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Pölitz, Karl Heinrich Ludwig: Das Gesamtgebiet der teutschen Sprache nach Prosa, Dichtkunst und Beredsamkeit theoretisch und praktisch dargestellt. Dritter Band: Sprache der Dichtkunst. Leipzig, 1825.

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Beim zweiten schon der erste Fleck verfehlt, ppo_337.002
Den Wangen nach küßt man nicht in der Mitten.
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Was Bilder? nein! ward hier von jenem eingewandt, ppo_337.004
Mit Augen seh' ich zwar, mehr mit Verstand. ppo_337.005
Wer nur den Sinnen traut, macht wenig starke Schlüsse. ppo_337.006
Der Unterschied im Kuß hat schlechten Grund, ppo_337.007
Es ist zudem ein rother Mund, ein Mund, ppo_337.008
Und Küsse sind im Wesen doch nur Küsse.
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Gut, rief bei diesem Streit der dritte Kaffeegast, ppo_337.010
Freund, aber sey zum Einwurf nur gefaßt; ppo_337.011
Denn sonst reichst du die Hand zum ersten zum Versöhnen, ppo_337.012
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Den Satz des nicht zu Unterscheidenden ppo_337.014
Erweis ich dir mit deiner Lesbien, ppo_337.015
Die küssest du in einer Welt voll Schönen.
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5) von Gotter (+ 1797).

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Der reisende Virtuose.

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Ein Virtuos aus jenem Lande, ppo_337.019
Wo, nächst der Weihe, keine Bahn ppo_337.020
So leicht zum Reichthum führet, als -- o Schande! -- ppo_337.021
Ein Messerschnitt, erwies dem teutschen Vaterlande ppo_337.022
Die Ehr' und setzt' es einst in Contribution. ppo_337.023
Die Wochenblättler (Ehrenmänner, ppo_337.024
Und aller Künste tiefe Kenner, ppo_337.025
Und Schöpfer mancher Reputation!) ppo_337.026
Verglichen seinen Silberton ppo_337.027
Der ersten Sängerin in Vater Zeus Orchester. ppo_337.028
Zwar kenn' ich jene Primadonna nicht; ppo_337.029
Doch wett' ich gleich mein glücklichstes Gedicht: ppo_337.030
So göttlich, als der Musen zehnte Schwester, ppo_337.031
Als unsre Mara, sang er nicht. ppo_337.032
Er kam an einen Hof (ein Höfchen wollt' ich sagen,
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Zitationshilfe: Pölitz, Karl Heinrich Ludwig: Das Gesamtgebiet der teutschen Sprache nach Prosa, Dichtkunst und Beredsamkeit theoretisch und praktisch dargestellt. Dritter Band: Sprache der Dichtkunst. Leipzig, 1825, S. 337. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poelitz_poetik_1825/349>, abgerufen am 15.05.2024.