Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

Bild:
<< vorherige Seite

An den Stiefeln und Röcken klebte das Erdreich. Selbst die
ordentlichsten Mädchen konnten jetzt nicht mehr reinlich zur
Arbeit antreten.

Es hatte sich der geplagten Menschenkinder eine große
Sehnsucht nach der Heimat bemächtigt. Man setzte dem Auf¬
seher zu, daß er um baldige Entlassung aus dem Dienst ein¬
kommen solle.

Im Kontrakte war ein Termin nicht genannt; es stand
darin nur, daß die Wanderarbeiter bis zur Beendigung der
Rübenernte zu bleiben hätten.

Die Ausbeute war in diesem Jahre reichlich gewesen: die
Köpfe groß und schwer; die Pflanzen hatten nur wenig durch
Auswachsen und Faulwerden gelitten. Das Gut mußte, laut
Kontrakt, ein bestimmtes Quantum Rüben an die Fabrik liefern.
Diese Bedingung war erfüllt. Der Rest der Rübenernte sollte
eingemietet werden. Hierzu waren die Weiber nicht nötig;
das Bewerfen der Rübenmieten mit Erde besorgten besser starke
Männerhände.

Der Inspektor erklärte, auf Gustavs Ansuchen, sie zu ent¬
lassen: Herr Hallstädt gestatte den Mädchen heimzukehren, die
Männer jedoch müßten bleiben, bis die letzte Rübe einge¬
mietet sei.

Gleichzeitig wurde von Seiten der Gutsverwaltung der
Versuch gemacht, Gustav mit seinen Leuten für den nächsten
Sommer anzuwerben. Der Inspektor ließ sich zu leutseligem
Wesen herab, als er mit diesem Ansinnen kam. Statt des
hochfahrenden Vorgesetztentones, den er bisher den Wander¬
arbeitern gegenüber gehabt, schlug er auf einmal mildere Weisen
an, suchte sich dem Aufseher gegenüber als Kamerad auf¬
zuspielen.

Aber bei Gustav verfingen diese Künste nicht. Er hatte
das zweideutige Verhalten des Mannes, der sich jetzt als
Arbeiterfreund gab, von der Ausstandszeit her noch zu gut
im Gedächtnis; auch wünschte er sich keinen zweiten Sommer,
wie diesen. Er lehnte daher das Anerbieten rundweg ab.

So reisten denn die Mädchen in ihre Heimat zurück.

An den Stiefeln und Röcken klebte das Erdreich. Selbſt die
ordentlichſten Mädchen konnten jetzt nicht mehr reinlich zur
Arbeit antreten.

Es hatte ſich der geplagten Menſchenkinder eine große
Sehnſucht nach der Heimat bemächtigt. Man ſetzte dem Auf¬
ſeher zu, daß er um baldige Entlaſſung aus dem Dienſt ein¬
kommen ſolle.

Im Kontrakte war ein Termin nicht genannt; es ſtand
darin nur, daß die Wanderarbeiter bis zur Beendigung der
Rübenernte zu bleiben hätten.

Die Ausbeute war in dieſem Jahre reichlich geweſen: die
Köpfe groß und ſchwer; die Pflanzen hatten nur wenig durch
Auswachſen und Faulwerden gelitten. Das Gut mußte, laut
Kontrakt, ein beſtimmtes Quantum Rüben an die Fabrik liefern.
Dieſe Bedingung war erfüllt. Der Reſt der Rübenernte ſollte
eingemietet werden. Hierzu waren die Weiber nicht nötig;
das Bewerfen der Rübenmieten mit Erde beſorgten beſſer ſtarke
Männerhände.

Der Inſpektor erklärte, auf Guſtavs Anſuchen, ſie zu ent¬
laſſen: Herr Hallſtädt geſtatte den Mädchen heimzukehren, die
Männer jedoch müßten bleiben, bis die letzte Rübe einge¬
mietet ſei.

Gleichzeitig wurde von Seiten der Gutsverwaltung der
Verſuch gemacht, Guſtav mit ſeinen Leuten für den nächſten
Sommer anzuwerben. Der Inſpektor ließ ſich zu leutſeligem
Weſen herab, als er mit dieſem Anſinnen kam. Statt des
hochfahrenden Vorgeſetztentones, den er bisher den Wander¬
arbeitern gegenüber gehabt, ſchlug er auf einmal mildere Weiſen
an, ſuchte ſich dem Aufſeher gegenüber als Kamerad auf¬
zuſpielen.

Aber bei Guſtav verfingen dieſe Künſte nicht. Er hatte
das zweideutige Verhalten des Mannes, der ſich jetzt als
Arbeiterfreund gab, von der Ausſtandszeit her noch zu gut
im Gedächtnis; auch wünſchte er ſich keinen zweiten Sommer,
wie dieſen. Er lehnte daher das Anerbieten rundweg ab.

So reiſten denn die Mädchen in ihre Heimat zurück.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0371" n="357"/>
An den Stiefeln und Röcken klebte das Erdreich. Selb&#x017F;t die<lb/>
ordentlich&#x017F;ten Mädchen konnten jetzt nicht mehr reinlich zur<lb/>
Arbeit antreten.</p><lb/>
          <p>Es hatte &#x017F;ich der geplagten Men&#x017F;chenkinder eine große<lb/>
Sehn&#x017F;ucht nach der Heimat bemächtigt. Man &#x017F;etzte dem Auf¬<lb/>
&#x017F;eher zu, daß er um baldige Entla&#x017F;&#x017F;ung aus dem Dien&#x017F;t ein¬<lb/>
kommen &#x017F;olle.</p><lb/>
          <p>Im Kontrakte war ein Termin nicht genannt; es &#x017F;tand<lb/>
darin nur, daß die Wanderarbeiter bis zur Beendigung der<lb/>
Rübenernte zu bleiben hätten.</p><lb/>
          <p>Die Ausbeute war in die&#x017F;em Jahre reichlich gewe&#x017F;en: die<lb/>
Köpfe groß und &#x017F;chwer; die Pflanzen hatten nur wenig durch<lb/>
Auswach&#x017F;en und Faulwerden gelitten. Das Gut mußte, laut<lb/>
Kontrakt, ein be&#x017F;timmtes Quantum Rüben an die Fabrik liefern.<lb/>
Die&#x017F;e Bedingung war erfüllt. Der Re&#x017F;t der Rübenernte &#x017F;ollte<lb/>
eingemietet werden. Hierzu waren die Weiber nicht nötig;<lb/>
das Bewerfen der Rübenmieten mit Erde be&#x017F;orgten be&#x017F;&#x017F;er &#x017F;tarke<lb/>
Männerhände.</p><lb/>
          <p>Der In&#x017F;pektor erklärte, auf Gu&#x017F;tavs An&#x017F;uchen, &#x017F;ie zu ent¬<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en: Herr Hall&#x017F;tädt ge&#x017F;tatte den Mädchen heimzukehren, die<lb/>
Männer jedoch müßten bleiben, bis die letzte Rübe einge¬<lb/>
mietet &#x017F;ei.</p><lb/>
          <p>Gleichzeitig wurde von Seiten der Gutsverwaltung der<lb/>
Ver&#x017F;uch gemacht, Gu&#x017F;tav mit &#x017F;einen Leuten für den näch&#x017F;ten<lb/>
Sommer anzuwerben. Der In&#x017F;pektor ließ &#x017F;ich zu leut&#x017F;eligem<lb/>
We&#x017F;en herab, als er mit die&#x017F;em An&#x017F;innen kam. Statt des<lb/>
hochfahrenden Vorge&#x017F;etztentones, den er bisher den Wander¬<lb/>
arbeitern gegenüber gehabt, &#x017F;chlug er auf einmal mildere Wei&#x017F;en<lb/>
an, &#x017F;uchte &#x017F;ich dem Auf&#x017F;eher gegenüber als Kamerad auf¬<lb/>
zu&#x017F;pielen.</p><lb/>
          <p>Aber bei Gu&#x017F;tav verfingen die&#x017F;e Kün&#x017F;te nicht. Er hatte<lb/>
das zweideutige Verhalten des Mannes, der &#x017F;ich jetzt als<lb/>
Arbeiterfreund gab, von der Aus&#x017F;tandszeit her noch zu gut<lb/>
im Gedächtnis; auch wün&#x017F;chte er &#x017F;ich keinen zweiten Sommer,<lb/>
wie die&#x017F;en. Er lehnte daher das Anerbieten rundweg ab.</p><lb/>
          <p>So rei&#x017F;ten denn die Mädchen in ihre Heimat zurück.<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[357/0371] An den Stiefeln und Röcken klebte das Erdreich. Selbſt die ordentlichſten Mädchen konnten jetzt nicht mehr reinlich zur Arbeit antreten. Es hatte ſich der geplagten Menſchenkinder eine große Sehnſucht nach der Heimat bemächtigt. Man ſetzte dem Auf¬ ſeher zu, daß er um baldige Entlaſſung aus dem Dienſt ein¬ kommen ſolle. Im Kontrakte war ein Termin nicht genannt; es ſtand darin nur, daß die Wanderarbeiter bis zur Beendigung der Rübenernte zu bleiben hätten. Die Ausbeute war in dieſem Jahre reichlich geweſen: die Köpfe groß und ſchwer; die Pflanzen hatten nur wenig durch Auswachſen und Faulwerden gelitten. Das Gut mußte, laut Kontrakt, ein beſtimmtes Quantum Rüben an die Fabrik liefern. Dieſe Bedingung war erfüllt. Der Reſt der Rübenernte ſollte eingemietet werden. Hierzu waren die Weiber nicht nötig; das Bewerfen der Rübenmieten mit Erde beſorgten beſſer ſtarke Männerhände. Der Inſpektor erklärte, auf Guſtavs Anſuchen, ſie zu ent¬ laſſen: Herr Hallſtädt geſtatte den Mädchen heimzukehren, die Männer jedoch müßten bleiben, bis die letzte Rübe einge¬ mietet ſei. Gleichzeitig wurde von Seiten der Gutsverwaltung der Verſuch gemacht, Guſtav mit ſeinen Leuten für den nächſten Sommer anzuwerben. Der Inſpektor ließ ſich zu leutſeligem Weſen herab, als er mit dieſem Anſinnen kam. Statt des hochfahrenden Vorgeſetztentones, den er bisher den Wander¬ arbeitern gegenüber gehabt, ſchlug er auf einmal mildere Weiſen an, ſuchte ſich dem Aufſeher gegenüber als Kamerad auf¬ zuſpielen. Aber bei Guſtav verfingen dieſe Künſte nicht. Er hatte das zweideutige Verhalten des Mannes, der ſich jetzt als Arbeiterfreund gab, von der Ausſtandszeit her noch zu gut im Gedächtnis; auch wünſchte er ſich keinen zweiten Sommer, wie dieſen. Er lehnte daher das Anerbieten rundweg ab. So reiſten denn die Mädchen in ihre Heimat zurück.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/371
Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 357. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/371>, abgerufen am 07.05.2024.