite

ppo_295.001
, war ein zu ungewöhnlicher Anblick für ihn, und setzte ppo_295.002
seine Nerven in ein fieberhaftes Erzittern. Mit zufriedenem ppo_295.003
Mitleiden beobachtete Wilhelmine den Einfluß ihrer Person, ppo_295.004
und riß endlich Vater und Liebhaber aus ihrer Betäubung. ppo_295.005
Jhre harmonische Stimme belebte manche vertraute ppo_295.006
Erzählung, bald von den Freuden des Hofes, von ppo_295.007
englischen Tänzen und überirdischen Opern, und von den ppo_295.008
unnützen Verfolgungen ihrer lächerlichen Amanten; bald ppo_295.009
aber auch bejammerte sie mit nachdenkender Stimme den ppo_295.010
steten Wechsel des Hofes und den Ekel, der hinterlistig ppo_295.011
dem taumelnden Höflinge nachschleicht, und da wünschte ppo_295.012
sie sich -- welch ein Vergnügen für den horchenden Priester ppo_295.013
-- einst wieder mit Ehren zur glücklichen Stille des ppo_295.014
Landes zurück.

ppo_295.015

Unter diesen anmuthigen Gesprächen, wovon meine ppo_295.016
Muse nicht die Hälfte verräth, setzte sich die liebe Gesellschaft ppo_295.017
vertraulich und ohne Gebet zu Tische. Erschrocken ppo_295.018
dachte zwar der Magister daran; doch durfte er es jetzt ppo_295.019
nicht wagen, sich wider die Gewohnheiten des Hofes ppo_295.020
zu empören. Um das Mittagsmahl zu verherrlichen, ppo_295.021
hatte die schöne Tochter des Hauses vier Flaschen köstlichen ppo_295.022
Weins mitgebracht. Sie öffnete eine davon, und ppo_295.023
schenkte mit wohlthätigen Händen ihrem Liebhaber und ppo_295.024
Vater schäumende Gläser ein. Lange besah der Magister ppo_295.025
das unbekannte Getränk, kostete es mit der Miene des ppo_295.026
Kenners, und ließ doch sein Feuer verrauchen. Endlich ppo_295.027
fragt' er pedantisch: Liebe Mansell, für was kann ich ppo_295.028
das eigentlich trinken? Lächelnd antwortete sie: es ist ppo_295.029
von unserm Burgunder. Nach ihm setzte man auch eine ppo_295.030
langhälsichte Flasche des stillscheinenden bleichen Champagners ppo_295.031
auf die Tafel. Schon ganz freundlich durch ppo_295.032
den Burgunder, reichte sie der Magister den befehlenden ppo_295.033
Händen der Schönen. Aber er wäre bald vor Schrecken ppo_295.034
versunken, als der betrügerische Wein den Stöpsel an

ppo_295.001
, war ein zu ungewöhnlicher Anblick für ihn, und setzte ppo_295.002
seine Nerven in ein fieberhaftes Erzittern. Mit zufriedenem ppo_295.003
Mitleiden beobachtete Wilhelmine den Einfluß ihrer Person, ppo_295.004
und riß endlich Vater und Liebhaber aus ihrer Betäubung. ppo_295.005
Jhre harmonische Stimme belebte manche vertraute ppo_295.006
Erzählung, bald von den Freuden des Hofes, von ppo_295.007
englischen Tänzen und überirdischen Opern, und von den ppo_295.008
unnützen Verfolgungen ihrer lächerlichen Amanten; bald ppo_295.009
aber auch bejammerte sie mit nachdenkender Stimme den ppo_295.010
steten Wechsel des Hofes und den Ekel, der hinterlistig ppo_295.011
dem taumelnden Höflinge nachschleicht, und da wünschte ppo_295.012
sie sich — welch ein Vergnügen für den horchenden Priester ppo_295.013
— einst wieder mit Ehren zur glücklichen Stille des ppo_295.014
Landes zurück.

ppo_295.015

Unter diesen anmuthigen Gesprächen, wovon meine ppo_295.016
Muse nicht die Hälfte verräth, setzte sich die liebe Gesellschaft ppo_295.017
vertraulich und ohne Gebet zu Tische. Erschrocken ppo_295.018
dachte zwar der Magister daran; doch durfte er es jetzt ppo_295.019
nicht wagen, sich wider die Gewohnheiten des Hofes ppo_295.020
zu empören. Um das Mittagsmahl zu verherrlichen, ppo_295.021
hatte die schöne Tochter des Hauses vier Flaschen köstlichen ppo_295.022
Weins mitgebracht. Sie öffnete eine davon, und ppo_295.023
schenkte mit wohlthätigen Händen ihrem Liebhaber und ppo_295.024
Vater schäumende Gläser ein. Lange besah der Magister ppo_295.025
das unbekannte Getränk, kostete es mit der Miene des ppo_295.026
Kenners, und ließ doch sein Feuer verrauchen. Endlich ppo_295.027
fragt' er pedantisch: Liebe Mansell, für was kann ich ppo_295.028
das eigentlich trinken? Lächelnd antwortete sie: es ist ppo_295.029
von unserm Burgunder. Nach ihm setzte man auch eine ppo_295.030
langhälsichte Flasche des stillscheinenden bleichen Champagners ppo_295.031
auf die Tafel. Schon ganz freundlich durch ppo_295.032
den Burgunder, reichte sie der Magister den befehlenden ppo_295.033
Händen der Schönen. Aber er wäre bald vor Schrecken ppo_295.034
versunken, als der betrügerische Wein den Stöpsel an

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0307" n="295"/><lb n="ppo_295.001"/>, war ein zu ungewöhnlicher Anblick für ihn, und setzte <lb n="ppo_295.002"/>seine Nerven in ein fieberhaftes Erzittern. Mit zufriedenem <lb n="ppo_295.003"/>Mitleiden beobachtete Wilhelmine den Einfluß ihrer Person, <lb n="ppo_295.004"/>und riß endlich Vater und Liebhaber aus ihrer Betäubung. <lb n="ppo_295.005"/>Jhre harmonische Stimme belebte manche vertraute <lb n="ppo_295.006"/>Erzählung, bald von den Freuden des Hofes, von <lb n="ppo_295.007"/>englischen Tänzen und überirdischen Opern, und von den <lb n="ppo_295.008"/>unnützen Verfolgungen ihrer lächerlichen Amanten; bald <lb n="ppo_295.009"/>aber auch bejammerte sie mit nachdenkender Stimme den <lb n="ppo_295.010"/>steten Wechsel des Hofes und den Ekel, der hinterlistig <lb n="ppo_295.011"/>dem taumelnden Höflinge nachschleicht, und da wünschte <lb n="ppo_295.012"/>sie sich &#x2014; welch ein Vergnügen für den horchenden Priester <lb n="ppo_295.013"/>&#x2014; einst wieder mit Ehren zur glücklichen Stille des <lb n="ppo_295.014"/>Landes zurück.</p>
          <lb n="ppo_295.015"/>
          <p>  Unter diesen anmuthigen Gesprächen, wovon meine <lb n="ppo_295.016"/>Muse nicht die Hälfte verräth, setzte sich die liebe Gesellschaft <lb n="ppo_295.017"/>vertraulich und ohne Gebet zu Tische. Erschrocken <lb n="ppo_295.018"/>dachte zwar der Magister daran; doch durfte er es jetzt <lb n="ppo_295.019"/>nicht wagen, sich wider die Gewohnheiten des Hofes <lb n="ppo_295.020"/>zu empören. Um das Mittagsmahl zu verherrlichen, <lb n="ppo_295.021"/>hatte die schöne Tochter des Hauses vier Flaschen köstlichen <lb n="ppo_295.022"/>Weins mitgebracht. Sie öffnete eine davon, und <lb n="ppo_295.023"/>schenkte mit wohlthätigen Händen ihrem Liebhaber und <lb n="ppo_295.024"/>Vater schäumende Gläser ein. Lange besah der Magister <lb n="ppo_295.025"/>das unbekannte Getränk, kostete es mit der Miene des <lb n="ppo_295.026"/>Kenners, und ließ doch sein Feuer verrauchen. Endlich <lb n="ppo_295.027"/>fragt' er pedantisch: Liebe Mansell, für was kann ich <lb n="ppo_295.028"/>das eigentlich trinken? Lächelnd antwortete sie: es ist <lb n="ppo_295.029"/>von unserm Burgunder. Nach ihm setzte man auch eine <lb n="ppo_295.030"/>langhälsichte Flasche des stillscheinenden bleichen Champagners <lb n="ppo_295.031"/>auf die Tafel. Schon ganz freundlich durch <lb n="ppo_295.032"/>den Burgunder, reichte sie der Magister den befehlenden <lb n="ppo_295.033"/>Händen der Schönen. Aber er wäre bald vor Schrecken <lb n="ppo_295.034"/>versunken, als der betrügerische Wein den Stöpsel an
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[295/0307] ppo_295.001 , war ein zu ungewöhnlicher Anblick für ihn, und setzte ppo_295.002 seine Nerven in ein fieberhaftes Erzittern. Mit zufriedenem ppo_295.003 Mitleiden beobachtete Wilhelmine den Einfluß ihrer Person, ppo_295.004 und riß endlich Vater und Liebhaber aus ihrer Betäubung. ppo_295.005 Jhre harmonische Stimme belebte manche vertraute ppo_295.006 Erzählung, bald von den Freuden des Hofes, von ppo_295.007 englischen Tänzen und überirdischen Opern, und von den ppo_295.008 unnützen Verfolgungen ihrer lächerlichen Amanten; bald ppo_295.009 aber auch bejammerte sie mit nachdenkender Stimme den ppo_295.010 steten Wechsel des Hofes und den Ekel, der hinterlistig ppo_295.011 dem taumelnden Höflinge nachschleicht, und da wünschte ppo_295.012 sie sich — welch ein Vergnügen für den horchenden Priester ppo_295.013 — einst wieder mit Ehren zur glücklichen Stille des ppo_295.014 Landes zurück. ppo_295.015 Unter diesen anmuthigen Gesprächen, wovon meine ppo_295.016 Muse nicht die Hälfte verräth, setzte sich die liebe Gesellschaft ppo_295.017 vertraulich und ohne Gebet zu Tische. Erschrocken ppo_295.018 dachte zwar der Magister daran; doch durfte er es jetzt ppo_295.019 nicht wagen, sich wider die Gewohnheiten des Hofes ppo_295.020 zu empören. Um das Mittagsmahl zu verherrlichen, ppo_295.021 hatte die schöne Tochter des Hauses vier Flaschen köstlichen ppo_295.022 Weins mitgebracht. Sie öffnete eine davon, und ppo_295.023 schenkte mit wohlthätigen Händen ihrem Liebhaber und ppo_295.024 Vater schäumende Gläser ein. Lange besah der Magister ppo_295.025 das unbekannte Getränk, kostete es mit der Miene des ppo_295.026 Kenners, und ließ doch sein Feuer verrauchen. Endlich ppo_295.027 fragt' er pedantisch: Liebe Mansell, für was kann ich ppo_295.028 das eigentlich trinken? Lächelnd antwortete sie: es ist ppo_295.029 von unserm Burgunder. Nach ihm setzte man auch eine ppo_295.030 langhälsichte Flasche des stillscheinenden bleichen Champagners ppo_295.031 auf die Tafel. Schon ganz freundlich durch ppo_295.032 den Burgunder, reichte sie der Magister den befehlenden ppo_295.033 Händen der Schönen. Aber er wäre bald vor Schrecken ppo_295.034 versunken, als der betrügerische Wein den Stöpsel an

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription. (2015-09-30T09:54:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination
Sandra Richter: ePoetics-Projekt-Koordination

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/poelitz_poetik_1825
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/poelitz_poetik_1825/307
Zitationshilfe: Pölitz, Karl Heinrich Ludwig: Das Gesamtgebiet der teutschen Sprache nach Prosa, Dichtkunst und Beredsamkeit theoretisch und praktisch dargestellt. Dritter Band: Sprache der Dichtkunst. Leipzig, 1825, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poelitz_poetik_1825/307>, abgerufen am 15.05.2024.