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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

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Und zu denken, daß dieser Mensch alles das nur dadurch
erreicht hatte, daß er eine Tochter aus dem Büttnerschen Gute
geheiratet! --

Der alte Bauer gab sich trüben Gedanken hin, nachdem
der erste Ärger verflogen war. Wie war das alles nur so
über ihn und seine Familie gekommen! -- Es war doch keine
Gerechtigkeit in der Welt! Der Pastor mochte von der Kanzel
herab sagen, was er wollte: die schlechten Menschen fänden
schon hier auf Erden ihre Strafe, und die guten ihren Lohn;
für ihn und die Seinen stimmte das nicht. Da war es eher
umgekehrt. -- Es gab keine Gerechtigkeit auf der Welt!


Das Büttnersche Gut war eine der ältesten spannfähigen
Stellen im Orte. Es war, wie die Kirchenbuchnachrichten aus¬
wiesen, stets mit Leuten dieses Namens besetzt gewesen. Lange
vor dem großen Kriege schon hatten die Büttners dem Dorfe
mehrere Schulzen geschenkt. Und unter den alten Grabsteinen
auf dem Kirchhofe war mancher, der diesen Namen aufwies.

Während des dreißigjährigen Krieges, wo Halbenau und
Umgegend mehrfach arg mitgenommen wurden, war mit dem
"großen Sterben" auch die Büttnersche Familie bis auf vier
Augen ausgestorben. Seitdem gab es nur noch diesen einen
Zweig in Halbenau. Nicht, daß es der Familie an Nachwuchs
gefehlt hätte! aber, entweder heirateten die jüngeren Söhne
nicht, oder wenn sie eigene Familien begründet hatten, blieben
sie doch mit Frau und Kind auf dem Hofe ihrer Väter, halfen
bei der Bestellung und arbeiteten die Frondienste für den
Grundherrn ab. Die Kinder mußten, wie üblich, der Guts¬
herrschaft zum Zwangsgesindedienst angeboten werden. Man
befand sich ja nicht auf eigenem Grund und Boden; der
Gutsherr hatte die Obrigkeit und besaß Verfügungsrecht über
Land und Leib seiner Unterthanen. Aber, die besondere Stellung
der Büttnerschen Familie, ihre Tüchtigkeit und Nützlichkeit, war
auch von Seiten der Gutsherrschaft respektiert worden. Niemals
war einer aus diesem Gute, wie es in der Zeit der Erbunter¬

Und zu denken, daß dieſer Menſch alles das nur dadurch
erreicht hatte, daß er eine Tochter aus dem Büttnerſchen Gute
geheiratet! —

Der alte Bauer gab ſich trüben Gedanken hin, nachdem
der erſte Ärger verflogen war. Wie war das alles nur ſo
über ihn und ſeine Familie gekommen! — Es war doch keine
Gerechtigkeit in der Welt! Der Paſtor mochte von der Kanzel
herab ſagen, was er wollte: die ſchlechten Menſchen fänden
ſchon hier auf Erden ihre Strafe, und die guten ihren Lohn;
für ihn und die Seinen ſtimmte das nicht. Da war es eher
umgekehrt. — Es gab keine Gerechtigkeit auf der Welt!


Das Büttnerſche Gut war eine der älteſten ſpannfähigen
Stellen im Orte. Es war, wie die Kirchenbuchnachrichten aus¬
wieſen, ſtets mit Leuten dieſes Namens beſetzt geweſen. Lange
vor dem großen Kriege ſchon hatten die Büttners dem Dorfe
mehrere Schulzen geſchenkt. Und unter den alten Grabſteinen
auf dem Kirchhofe war mancher, der dieſen Namen aufwies.

Während des dreißigjährigen Krieges, wo Halbenau und
Umgegend mehrfach arg mitgenommen wurden, war mit dem
„großen Sterben“ auch die Büttnerſche Familie bis auf vier
Augen ausgeſtorben. Seitdem gab es nur noch dieſen einen
Zweig in Halbenau. Nicht, daß es der Familie an Nachwuchs
gefehlt hätte! aber, entweder heirateten die jüngeren Söhne
nicht, oder wenn ſie eigene Familien begründet hatten, blieben
ſie doch mit Frau und Kind auf dem Hofe ihrer Väter, halfen
bei der Beſtellung und arbeiteten die Frondienſte für den
Grundherrn ab. Die Kinder mußten, wie üblich, der Guts¬
herrſchaft zum Zwangsgeſindedienſt angeboten werden. Man
befand ſich ja nicht auf eigenem Grund und Boden; der
Gutsherr hatte die Obrigkeit und beſaß Verfügungsrecht über
Land und Leib ſeiner Unterthanen. Aber, die beſondere Stellung
der Büttnerſchen Familie, ihre Tüchtigkeit und Nützlichkeit, war
auch von Seiten der Gutsherrſchaft reſpektiert worden. Niemals
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[37/0051] Und zu denken, daß dieſer Menſch alles das nur dadurch erreicht hatte, daß er eine Tochter aus dem Büttnerſchen Gute geheiratet! — Der alte Bauer gab ſich trüben Gedanken hin, nachdem der erſte Ärger verflogen war. Wie war das alles nur ſo über ihn und ſeine Familie gekommen! — Es war doch keine Gerechtigkeit in der Welt! Der Paſtor mochte von der Kanzel herab ſagen, was er wollte: die ſchlechten Menſchen fänden ſchon hier auf Erden ihre Strafe, und die guten ihren Lohn; für ihn und die Seinen ſtimmte das nicht. Da war es eher umgekehrt. — Es gab keine Gerechtigkeit auf der Welt! Das Büttnerſche Gut war eine der älteſten ſpannfähigen Stellen im Orte. Es war, wie die Kirchenbuchnachrichten aus¬ wieſen, ſtets mit Leuten dieſes Namens beſetzt geweſen. Lange vor dem großen Kriege ſchon hatten die Büttners dem Dorfe mehrere Schulzen geſchenkt. Und unter den alten Grabſteinen auf dem Kirchhofe war mancher, der dieſen Namen aufwies. Während des dreißigjährigen Krieges, wo Halbenau und Umgegend mehrfach arg mitgenommen wurden, war mit dem „großen Sterben“ auch die Büttnerſche Familie bis auf vier Augen ausgeſtorben. Seitdem gab es nur noch dieſen einen Zweig in Halbenau. Nicht, daß es der Familie an Nachwuchs gefehlt hätte! aber, entweder heirateten die jüngeren Söhne nicht, oder wenn ſie eigene Familien begründet hatten, blieben ſie doch mit Frau und Kind auf dem Hofe ihrer Väter, halfen bei der Beſtellung und arbeiteten die Frondienſte für den Grundherrn ab. Die Kinder mußten, wie üblich, der Guts¬ herrſchaft zum Zwangsgeſindedienſt angeboten werden. Man befand ſich ja nicht auf eigenem Grund und Boden; der Gutsherr hatte die Obrigkeit und beſaß Verfügungsrecht über Land und Leib ſeiner Unterthanen. Aber, die beſondere Stellung der Büttnerſchen Familie, ihre Tüchtigkeit und Nützlichkeit, war auch von Seiten der Gutsherrſchaft reſpektiert worden. Niemals war einer aus dieſem Gute, wie es in der Zeit der Erbunter¬

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Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/51>, abgerufen am 29.04.2024.