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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830.

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Nachdem ich den Berg, nun mein Pferd führend,
so gut es gehen wollte, auf einer andern Seite wie-
der herabgeklettert war, und eine große Landstraße
erreicht, kam ich bei einem offenstehenden Parkthore
vorbei (denn auch hierin gleicht Irland dem Conti-
nent, wo ein Besitzer solcher Anlagen, vom König
bis zum Landedelmann, am Genusse des Publi-
kums seine eigne Freude vermehrt) und ritt hinein.
Ich gab aber die Untersuchung bald auf, als ich
zwei riesenmäßige Capuziner mit Kreuz und Kutte,
aus angemalten Brettern geschnitten, am Scheide-
wege stehen sah, deren jeder ein Buch von sich ab-
hielt, auf dem mit großen Buchstaben geschrieben
war: Weg zur Fasanerie, Weg zur Abtei. Dieser
schlechte Geschmack ist hier sonst ziemlich selten.

In der Stadt begegnete ich einem Londner Dandy,
der mich anrief, denn ich erkannte ihn nicht, herz-
lich darüber lachte, uns in such a horrid place
mit einander zu sehen, eine Weile über die Dubli-
ner Gesellschaft fortsatyrisirte, und am Ende damit
schloß, mir zu eröffnen, daß er, durch den Credit
seiner Familie, eben eine Directorstelle hier bekom-
men, die ihm zwar über 2000 L. St. einbringe, auch
nichts zu thun gebe, aber doch zwinge pro forma
eine Zeit lang des Jahres diesen chokanten Aufent-
halt zu wählen. So, und noch viel reichlicher, wird
mit Sinecuren ohne Zahl überall in England für
die jüngeren Söhne der Aristokratie gesorgt -- ich
glaube aber, der Krug wird auch hier nicht ewig zu

Nachdem ich den Berg, nun mein Pferd führend,
ſo gut es gehen wollte, auf einer andern Seite wie-
der herabgeklettert war, und eine große Landſtraße
erreicht, kam ich bei einem offenſtehenden Parkthore
vorbei (denn auch hierin gleicht Irland dem Conti-
nent, wo ein Beſitzer ſolcher Anlagen, vom König
bis zum Landedelmann, am Genuſſe des Publi-
kums ſeine eigne Freude vermehrt) und ritt hinein.
Ich gab aber die Unterſuchung bald auf, als ich
zwei rieſenmäßige Capuziner mit Kreuz und Kutte,
aus angemalten Brettern geſchnitten, am Scheide-
wege ſtehen ſah, deren jeder ein Buch von ſich ab-
hielt, auf dem mit großen Buchſtaben geſchrieben
war: Weg zur Faſanerie, Weg zur Abtei. Dieſer
ſchlechte Geſchmack iſt hier ſonſt ziemlich ſelten.

In der Stadt begegnete ich einem Londner Dandy,
der mich anrief, denn ich erkannte ihn nicht, herz-
lich darüber lachte, uns in such a horrid place
mit einander zu ſehen, eine Weile über die Dubli-
ner Geſellſchaft fortſatyriſirte, und am Ende damit
ſchloß, mir zu eröffnen, daß er, durch den Credit
ſeiner Familie, eben eine Directorſtelle hier bekom-
men, die ihm zwar über 2000 L. St. einbringe, auch
nichts zu thun gebe, aber doch zwinge pro forma
eine Zeit lang des Jahres dieſen chokanten Aufent-
halt zu wählen. So, und noch viel reichlicher, wird
mit Sinecuren ohne Zahl überall in England für
die jüngeren Söhne der Ariſtokratie geſorgt — ich
glaube aber, der Krug wird auch hier nicht ewig zu

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[169/0193] Nachdem ich den Berg, nun mein Pferd führend, ſo gut es gehen wollte, auf einer andern Seite wie- der herabgeklettert war, und eine große Landſtraße erreicht, kam ich bei einem offenſtehenden Parkthore vorbei (denn auch hierin gleicht Irland dem Conti- nent, wo ein Beſitzer ſolcher Anlagen, vom König bis zum Landedelmann, am Genuſſe des Publi- kums ſeine eigne Freude vermehrt) und ritt hinein. Ich gab aber die Unterſuchung bald auf, als ich zwei rieſenmäßige Capuziner mit Kreuz und Kutte, aus angemalten Brettern geſchnitten, am Scheide- wege ſtehen ſah, deren jeder ein Buch von ſich ab- hielt, auf dem mit großen Buchſtaben geſchrieben war: Weg zur Faſanerie, Weg zur Abtei. Dieſer ſchlechte Geſchmack iſt hier ſonſt ziemlich ſelten. In der Stadt begegnete ich einem Londner Dandy, der mich anrief, denn ich erkannte ihn nicht, herz- lich darüber lachte, uns in such a horrid place mit einander zu ſehen, eine Weile über die Dubli- ner Geſellſchaft fortſatyriſirte, und am Ende damit ſchloß, mir zu eröffnen, daß er, durch den Credit ſeiner Familie, eben eine Directorſtelle hier bekom- men, die ihm zwar über 2000 L. St. einbringe, auch nichts zu thun gebe, aber doch zwinge pro forma eine Zeit lang des Jahres dieſen chokanten Aufent- halt zu wählen. So, und noch viel reichlicher, wird mit Sinecuren ohne Zahl überall in England für die jüngeren Söhne der Ariſtokratie geſorgt — ich glaube aber, der Krug wird auch hier nicht ewig zu

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830/193>, abgerufen am 03.05.2024.