Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 2. Breslau, 1777.

Bild:
<< vorherige Seite

größeste Ehre besteht darinn, daß man dem
Scheiterhaufen eine große Höhe giebt, nicht
etwa mit Aufschlichten einer großen Menge
Holzes, sondern vermittelst hoher Gerüste, die
man mit Erde überschüttet, und den Scheiter-
haufen oben darauf setzt.

Die Leiche wird unter dem Schalle vieler
Instrumente weggetragen, und macht den An-
fang des Zuges. Nachher folgen die Begleiter,
welche aus den Anverwandten und guten Freun-
den des Verstorbenen von beyden Geschlechten
bestehen. Sie sind insgesammt weiß gekleidet,
und am Kopfe mit einem weissen Schleier ver-
hüllt. Gemeiniglich geschieht die Leichenbeglei-
tung auf dem Flusse, welcher bey dieser Gele-
genheit mit einer großen Menge Balonen be-
deckt ist.

Der Sarg wird nicht verbrannt, sondern
die Leiche nackend auf das Holz gelegt. Die
Talapoinen aus dem nächsten Kloster singen et-
wa eine Viertelstunde, gehen hernach ihres We-
ges, und kommen nicht wieder zum Vorschein.
Man läßt sie nicht kommen, als wenn es der
Religion wegen nöthig wäre, sondern um der
Handlung einen größern Glanz zu verschaffen.
Sobald nun die Talapoinen weg sind, so fängt
man an, den Cone und Rabam auf verschie-
denen Schaubühnen zu spielen, womit der gan-
ze Tag zugebracht wird. Gegen Mittag steckt
ein Bedienter der Talapoinen den Scheiterhau-
fen in Brand, den man gewöhnlich nicht über

zwey

groͤßeſte Ehre beſteht darinn, daß man dem
Scheiterhaufen eine große Hoͤhe giebt, nicht
etwa mit Aufſchlichten einer großen Menge
Holzes, ſondern vermittelſt hoher Geruͤſte, die
man mit Erde uͤberſchuͤttet, und den Scheiter-
haufen oben darauf ſetzt.

Die Leiche wird unter dem Schalle vieler
Inſtrumente weggetragen, und macht den An-
fang des Zuges. Nachher folgen die Begleiter,
welche aus den Anverwandten und guten Freun-
den des Verſtorbenen von beyden Geſchlechten
beſtehen. Sie ſind insgeſammt weiß gekleidet,
und am Kopfe mit einem weiſſen Schleier ver-
huͤllt. Gemeiniglich geſchieht die Leichenbeglei-
tung auf dem Fluſſe, welcher bey dieſer Gele-
genheit mit einer großen Menge Balonen be-
deckt iſt.

Der Sarg wird nicht verbrannt, ſondern
die Leiche nackend auf das Holz gelegt. Die
Talapoinen aus dem naͤchſten Kloſter ſingen et-
wa eine Viertelſtunde, gehen hernach ihres We-
ges, und kommen nicht wieder zum Vorſchein.
Man laͤßt ſie nicht kommen, als wenn es der
Religion wegen noͤthig waͤre, ſondern um der
Handlung einen groͤßern Glanz zu verſchaffen.
Sobald nun die Talapoinen weg ſind, ſo faͤngt
man an, den Cone und Rabam auf verſchie-
denen Schaubuͤhnen zu ſpielen, womit der gan-
ze Tag zugebracht wird. Gegen Mittag ſteckt
ein Bedienter der Talapoinen den Scheiterhau-
fen in Brand, den man gewoͤhnlich nicht uͤber

zwey
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0329" n="303"/>
gro&#x0364;ße&#x017F;te Ehre be&#x017F;teht darinn, daß man dem<lb/>
Scheiterhaufen eine große Ho&#x0364;he giebt, nicht<lb/>
etwa mit Auf&#x017F;chlichten einer großen Menge<lb/>
Holzes, &#x017F;ondern vermittel&#x017F;t hoher Geru&#x0364;&#x017F;te, die<lb/>
man mit Erde u&#x0364;ber&#x017F;chu&#x0364;ttet, und den Scheiter-<lb/>
haufen oben darauf &#x017F;etzt.</p><lb/>
          <p>Die Leiche wird unter dem Schalle vieler<lb/>
In&#x017F;trumente weggetragen, und macht den An-<lb/>
fang des Zuges. Nachher folgen die Begleiter,<lb/>
welche aus den Anverwandten und guten Freun-<lb/>
den des Ver&#x017F;torbenen von beyden Ge&#x017F;chlechten<lb/>
be&#x017F;tehen. Sie &#x017F;ind insge&#x017F;ammt weiß gekleidet,<lb/>
und am Kopfe mit einem wei&#x017F;&#x017F;en Schleier ver-<lb/>
hu&#x0364;llt. Gemeiniglich ge&#x017F;chieht die Leichenbeglei-<lb/>
tung auf dem Flu&#x017F;&#x017F;e, welcher bey die&#x017F;er Gele-<lb/>
genheit mit einer großen Menge Balonen be-<lb/>
deckt i&#x017F;t.</p><lb/>
          <p>Der Sarg wird nicht verbrannt, &#x017F;ondern<lb/>
die Leiche nackend auf das Holz gelegt. Die<lb/>
Talapoinen aus dem na&#x0364;ch&#x017F;ten Klo&#x017F;ter &#x017F;ingen et-<lb/>
wa eine Viertel&#x017F;tunde, gehen hernach ihres We-<lb/>
ges, und kommen nicht wieder zum Vor&#x017F;chein.<lb/>
Man la&#x0364;ßt &#x017F;ie nicht kommen, als wenn es der<lb/>
Religion wegen no&#x0364;thig wa&#x0364;re, &#x017F;ondern um der<lb/>
Handlung einen gro&#x0364;ßern Glanz zu ver&#x017F;chaffen.<lb/>
Sobald nun die Talapoinen weg &#x017F;ind, &#x017F;o fa&#x0364;ngt<lb/>
man an, den <hi rendition="#fr">Cone</hi> und <hi rendition="#fr">Rabam</hi> auf ver&#x017F;chie-<lb/>
denen Schaubu&#x0364;hnen zu &#x017F;pielen, womit der gan-<lb/>
ze Tag zugebracht wird. Gegen Mittag &#x017F;teckt<lb/>
ein Bedienter der Talapoinen den Scheiterhau-<lb/>
fen in Brand, den man gewo&#x0364;hnlich nicht u&#x0364;ber<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">zwey</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[303/0329] groͤßeſte Ehre beſteht darinn, daß man dem Scheiterhaufen eine große Hoͤhe giebt, nicht etwa mit Aufſchlichten einer großen Menge Holzes, ſondern vermittelſt hoher Geruͤſte, die man mit Erde uͤberſchuͤttet, und den Scheiter- haufen oben darauf ſetzt. Die Leiche wird unter dem Schalle vieler Inſtrumente weggetragen, und macht den An- fang des Zuges. Nachher folgen die Begleiter, welche aus den Anverwandten und guten Freun- den des Verſtorbenen von beyden Geſchlechten beſtehen. Sie ſind insgeſammt weiß gekleidet, und am Kopfe mit einem weiſſen Schleier ver- huͤllt. Gemeiniglich geſchieht die Leichenbeglei- tung auf dem Fluſſe, welcher bey dieſer Gele- genheit mit einer großen Menge Balonen be- deckt iſt. Der Sarg wird nicht verbrannt, ſondern die Leiche nackend auf das Holz gelegt. Die Talapoinen aus dem naͤchſten Kloſter ſingen et- wa eine Viertelſtunde, gehen hernach ihres We- ges, und kommen nicht wieder zum Vorſchein. Man laͤßt ſie nicht kommen, als wenn es der Religion wegen noͤthig waͤre, ſondern um der Handlung einen groͤßern Glanz zu verſchaffen. Sobald nun die Talapoinen weg ſind, ſo faͤngt man an, den Cone und Rabam auf verſchie- denen Schaubuͤhnen zu ſpielen, womit der gan- ze Tag zugebracht wird. Gegen Mittag ſteckt ein Bedienter der Talapoinen den Scheiterhau- fen in Brand, den man gewoͤhnlich nicht uͤber zwey

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik02_1777
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik02_1777/329
Zitationshilfe: [Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 2. Breslau, 1777, S. 303. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik02_1777/329>, abgerufen am 15.05.2024.