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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

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letzten Minuten wesentlich verschlechtert. Er versetzte einem
Stuhle, der ihm in den Weg kam, einen Fußtritt, daß er in
die äußerste Ecke flog. "Nun haben wir die Bescherung!
Alles wittert so einer aus! alles unterbietet so ein Schuft!
verdirbt uns die Preise, zieht uns die Leute ab, und macht
uns die Kunden abspenstig -- verdirbt die ganze Bevölkerung!
Mit der Ziegelei fängt es an, dann kommt eine Stärkemühle,
oder chemische Bleiche -- was weiß ich! Schließlich ist die
Fabrik am Orte. Und dann Prosit Mahlzeit! Dann können
wir mit der Landwirtschaft einpacken. Wie ist's denn drüben
in Heigelsdorf! Esse an Esse! Die Wässer verdorben, kein
Mensch mehr als Feldarbeiter zu haben; alles läuft in die
Fabrik. So wird's hier auch noch kommen. Ich sehe schon
die infamen Industriespargel am Horizonte. Alles Rauch und
Kohlendunst dann! Na, da kann sich der Graf ja gratulieren,
dann hat er einen Landsitz gehabt!" --

Gustav sagte zu alledem nichts. Im Stillen war er nicht
unzufrieden mit dem Gange der Dinge. Besser konnte es ja
gar nicht kommen. Wenn Herrschaft und Händler sich schlie߬
lich noch um das Bauerngut rissen, dann konnte ja nur sein
Vater dabei gewinnen.

Der Hauptmann blieb abermals vor dem jungen Menschen
stehen, legte ihm vertraulich eine Hand auf die Schulter.
"Nun, sagen Sie mal Büttner! Sie sind doch Unteroffizier
gewesen, und wie mir scheint, ein anständiger Kerl. Soll
denn nun wirklich Ihr alter Vater vom Gute runter, und
der Jude rein?" --

Gustav meinte, mit seinem Willen geschehe das gewiß
nicht. Er fing an, jenen zu durchschauen. Ganz so selbstlos
und großmütig, wie der Herr sich anstellte, war er wohl auch
nicht. Es war schon so, wie der alte Bauer neulich in seinem
Ärger gesagt hatte: den Bauern liebten die Großen, wie die
Katze die Maus. --

"Das darf nicht zugelassen werden!" rief der Hauptmann.
"Das Gut ist schon lange in den Händen Ihrer Familie, wie
ich höre -- nicht wahr? -- Was soll denn werden, wenn so

letzten Minuten weſentlich verſchlechtert. Er verſetzte einem
Stuhle, der ihm in den Weg kam, einen Fußtritt, daß er in
die äußerſte Ecke flog. „Nun haben wir die Beſcherung!
Alles wittert ſo einer aus! alles unterbietet ſo ein Schuft!
verdirbt uns die Preiſe, zieht uns die Leute ab, und macht
uns die Kunden abſpenſtig — verdirbt die ganze Bevölkerung!
Mit der Ziegelei fängt es an, dann kommt eine Stärkemühle,
oder chemiſche Bleiche — was weiß ich! Schließlich iſt die
Fabrik am Orte. Und dann Proſit Mahlzeit! Dann können
wir mit der Landwirtſchaft einpacken. Wie iſt's denn drüben
in Heigelsdorf! Eſſe an Eſſe! Die Wäſſer verdorben, kein
Menſch mehr als Feldarbeiter zu haben; alles läuft in die
Fabrik. So wird's hier auch noch kommen. Ich ſehe ſchon
die infamen Induſtrieſpargel am Horizonte. Alles Rauch und
Kohlendunſt dann! Na, da kann ſich der Graf ja gratulieren,
dann hat er einen Landſitz gehabt!“ —

Guſtav ſagte zu alledem nichts. Im Stillen war er nicht
unzufrieden mit dem Gange der Dinge. Beſſer konnte es ja
gar nicht kommen. Wenn Herrſchaft und Händler ſich ſchlie߬
lich noch um das Bauerngut riſſen, dann konnte ja nur ſein
Vater dabei gewinnen.

Der Hauptmann blieb abermals vor dem jungen Menſchen
ſtehen, legte ihm vertraulich eine Hand auf die Schulter.
„Nun, ſagen Sie mal Büttner! Sie ſind doch Unteroffizier
geweſen, und wie mir ſcheint, ein anſtändiger Kerl. Soll
denn nun wirklich Ihr alter Vater vom Gute runter, und
der Jude rein?“ —

Guſtav meinte, mit ſeinem Willen geſchehe das gewiß
nicht. Er fing an, jenen zu durchſchauen. Ganz ſo ſelbſtlos
und großmütig, wie der Herr ſich anſtellte, war er wohl auch
nicht. Es war ſchon ſo, wie der alte Bauer neulich in ſeinem
Ärger geſagt hatte: den Bauern liebten die Großen, wie die
Katze die Maus. —

„Das darf nicht zugelaſſen werden!“ rief der Hauptmann.
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[189/0203] letzten Minuten weſentlich verſchlechtert. Er verſetzte einem Stuhle, der ihm in den Weg kam, einen Fußtritt, daß er in die äußerſte Ecke flog. „Nun haben wir die Beſcherung! Alles wittert ſo einer aus! alles unterbietet ſo ein Schuft! verdirbt uns die Preiſe, zieht uns die Leute ab, und macht uns die Kunden abſpenſtig — verdirbt die ganze Bevölkerung! Mit der Ziegelei fängt es an, dann kommt eine Stärkemühle, oder chemiſche Bleiche — was weiß ich! Schließlich iſt die Fabrik am Orte. Und dann Proſit Mahlzeit! Dann können wir mit der Landwirtſchaft einpacken. Wie iſt's denn drüben in Heigelsdorf! Eſſe an Eſſe! Die Wäſſer verdorben, kein Menſch mehr als Feldarbeiter zu haben; alles läuft in die Fabrik. So wird's hier auch noch kommen. Ich ſehe ſchon die infamen Induſtrieſpargel am Horizonte. Alles Rauch und Kohlendunſt dann! Na, da kann ſich der Graf ja gratulieren, dann hat er einen Landſitz gehabt!“ — Guſtav ſagte zu alledem nichts. Im Stillen war er nicht unzufrieden mit dem Gange der Dinge. Beſſer konnte es ja gar nicht kommen. Wenn Herrſchaft und Händler ſich ſchlie߬ lich noch um das Bauerngut riſſen, dann konnte ja nur ſein Vater dabei gewinnen. Der Hauptmann blieb abermals vor dem jungen Menſchen ſtehen, legte ihm vertraulich eine Hand auf die Schulter. „Nun, ſagen Sie mal Büttner! Sie ſind doch Unteroffizier geweſen, und wie mir ſcheint, ein anſtändiger Kerl. Soll denn nun wirklich Ihr alter Vater vom Gute runter, und der Jude rein?“ — Guſtav meinte, mit ſeinem Willen geſchehe das gewiß nicht. Er fing an, jenen zu durchſchauen. Ganz ſo ſelbſtlos und großmütig, wie der Herr ſich anſtellte, war er wohl auch nicht. Es war ſchon ſo, wie der alte Bauer neulich in ſeinem Ärger geſagt hatte: den Bauern liebten die Großen, wie die Katze die Maus. — „Das darf nicht zugelaſſen werden!“ rief der Hauptmann. „Das Gut iſt ſchon lange in den Händen Ihrer Familie, wie ich höre — nicht wahr? — Was ſoll denn werden, wenn ſo

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Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/203>, abgerufen am 18.05.2024.