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Pomet, Peter: Der aufrichtige Materialist und Specerey-Händler. Leipzig, 1717.

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Der Spezereyen und Materialien
[Spaltenumbruch] so lange nämlich die Hebräer in der Wü-
sten verharreten, anhielt. Das Volck
stund anfangs bestürtzt, wie es sahe, daß
die Erde über und über gleichsam wie
mit Korne, das ihnen zur Zeit unbe-
kannt war, bedecket lag: und lehret uns
die Schrift, daß sie, als die da nicht wu-
sten, was es war, für Verwunderung
aufgeschrien, Man hu, was ist das? Allein
Moses lehrete sie, daß GOtt vom Him-
mel es ihnen sendete, und befahl, daß sie
alle Morgen vor der Sonnen Aufgang
kommen, und diese göttliche Speise
sammlen solten, dieweil es keine Zeit
mehr sey, das Manna zu sammlen,
wenn der Tag ein wenig hoch worden,
denn es kurtz darauf, nach dem die Son-
ne aufgegangen, zerschmoltze. Auch
gebot ihnen Moses, nichts davon aufzu-
heben, bis auf den andern Tag, und sag-
te, damit sie den Sabbath desto heiliger
beobachten könten, möchten sie des
Tags vorher für zwey Tage sammlen,
denn es würde nicht verderben, was sie
für den Sabbath gesammlet hätten, wie
dasjenige, welches sie sonsten bis auf den
andern Tag aufbehalten wolten. Die-
ses ist gantz gewiß, und keine Schwierig-
keit dabey, allermassen es der heilige
Text im 16. Cap. des IIten Buches Mose
ausdrücklich bezeuget.

Dennoch aber kommen die Ausleger,
so Christen, als Juden, das Manna be-
treffend, in vielen Stücken gar nicht mit
einander überein.

Bald anfangs entzweyen sie sich über
der Etymologie, und dem Namen des
Manna: und wollen etliche, es komme
von den Ebräischen Worten, Man hu,
her, welche die Jüden gesprochen, da sie
die Erde mit kleinen weissen Körnern be-
decket ersehen, so die Nacht hindurch ge-
fallen waren. Jmmittelst sind andere,
und unter denen auch Buxtorff, wel-
che sagen, Manna bedeute soviel als ei-
ne bereitete Speise: als wolten sie sa-
gen, eine Speise, welche GOtt selbst für
sein Volck zugerichtet.

Noch viel weniger eins sind sie wegen
der Natur der Sache selbst. Denn vie-
le behaupten die Manna sey eben die
Manna, deren man sich in der Artzney
zum purgiren bedienet, das ist, ein li-
quor
und Saft, welcher wie der Thau
fällt, und als wie kleine Körnlein, dem
Coriandersamen nicht ungleich, zusam-
[Spaltenumbruch] menfrieret: welcher Meinung Käyser
Carls des Vten Leibmedicus, Vale-
sius,
gewesen. Der sehr gelehrte Jesuit,
Cornelius a Lapide gedencket in sei-
nem Commentar. über das II. Buch Mo-
se, daß er in Polen kleine Körner, als
wie Hirsekörner gesehen, welche ein
wenig länglicht und röthlicht gewesen,
und bey heitern Nächten im Heu- und
Brachmonat zu fallen pflegten: daß er
auch einen Brey oder Mus davon ge-
gessen habe, der eben also geschmecket, ob
wäre er von Heidekorn gemacht gewe-
sen. Welches gleichfalls einer von mei-
nen guten Freunden bekräftiget, der sich
geraume Zeit in Polen, und sonderlich
gegen Schlesien zu, aufgehalten, wo-
selbst dieser Thau in grosser Menge fällt.
Jch selbst kan versichern, daß ich auch
im obern Delphinat/ unten am Ber-
ge Genevre dergleichen Manna die
Menge, früh um vier Uhr, gesehen, die
ich erstlich für Reiff gehalten; nachdem
ich sie aber gekostet, erkannte ich an dem
zuckersüssen Geschmack, daß es Thau
sey, demjenigen gleich, dessen die heilige
Schrifft gedencket, denn so bald die Son-
ne aufgieng, zerschmoltze er.

Hingegen sagen diejenigen, welche
erachten, daß das Manna, damit GOtt
die Jüden in der Wüste ernähret, nicht
von derselbigen Art gewesen, die man
zur Artzney brauchet; dann, alles was
purgire, mache den Menschen matt und
schwach, gäbe aber keine Nahrung. De-
nen antwortet Voßius auf diesen Ein-
wurff: die Manna in der Wüsten sey
von der Manna, die man zur Artzney
braucht, nicht der Natur nach, sondern
nur was die accidentia und zufällige
Dinge belanget, unterschieden gewesen.
Dieser Unterschied aber sey von der Zu-
richtung entstanden, welche die Engel
gemacht hätten, indem sie diesen Thau
gehärtet und gekörnet, und dadurch die
Dünste, mit denen die gemeine Manna
erfüllet sey, davon abgesondert, damit
ein dichtes Brod und Mus, gleich als
wie aus dem Thau, der im Heu- und
Brachmonat in Polen fällt, daraus be-
reitet werden konte. Hernachmahls
kan der stetige Gebrauch einer Artzney
gar wohl verhindern, daß dieselbige ihre
ordentliche Wirckung nicht thue. Hat
man nicht Leute gesehen, welche sich von
dem heftigsten Gifte genähret, weil sie

densel-

Der Spezereyen und Materialien
[Spaltenumbruch] ſo lange naͤmlich die Hebraͤer in der Wuͤ-
ſten verharreten, anhielt. Das Volck
ſtund anfangs beſtuͤrtzt, wie es ſahe, daß
die Erde uͤber und uͤber gleichſam wie
mit Korne, das ihnen zur Zeit unbe-
kannt war, bedecket lag: und lehret uns
die Schrift, daß ſie, als die da nicht wu-
ſten, was es war, fuͤr Verwunderung
aufgeſchrien, Man hu, was iſt das? Allein
Moſes lehrete ſie, daß GOtt vom Him-
mel es ihnen ſendete, und befahl, daß ſie
alle Morgen vor der Sonnen Aufgang
kommen, und dieſe goͤttliche Speiſe
ſammlen ſolten, dieweil es keine Zeit
mehr ſey, das Manna zu ſammlen,
wenn der Tag ein wenig hoch worden,
denn es kurtz darauf, nach dem die Son-
ne aufgegangen, zerſchmoltze. Auch
gebot ihnen Moſes, nichts davon aufzu-
heben, bis auf den andern Tag, und ſag-
te, damit ſie den Sabbath deſto heiliger
beobachten koͤnten, moͤchten ſie des
Tags vorher fuͤr zwey Tage ſammlen,
denn es wuͤrde nicht verderben, was ſie
fuͤr den Sabbath geſammlet haͤtten, wie
dasjenige, welches ſie ſonſten bis auf den
andern Tag aufbehalten wolten. Die-
ſes iſt gantz gewiß, und keine Schwierig-
keit dabey, allermaſſen es der heilige
Text im 16. Cap. des IIten Buches Moſe
ausdruͤcklich bezeuget.

Dennoch aber kommen die Ausleger,
ſo Chriſten, als Juden, das Manna be-
treffend, in vielen Stuͤcken gar nicht mit
einander uͤberein.

Bald anfangs entzweyen ſie ſich uͤber
der Etymologie, und dem Namen des
Manna: und wollen etliche, es komme
von den Ebraͤiſchen Worten, Man hu,
her, welche die Juͤden geſprochen, da ſie
die Erde mit kleinen weiſſen Koͤrnern be-
decket erſehen, ſo die Nacht hindurch ge-
fallen waren. Jmmittelſt ſind andere,
und unter denen auch Buxtorff, wel-
che ſagen, Manna bedeute ſoviel als ei-
ne bereitete Speiſe: als wolten ſie ſa-
gen, eine Speiſe, welche GOtt ſelbſt fuͤr
ſein Volck zugerichtet.

Noch viel weniger eins ſind ſie wegen
der Natur der Sache ſelbſt. Denn vie-
le behaupten die Manna ſey eben die
Manna, deren man ſich in der Artzney
zum purgiren bedienet, das iſt, ein li-
quor
und Saft, welcher wie der Thau
faͤllt, und als wie kleine Koͤrnlein, dem
Corianderſamen nicht ungleich, zuſam-
[Spaltenumbruch] menfrieret: welcher Meinung Kaͤyſer
Carls des Vten Leibmedicus, Vale-
ſius,
geweſen. Der ſehr gelehrte Jeſuit,
Cornelius a Lapide gedencket in ſei-
nem Commentar. uͤber das II. Buch Mo-
ſe, daß er in Polen kleine Koͤrner, als
wie Hirſekoͤrner geſehen, welche ein
wenig laͤnglicht und roͤthlicht geweſen,
und bey heitern Naͤchten im Heu- und
Brachmonat zu fallen pflegten: daß er
auch einen Brey oder Mus davon ge-
geſſen habe, der eben alſo geſchmecket, ob
waͤre er von Heidekorn gemacht gewe-
ſen. Welches gleichfalls einer von mei-
nen guten Freunden bekraͤftiget, der ſich
geraume Zeit in Polen, und ſonderlich
gegen Schleſien zu, aufgehalten, wo-
ſelbſt dieſer Thau in groſſer Menge faͤllt.
Jch ſelbſt kan verſichern, daß ich auch
im obern Delphinat/ unten am Ber-
ge Genevre dergleichen Manna die
Menge, fruͤh um vier Uhr, geſehen, die
ich erſtlich fuͤr Reiff gehalten; nachdem
ich ſie aber gekoſtet, erkannte ich an dem
zuckerſuͤſſen Geſchmack, daß es Thau
ſey, demjenigen gleich, deſſen die heilige
Schrifft gedencket, denn ſo bald die Son-
ne aufgieng, zerſchmoltze er.

Hingegen ſagen diejenigen, welche
erachten, daß das Manna, damit GOtt
die Juͤden in der Wuͤſte ernaͤhret, nicht
von derſelbigen Art geweſen, die man
zur Artzney brauchet; dann, alles was
purgire, mache den Menſchen matt und
ſchwach, gaͤbe aber keine Nahrung. De-
nen antwortet Voßius auf dieſen Ein-
wurff: die Manna in der Wuͤſten ſey
von der Manna, die man zur Artzney
braucht, nicht der Natur nach, ſondern
nur was die accidentia und zufaͤllige
Dinge belanget, unterſchieden geweſen.
Dieſer Unterſchied aber ſey von der Zu-
richtung entſtanden, welche die Engel
gemacht haͤtten, indem ſie dieſen Thau
gehaͤrtet und gekoͤrnet, und dadurch die
Duͤnſte, mit denen die gemeine Manna
erfuͤllet ſey, davon abgeſondert, damit
ein dichtes Brod und Mus, gleich als
wie aus dem Thau, der im Heu- und
Brachmonat in Polen faͤllt, daraus be-
reitet werden konte. Hernachmahls
kan der ſtetige Gebrauch einer Artzney
gar wohl verhindern, daß dieſelbige ihre
ordentliche Wirckung nicht thue. Hat
man nicht Leute geſehen, welche ſich von
dem heftigſten Gifte genaͤhret, weil ſie

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[0284] Der Spezereyen und Materialien ſo lange naͤmlich die Hebraͤer in der Wuͤ- ſten verharreten, anhielt. Das Volck ſtund anfangs beſtuͤrtzt, wie es ſahe, daß die Erde uͤber und uͤber gleichſam wie mit Korne, das ihnen zur Zeit unbe- kannt war, bedecket lag: und lehret uns die Schrift, daß ſie, als die da nicht wu- ſten, was es war, fuͤr Verwunderung aufgeſchrien, Man hu, was iſt das? Allein Moſes lehrete ſie, daß GOtt vom Him- mel es ihnen ſendete, und befahl, daß ſie alle Morgen vor der Sonnen Aufgang kommen, und dieſe goͤttliche Speiſe ſammlen ſolten, dieweil es keine Zeit mehr ſey, das Manna zu ſammlen, wenn der Tag ein wenig hoch worden, denn es kurtz darauf, nach dem die Son- ne aufgegangen, zerſchmoltze. Auch gebot ihnen Moſes, nichts davon aufzu- heben, bis auf den andern Tag, und ſag- te, damit ſie den Sabbath deſto heiliger beobachten koͤnten, moͤchten ſie des Tags vorher fuͤr zwey Tage ſammlen, denn es wuͤrde nicht verderben, was ſie fuͤr den Sabbath geſammlet haͤtten, wie dasjenige, welches ſie ſonſten bis auf den andern Tag aufbehalten wolten. Die- ſes iſt gantz gewiß, und keine Schwierig- keit dabey, allermaſſen es der heilige Text im 16. Cap. des IIten Buches Moſe ausdruͤcklich bezeuget. Dennoch aber kommen die Ausleger, ſo Chriſten, als Juden, das Manna be- treffend, in vielen Stuͤcken gar nicht mit einander uͤberein. Bald anfangs entzweyen ſie ſich uͤber der Etymologie, und dem Namen des Manna: und wollen etliche, es komme von den Ebraͤiſchen Worten, Man hu, her, welche die Juͤden geſprochen, da ſie die Erde mit kleinen weiſſen Koͤrnern be- decket erſehen, ſo die Nacht hindurch ge- fallen waren. Jmmittelſt ſind andere, und unter denen auch Buxtorff, wel- che ſagen, Manna bedeute ſoviel als ei- ne bereitete Speiſe: als wolten ſie ſa- gen, eine Speiſe, welche GOtt ſelbſt fuͤr ſein Volck zugerichtet. Noch viel weniger eins ſind ſie wegen der Natur der Sache ſelbſt. Denn vie- le behaupten die Manna ſey eben die Manna, deren man ſich in der Artzney zum purgiren bedienet, das iſt, ein li- quor und Saft, welcher wie der Thau faͤllt, und als wie kleine Koͤrnlein, dem Corianderſamen nicht ungleich, zuſam- menfrieret: welcher Meinung Kaͤyſer Carls des Vten Leibmedicus, Vale- ſius, geweſen. Der ſehr gelehrte Jeſuit, Cornelius a Lapide gedencket in ſei- nem Commentar. uͤber das II. Buch Mo- ſe, daß er in Polen kleine Koͤrner, als wie Hirſekoͤrner geſehen, welche ein wenig laͤnglicht und roͤthlicht geweſen, und bey heitern Naͤchten im Heu- und Brachmonat zu fallen pflegten: daß er auch einen Brey oder Mus davon ge- geſſen habe, der eben alſo geſchmecket, ob waͤre er von Heidekorn gemacht gewe- ſen. Welches gleichfalls einer von mei- nen guten Freunden bekraͤftiget, der ſich geraume Zeit in Polen, und ſonderlich gegen Schleſien zu, aufgehalten, wo- ſelbſt dieſer Thau in groſſer Menge faͤllt. Jch ſelbſt kan verſichern, daß ich auch im obern Delphinat/ unten am Ber- ge Genevre dergleichen Manna die Menge, fruͤh um vier Uhr, geſehen, die ich erſtlich fuͤr Reiff gehalten; nachdem ich ſie aber gekoſtet, erkannte ich an dem zuckerſuͤſſen Geſchmack, daß es Thau ſey, demjenigen gleich, deſſen die heilige Schrifft gedencket, denn ſo bald die Son- ne aufgieng, zerſchmoltze er. Hingegen ſagen diejenigen, welche erachten, daß das Manna, damit GOtt die Juͤden in der Wuͤſte ernaͤhret, nicht von derſelbigen Art geweſen, die man zur Artzney brauchet; dann, alles was purgire, mache den Menſchen matt und ſchwach, gaͤbe aber keine Nahrung. De- nen antwortet Voßius auf dieſen Ein- wurff: die Manna in der Wuͤſten ſey von der Manna, die man zur Artzney braucht, nicht der Natur nach, ſondern nur was die accidentia und zufaͤllige Dinge belanget, unterſchieden geweſen. Dieſer Unterſchied aber ſey von der Zu- richtung entſtanden, welche die Engel gemacht haͤtten, indem ſie dieſen Thau gehaͤrtet und gekoͤrnet, und dadurch die Duͤnſte, mit denen die gemeine Manna erfuͤllet ſey, davon abgeſondert, damit ein dichtes Brod und Mus, gleich als wie aus dem Thau, der im Heu- und Brachmonat in Polen faͤllt, daraus be- reitet werden konte. Hernachmahls kan der ſtetige Gebrauch einer Artzney gar wohl verhindern, daß dieſelbige ihre ordentliche Wirckung nicht thue. Hat man nicht Leute geſehen, welche ſich von dem heftigſten Gifte genaͤhret, weil ſie denſel-

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Zitationshilfe: Pomet, Peter: Der aufrichtige Materialist und Specerey-Händler. Leipzig, 1717, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pomet_materialist_1717/284>, abgerufen am 26.04.2024.