Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pölitz, Karl Heinrich Ludwig: Das Gesamtgebiet der teutschen Sprache nach Prosa, Dichtkunst und Beredsamkeit theoretisch und praktisch dargestellt. Dritter Band: Sprache der Dichtkunst. Leipzig, 1825.

Bild:
<< vorherige Seite

ppo_023.001
innerhalb eines dichterischen Ganzen verstanden ppo_023.002
wird.

ppo_023.003

Alle gebildete Sprachen des Alterthums und ppo_023.004
der neuern Zeit können, in Hinsicht des Rhythmus, ppo_023.005
in quantitirende oder accentuirte eingetheilt ppo_023.006
werden. Der Grundcharakter dieser Verschiedenheit ppo_023.007
beruht darauf, daß in quantitirenden Sprachen, ppo_023.008
die gewöhnlich unter dem Einflusse der Tonkunst sich ppo_023.009
weiter ausbilden, der Accent zu Gunsten des Rhythmus ppo_023.010
von seinem Sitze auf der Sylbe verdrängt ppo_023.011
werden kann, so daß in diesen Sprachen der ppo_023.012
Rhythmus die Grundbedingung des Accents
ppo_023.013
ist. Dagegen wird in den accentuirten ppo_023.014
Sprachen der Sitz des Accents durch den Sinn ppo_023.015
und die Bedeutung der Sylben und der Wörter unwiderruflich ppo_023.016
bestimmt; folglich ist in ihnen der Accent ppo_023.017
die Grundbedingung für den Rhythmus.
ppo_023.018
Zu den quantitirenden Sprachen gehören die ppo_023.019
Sprachen des Alterthums, und namentlich die gebildetste ppo_023.020
unter allen, die griechische; zu den accentuirten ppo_023.021
Sprachen aber die Sprachen der jüngern ppo_023.022
abendländischen Völker, und namentlich die teutsche.

ppo_023.023
9. ppo_023.024
Fortsetzung. Ueber Prosodie in der teutschen ppo_023.025
Sprache.
ppo_023.026

Die Sylbenmessung der Griechen erhielt unter ppo_023.027
dem Einflusse der Tonkunst ihre bestimmten Formen ppo_023.028
und ihren bezaubernden Wohlklang; sie bildete sich ppo_023.029
unter dem Einflusse des allgemein herrschenden Hexameters. ppo_023.030
Gewiß würde die ganze Prosodie der Griechen ppo_023.031
sich anders gestaltet haben, wenn nicht der ppo_023.032
Hexameter, sondern z. B. der Jambus das älteste

ppo_023.001
innerhalb eines dichterischen Ganzen verstanden ppo_023.002
wird.

ppo_023.003

Alle gebildete Sprachen des Alterthums und ppo_023.004
der neuern Zeit können, in Hinsicht des Rhythmus, ppo_023.005
in quantitirende oder accentuirte eingetheilt ppo_023.006
werden. Der Grundcharakter dieser Verschiedenheit ppo_023.007
beruht darauf, daß in quantitirenden Sprachen, ppo_023.008
die gewöhnlich unter dem Einflusse der Tonkunst sich ppo_023.009
weiter ausbilden, der Accent zu Gunsten des Rhythmus ppo_023.010
von seinem Sitze auf der Sylbe verdrängt ppo_023.011
werden kann, so daß in diesen Sprachen der ppo_023.012
Rhythmus die Grundbedingung des Accents
ppo_023.013
ist. Dagegen wird in den accentuirten ppo_023.014
Sprachen der Sitz des Accents durch den Sinn ppo_023.015
und die Bedeutung der Sylben und der Wörter unwiderruflich ppo_023.016
bestimmt; folglich ist in ihnen der Accent ppo_023.017
die Grundbedingung für den Rhythmus.
ppo_023.018
Zu den quantitirenden Sprachen gehören die ppo_023.019
Sprachen des Alterthums, und namentlich die gebildetste ppo_023.020
unter allen, die griechische; zu den accentuirten ppo_023.021
Sprachen aber die Sprachen der jüngern ppo_023.022
abendländischen Völker, und namentlich die teutsche.

ppo_023.023
9. ppo_023.024
Fortsetzung. Ueber Prosodie in der teutschen ppo_023.025
Sprache.
ppo_023.026

Die Sylbenmessung der Griechen erhielt unter ppo_023.027
dem Einflusse der Tonkunst ihre bestimmten Formen ppo_023.028
und ihren bezaubernden Wohlklang; sie bildete sich ppo_023.029
unter dem Einflusse des allgemein herrschenden Hexameters. ppo_023.030
Gewiß würde die ganze Prosodie der Griechen ppo_023.031
sich anders gestaltet haben, wenn nicht der ppo_023.032
Hexameter, sondern z. B. der Jambus das älteste

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0035" n="23"/><lb n="ppo_023.001"/> innerhalb eines dichterischen Ganzen verstanden <lb n="ppo_023.002"/>wird.</p>
          <lb n="ppo_023.003"/>
          <p>  Alle gebildete Sprachen des Alterthums und <lb n="ppo_023.004"/>der neuern Zeit können, in Hinsicht des Rhythmus, <lb n="ppo_023.005"/>in <hi rendition="#g">quantitirende</hi> oder <hi rendition="#g">accentuirte</hi> eingetheilt <lb n="ppo_023.006"/>werden. Der Grundcharakter dieser Verschiedenheit <lb n="ppo_023.007"/>beruht darauf, daß in <hi rendition="#g">quantitirenden</hi> Sprachen, <lb n="ppo_023.008"/>die gewöhnlich unter dem Einflusse der Tonkunst sich <lb n="ppo_023.009"/>weiter ausbilden, der Accent zu Gunsten des Rhythmus <lb n="ppo_023.010"/>von seinem Sitze auf der Sylbe verdrängt <lb n="ppo_023.011"/>werden kann, so daß in diesen Sprachen <hi rendition="#g">der <lb n="ppo_023.012"/>Rhythmus die Grundbedingung des Accents</hi> <lb n="ppo_023.013"/>ist. Dagegen wird in den <hi rendition="#g">accentuirten</hi> <lb n="ppo_023.014"/>Sprachen der Sitz des Accents durch den <hi rendition="#g">Sinn</hi> <lb n="ppo_023.015"/>und die Bedeutung der Sylben und der Wörter unwiderruflich <lb n="ppo_023.016"/>bestimmt; folglich ist in ihnen <hi rendition="#g">der Accent <lb n="ppo_023.017"/>die Grundbedingung für den Rhythmus.</hi> <lb n="ppo_023.018"/>Zu den quantitirenden Sprachen gehören die <lb n="ppo_023.019"/>Sprachen des Alterthums, und namentlich die gebildetste <lb n="ppo_023.020"/>unter allen, die <hi rendition="#g">griechische;</hi> zu den accentuirten <lb n="ppo_023.021"/>Sprachen aber die Sprachen der jüngern <lb n="ppo_023.022"/>abendländischen Völker, und namentlich die <hi rendition="#g">teutsche.</hi></p>
        </div>
        <div n="2">
          <lb n="ppo_023.023"/>
          <head> <hi rendition="#c">9. <lb n="ppo_023.024"/><hi rendition="#g">Fortsetzung. Ueber Prosodie in der teutschen <lb n="ppo_023.025"/>Sprache.</hi></hi> </head>
          <lb n="ppo_023.026"/>
          <p>  Die Sylbenmessung der Griechen erhielt unter <lb n="ppo_023.027"/>dem Einflusse der Tonkunst ihre bestimmten Formen <lb n="ppo_023.028"/>und ihren bezaubernden Wohlklang; sie bildete sich <lb n="ppo_023.029"/>unter dem Einflusse des allgemein herrschenden Hexameters. <lb n="ppo_023.030"/>Gewiß würde die ganze Prosodie der Griechen <lb n="ppo_023.031"/>sich anders gestaltet haben, wenn nicht der <lb n="ppo_023.032"/>Hexameter, sondern z. B. der Jambus das älteste
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[23/0035] ppo_023.001 innerhalb eines dichterischen Ganzen verstanden ppo_023.002 wird. ppo_023.003 Alle gebildete Sprachen des Alterthums und ppo_023.004 der neuern Zeit können, in Hinsicht des Rhythmus, ppo_023.005 in quantitirende oder accentuirte eingetheilt ppo_023.006 werden. Der Grundcharakter dieser Verschiedenheit ppo_023.007 beruht darauf, daß in quantitirenden Sprachen, ppo_023.008 die gewöhnlich unter dem Einflusse der Tonkunst sich ppo_023.009 weiter ausbilden, der Accent zu Gunsten des Rhythmus ppo_023.010 von seinem Sitze auf der Sylbe verdrängt ppo_023.011 werden kann, so daß in diesen Sprachen der ppo_023.012 Rhythmus die Grundbedingung des Accents ppo_023.013 ist. Dagegen wird in den accentuirten ppo_023.014 Sprachen der Sitz des Accents durch den Sinn ppo_023.015 und die Bedeutung der Sylben und der Wörter unwiderruflich ppo_023.016 bestimmt; folglich ist in ihnen der Accent ppo_023.017 die Grundbedingung für den Rhythmus. ppo_023.018 Zu den quantitirenden Sprachen gehören die ppo_023.019 Sprachen des Alterthums, und namentlich die gebildetste ppo_023.020 unter allen, die griechische; zu den accentuirten ppo_023.021 Sprachen aber die Sprachen der jüngern ppo_023.022 abendländischen Völker, und namentlich die teutsche. ppo_023.023 9. ppo_023.024 Fortsetzung. Ueber Prosodie in der teutschen ppo_023.025 Sprache. ppo_023.026 Die Sylbenmessung der Griechen erhielt unter ppo_023.027 dem Einflusse der Tonkunst ihre bestimmten Formen ppo_023.028 und ihren bezaubernden Wohlklang; sie bildete sich ppo_023.029 unter dem Einflusse des allgemein herrschenden Hexameters. ppo_023.030 Gewiß würde die ganze Prosodie der Griechen ppo_023.031 sich anders gestaltet haben, wenn nicht der ppo_023.032 Hexameter, sondern z. B. der Jambus das älteste

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription. (2015-09-30T09:54:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination
Sandra Richter: ePoetics-Projekt-Koordination

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/poelitz_poetik_1825
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/poelitz_poetik_1825/35
Zitationshilfe: Pölitz, Karl Heinrich Ludwig: Das Gesamtgebiet der teutschen Sprache nach Prosa, Dichtkunst und Beredsamkeit theoretisch und praktisch dargestellt. Dritter Band: Sprache der Dichtkunst. Leipzig, 1825, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poelitz_poetik_1825/35>, abgerufen am 26.04.2024.