Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

Bild:
<< vorherige Seite

das nicht zeitiger gemerkt hatte! Merkwürdigerweise bildete das
zunächst sein größtes Ärgernis. Höchstwahrscheinlich war es
eine alte Geschichte, stammte womöglich schon von Halbenau
her. Die beiden trieben es schon lange hinter seinem Rücken.
Und er hatte nichts gemerkt! Das erboste ihn geradezu. -- Denen
wollte er den Spaß versalzen und das gehörig!

Und nun mußte er sehen, wie sie sich im Mondschein um¬
armten und küßten. Ernestine warf dem bärtigen Häschke die
Arme um den Nacken und drückte sich an ihn. Das kleine
Ding schien sich auf die Kunst zu verstehen! Wie sie schnäbel¬
ten. -- Hol sie der Teufel! --

Gustavs Gefühle waren äußerst geteilte und verwirrte.
So etwas, wie Eifersucht, regte sich bei ihm. Dann stiegen aus
der Ferne Erinnerungen an verbotenes Liebesglück auf. Was
die da unten thaten, war ja so begreiflich!

Aber, auch der Bruder regte sich in Gustav. Hatte er nicht
für seine Schwester einzustehen? -- Sie war kaum siebzehn Jahre
alt, und Häschke war ein alter Sünder! Hol sie der Teufel
alle beide! Sie hatten ihn schön an der Nase herumgeführt!
Lachten wohl gar da unten über seine Dummheit und machten
ihm lange Nasen, womöglich!

Er sah die beiden jetzt Arm in Arm den Weg nach den
Feldern einschlagen.

Jetzt war es höchste Zeit, etwas zu thun! Gustav erwachte
aus seiner Erstarrung. Er warf sich schnell ein Paar Sachen
über und fuhr in die Stiefeln. Darüber erwachte Pauline.

Sie fragte ihn, wohin er wolle, jetzt, mitten in der Nacht?
Gustav antwortete ihr in barschem Tone, daß jemand ausge¬
stiegen sei. Mit erschreckter Miene, fragte sie: wer?

Er wollte ihr nicht sagen, daß es Ernestine sei, aus einer
Art von Schamgefühl für seine Schwester. Er habe das
Mädchen nicht genau erkennen können, sagte er, aber Häschke
sei dabei gewesen.

Pauline hatte Licht gemacht. Sie stand vor ihm. In ihren
Zügen spiegelten sich Bestürzung und Angst. Sie bat ihn zu
bleiben, versuchte es sogar, ihn zu halten. Er stieß sie von sich.

das nicht zeitiger gemerkt hatte! Merkwürdigerweiſe bildete das
zunächſt ſein größtes Ärgernis. Höchſtwahrſcheinlich war es
eine alte Geſchichte, ſtammte womöglich ſchon von Halbenau
her. Die beiden trieben es ſchon lange hinter ſeinem Rücken.
Und er hatte nichts gemerkt! Das erboſte ihn geradezu. — Denen
wollte er den Spaß verſalzen und das gehörig!

Und nun mußte er ſehen, wie ſie ſich im Mondſchein um¬
armten und küßten. Erneſtine warf dem bärtigen Häſchke die
Arme um den Nacken und drückte ſich an ihn. Das kleine
Ding ſchien ſich auf die Kunſt zu verſtehen! Wie ſie ſchnäbel¬
ten. — Hol ſie der Teufel! —

Guſtavs Gefühle waren äußerſt geteilte und verwirrte.
So etwas, wie Eiferſucht, regte ſich bei ihm. Dann ſtiegen aus
der Ferne Erinnerungen an verbotenes Liebesglück auf. Was
die da unten thaten, war ja ſo begreiflich!

Aber, auch der Bruder regte ſich in Guſtav. Hatte er nicht
für ſeine Schweſter einzuſtehen? — Sie war kaum ſiebzehn Jahre
alt, und Häſchke war ein alter Sünder! Hol ſie der Teufel
alle beide! Sie hatten ihn ſchön an der Naſe herumgeführt!
Lachten wohl gar da unten über ſeine Dummheit und machten
ihm lange Naſen, womöglich!

Er ſah die beiden jetzt Arm in Arm den Weg nach den
Feldern einſchlagen.

Jetzt war es höchſte Zeit, etwas zu thun! Guſtav erwachte
aus ſeiner Erſtarrung. Er warf ſich ſchnell ein Paar Sachen
über und fuhr in die Stiefeln. Darüber erwachte Pauline.

Sie fragte ihn, wohin er wolle, jetzt, mitten in der Nacht?
Guſtav antwortete ihr in barſchem Tone, daß jemand ausge¬
ſtiegen ſei. Mit erſchreckter Miene, fragte ſie: wer?

Er wollte ihr nicht ſagen, daß es Erneſtine ſei, aus einer
Art von Schamgefühl für ſeine Schweſter. Er habe das
Mädchen nicht genau erkennen können, ſagte er, aber Häſchke
ſei dabei geweſen.

Pauline hatte Licht gemacht. Sie ſtand vor ihm. In ihren
Zügen ſpiegelten ſich Beſtürzung und Angſt. Sie bat ihn zu
bleiben, verſuchte es ſogar, ihn zu halten. Er ſtieß ſie von ſich.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0333" n="319"/>
das nicht zeitiger gemerkt hatte! Merkwürdigerwei&#x017F;e bildete das<lb/>
zunäch&#x017F;t &#x017F;ein größtes Ärgernis. Höch&#x017F;twahr&#x017F;cheinlich war es<lb/>
eine alte Ge&#x017F;chichte, &#x017F;tammte womöglich &#x017F;chon von Halbenau<lb/>
her. Die beiden trieben es &#x017F;chon lange hinter &#x017F;einem Rücken.<lb/>
Und er hatte nichts gemerkt! Das erbo&#x017F;te ihn geradezu. &#x2014; Denen<lb/>
wollte er den Spaß ver&#x017F;alzen und das gehörig!</p><lb/>
          <p>Und nun mußte er &#x017F;ehen, wie &#x017F;ie &#x017F;ich im Mond&#x017F;chein um¬<lb/>
armten und küßten. Erne&#x017F;tine warf dem bärtigen Hä&#x017F;chke die<lb/>
Arme um den Nacken und drückte &#x017F;ich an ihn. Das kleine<lb/>
Ding &#x017F;chien &#x017F;ich auf die Kun&#x017F;t zu ver&#x017F;tehen! Wie &#x017F;ie &#x017F;chnäbel¬<lb/>
ten. &#x2014; Hol &#x017F;ie der Teufel! &#x2014;</p><lb/>
          <p>Gu&#x017F;tavs Gefühle waren äußer&#x017F;t geteilte und verwirrte.<lb/>
So etwas, wie Eifer&#x017F;ucht, regte &#x017F;ich bei ihm. Dann &#x017F;tiegen aus<lb/>
der Ferne Erinnerungen an verbotenes Liebesglück auf. Was<lb/>
die da unten thaten, war ja &#x017F;o begreiflich!</p><lb/>
          <p>Aber, auch der Bruder regte &#x017F;ich in Gu&#x017F;tav. Hatte er nicht<lb/>
für &#x017F;eine Schwe&#x017F;ter einzu&#x017F;tehen? &#x2014; Sie war kaum &#x017F;iebzehn Jahre<lb/>
alt, und Hä&#x017F;chke war ein alter Sünder! Hol &#x017F;ie der Teufel<lb/>
alle beide! Sie hatten ihn &#x017F;chön an der Na&#x017F;e herumgeführt!<lb/>
Lachten wohl gar da unten über &#x017F;eine Dummheit und machten<lb/>
ihm lange Na&#x017F;en, womöglich!</p><lb/>
          <p>Er &#x017F;ah die beiden jetzt Arm in Arm den Weg nach den<lb/>
Feldern ein&#x017F;chlagen.</p><lb/>
          <p>Jetzt war es höch&#x017F;te Zeit, etwas zu thun! Gu&#x017F;tav erwachte<lb/>
aus &#x017F;einer Er&#x017F;tarrung. Er warf &#x017F;ich &#x017F;chnell ein Paar Sachen<lb/>
über und fuhr in die Stiefeln. Darüber erwachte Pauline.</p><lb/>
          <p>Sie fragte ihn, wohin er wolle, jetzt, mitten in der Nacht?<lb/>
Gu&#x017F;tav antwortete ihr in bar&#x017F;chem Tone, daß jemand ausge¬<lb/>
&#x017F;tiegen &#x017F;ei. Mit er&#x017F;chreckter Miene, fragte &#x017F;ie: wer?</p><lb/>
          <p>Er wollte ihr nicht &#x017F;agen, daß es Erne&#x017F;tine &#x017F;ei, aus einer<lb/>
Art von Schamgefühl für &#x017F;eine Schwe&#x017F;ter. Er habe das<lb/>
Mädchen nicht genau erkennen können, &#x017F;agte er, aber Hä&#x017F;chke<lb/>
&#x017F;ei dabei gewe&#x017F;en.</p><lb/>
          <p>Pauline hatte Licht gemacht. Sie &#x017F;tand vor ihm. In ihren<lb/>
Zügen &#x017F;piegelten &#x017F;ich Be&#x017F;türzung und Ang&#x017F;t. Sie bat ihn zu<lb/>
bleiben, ver&#x017F;uchte es &#x017F;ogar, ihn zu halten. Er &#x017F;tieß &#x017F;ie von &#x017F;ich.<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[319/0333] das nicht zeitiger gemerkt hatte! Merkwürdigerweiſe bildete das zunächſt ſein größtes Ärgernis. Höchſtwahrſcheinlich war es eine alte Geſchichte, ſtammte womöglich ſchon von Halbenau her. Die beiden trieben es ſchon lange hinter ſeinem Rücken. Und er hatte nichts gemerkt! Das erboſte ihn geradezu. — Denen wollte er den Spaß verſalzen und das gehörig! Und nun mußte er ſehen, wie ſie ſich im Mondſchein um¬ armten und küßten. Erneſtine warf dem bärtigen Häſchke die Arme um den Nacken und drückte ſich an ihn. Das kleine Ding ſchien ſich auf die Kunſt zu verſtehen! Wie ſie ſchnäbel¬ ten. — Hol ſie der Teufel! — Guſtavs Gefühle waren äußerſt geteilte und verwirrte. So etwas, wie Eiferſucht, regte ſich bei ihm. Dann ſtiegen aus der Ferne Erinnerungen an verbotenes Liebesglück auf. Was die da unten thaten, war ja ſo begreiflich! Aber, auch der Bruder regte ſich in Guſtav. Hatte er nicht für ſeine Schweſter einzuſtehen? — Sie war kaum ſiebzehn Jahre alt, und Häſchke war ein alter Sünder! Hol ſie der Teufel alle beide! Sie hatten ihn ſchön an der Naſe herumgeführt! Lachten wohl gar da unten über ſeine Dummheit und machten ihm lange Naſen, womöglich! Er ſah die beiden jetzt Arm in Arm den Weg nach den Feldern einſchlagen. Jetzt war es höchſte Zeit, etwas zu thun! Guſtav erwachte aus ſeiner Erſtarrung. Er warf ſich ſchnell ein Paar Sachen über und fuhr in die Stiefeln. Darüber erwachte Pauline. Sie fragte ihn, wohin er wolle, jetzt, mitten in der Nacht? Guſtav antwortete ihr in barſchem Tone, daß jemand ausge¬ ſtiegen ſei. Mit erſchreckter Miene, fragte ſie: wer? Er wollte ihr nicht ſagen, daß es Erneſtine ſei, aus einer Art von Schamgefühl für ſeine Schweſter. Er habe das Mädchen nicht genau erkennen können, ſagte er, aber Häſchke ſei dabei geweſen. Pauline hatte Licht gemacht. Sie ſtand vor ihm. In ihren Zügen ſpiegelten ſich Beſtürzung und Angſt. Sie bat ihn zu bleiben, verſuchte es ſogar, ihn zu halten. Er ſtieß ſie von ſich.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/333
Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 319. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/333>, abgerufen am 22.05.2024.