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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

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das Portal flankierten, trugen einen steinernen Löwen, der in
aufrechter Haltung dräuend das gräfliche Wappen in seinen
Vorderpranken hielt.

Pauline kreuzte diesen Hof. Sie wagte nicht links noch
rechts zu blicken, ihr war zu Mute, als sei sie auf verbotenen
Wegen. -- Gott sei Dank, niemand begegnete ihr! Dann schlüpfte
sie durch eine kleine Pforte in einer Ecke des Hofes, die, wie
sie wußte, auf den Küchengang führte. Hier stand sie nun
klopfenden Herzens und wartete, bis jemand von dem Gesinde
sie bemerken würde.

Ein Mädchen, das aus der Küche kam, sah sie stehen
und forschte, was sie hier wolle. Pauline fragte in schüchternem
Tone nach Fräulein Bumille. Die Bedienstete klopfte an die
nächste Thür. "Mamsell, hier is jemand, der zu Sie will!"
Die Wirtschafterin erschien in der Thür, die Öffnung mit
ihrer stattlichen Figur nahezu ausfüllend.

"Katschners Pauline!" rief sie. "Sieh eins an! Na
Mädel, läßt Du Dich auch mal wieder blicken. Ich sagte noch
gestern -- oder war's vorgestern -- sagte ich: was nur mit
der Pauline sein mag. Und Komtesse Ida hat auch schon
befohlen, wenn Pauline Katschner kommt, soll sie gleich zu ihr
geführt werden, nämlich zur gnädigen Komtesse. Na, da komm'
mal rein zu mir, Mädel!"

Die Dame faßte Pauline ohne weiteres an der Schulter
und schob sie in das Zimmer, dessen sich Pauline von früher
her recht gut entsann; es war die "Mamsellstube". Pauline
mußte sich setzen und erzählen. Für die Bumille war der
Klatsch Lebensbedürfnis. Sie interessierte sich mit seltener
Weitherzigkeit für die intimen Verhältnisse von jedermann;
am liebsten freilich hörte sie Liebesgeschichten.

In der herrschaftlichen Küche stand tagein, tagaus eine
Kaffeekanne am Feuer. Die Mamsell wußte nur zu gut,
welch zungenlösende Wirkung dieser Trank besonders auf ihr
Geschlecht ausübt. Auch vor Pauline wurde heute eine Kanne
aufgesetzt, nebst Kuchen, der ebenfalls für solche Gelegenheiten
stets vorrätig war.

7 *

das Portal flankierten, trugen einen ſteinernen Löwen, der in
aufrechter Haltung dräuend das gräfliche Wappen in ſeinen
Vorderpranken hielt.

Pauline kreuzte dieſen Hof. Sie wagte nicht links noch
rechts zu blicken, ihr war zu Mute, als ſei ſie auf verbotenen
Wegen. — Gott ſei Dank, niemand begegnete ihr! Dann ſchlüpfte
ſie durch eine kleine Pforte in einer Ecke des Hofes, die, wie
ſie wußte, auf den Küchengang führte. Hier ſtand ſie nun
klopfenden Herzens und wartete, bis jemand von dem Geſinde
ſie bemerken würde.

Ein Mädchen, das aus der Küche kam, ſah ſie ſtehen
und forſchte, was ſie hier wolle. Pauline fragte in ſchüchternem
Tone nach Fräulein Bumille. Die Bedienſtete klopfte an die
nächſte Thür. „Mamſell, hier is jemand, der zu Sie will!“
Die Wirtſchafterin erſchien in der Thür, die Öffnung mit
ihrer ſtattlichen Figur nahezu ausfüllend.

„Katſchners Pauline!“ rief ſie. „Sieh eins an! Na
Mädel, läßt Du Dich auch mal wieder blicken. Ich ſagte noch
geſtern — oder war's vorgeſtern — ſagte ich: was nur mit
der Pauline ſein mag. Und Komteſſe Ida hat auch ſchon
befohlen, wenn Pauline Katſchner kommt, ſoll ſie gleich zu ihr
geführt werden, nämlich zur gnädigen Komteſſe. Na, da komm'
mal rein zu mir, Mädel!“

Die Dame faßte Pauline ohne weiteres an der Schulter
und ſchob ſie in das Zimmer, deſſen ſich Pauline von früher
her recht gut entſann; es war die „Mamſellſtube“. Pauline
mußte ſich ſetzen und erzählen. Für die Bumille war der
Klatſch Lebensbedürfnis. Sie intereſſierte ſich mit ſeltener
Weitherzigkeit für die intimen Verhältniſſe von jedermann;
am liebſten freilich hörte ſie Liebesgeſchichten.

In der herrſchaftlichen Küche ſtand tagein, tagaus eine
Kaffeekanne am Feuer. Die Mamſell wußte nur zu gut,
welch zungenlöſende Wirkung dieſer Trank beſonders auf ihr
Geſchlecht ausübt. Auch vor Pauline wurde heute eine Kanne
aufgeſetzt, nebſt Kuchen, der ebenfalls für ſolche Gelegenheiten
ſtets vorrätig war.

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[99/0113] das Portal flankierten, trugen einen ſteinernen Löwen, der in aufrechter Haltung dräuend das gräfliche Wappen in ſeinen Vorderpranken hielt. Pauline kreuzte dieſen Hof. Sie wagte nicht links noch rechts zu blicken, ihr war zu Mute, als ſei ſie auf verbotenen Wegen. — Gott ſei Dank, niemand begegnete ihr! Dann ſchlüpfte ſie durch eine kleine Pforte in einer Ecke des Hofes, die, wie ſie wußte, auf den Küchengang führte. Hier ſtand ſie nun klopfenden Herzens und wartete, bis jemand von dem Geſinde ſie bemerken würde. Ein Mädchen, das aus der Küche kam, ſah ſie ſtehen und forſchte, was ſie hier wolle. Pauline fragte in ſchüchternem Tone nach Fräulein Bumille. Die Bedienſtete klopfte an die nächſte Thür. „Mamſell, hier is jemand, der zu Sie will!“ Die Wirtſchafterin erſchien in der Thür, die Öffnung mit ihrer ſtattlichen Figur nahezu ausfüllend. „Katſchners Pauline!“ rief ſie. „Sieh eins an! Na Mädel, läßt Du Dich auch mal wieder blicken. Ich ſagte noch geſtern — oder war's vorgeſtern — ſagte ich: was nur mit der Pauline ſein mag. Und Komteſſe Ida hat auch ſchon befohlen, wenn Pauline Katſchner kommt, ſoll ſie gleich zu ihr geführt werden, nämlich zur gnädigen Komteſſe. Na, da komm' mal rein zu mir, Mädel!“ Die Dame faßte Pauline ohne weiteres an der Schulter und ſchob ſie in das Zimmer, deſſen ſich Pauline von früher her recht gut entſann; es war die „Mamſellſtube“. Pauline mußte ſich ſetzen und erzählen. Für die Bumille war der Klatſch Lebensbedürfnis. Sie intereſſierte ſich mit ſeltener Weitherzigkeit für die intimen Verhältniſſe von jedermann; am liebſten freilich hörte ſie Liebesgeſchichten. In der herrſchaftlichen Küche ſtand tagein, tagaus eine Kaffeekanne am Feuer. Die Mamſell wußte nur zu gut, welch zungenlöſende Wirkung dieſer Trank beſonders auf ihr Geſchlecht ausübt. Auch vor Pauline wurde heute eine Kanne aufgeſetzt, nebſt Kuchen, der ebenfalls für ſolche Gelegenheiten ſtets vorrätig war. 7 *

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Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/113>, abgerufen am 05.05.2024.