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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830.

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weiser Oekonomie benutzt, sich wie nothwendig dar-
bieten; jeder Weg so geführt ist, daß er gar keine
andre Richtung, ohne Zwang, nehmen zu können
scheint; der herrlichste Effect von Wald und Pflan-
zungen durch geschickte Behandlung, durch Contrasti-
ren der Massen, durch Abhauen einiger, Lichten an-
drer, Aufputzen, oder Niedrighalten der Aeste, er-
langt worden ist -- so daß der Blick bald tief in
das Walddunkel hinein, bald unter, bald über den
Zweigen hingezogen, und jede mögliche Varietät im
Gebiet des Schönen hervorgebracht wird, ohne doch
irgend wo diese Schönheit nackt vorzulegen, sondern
immer verschleiert genug, um der Einbildungskraft
ihren nöthigen Spielraum zu lassen; -- denn ein
vollkommner Park, oder mit andern Worten: eine
durch Kunst idealisirte Gegend, soll gleich einem gu-
ten Buche, wenigstens eben soviel neue Gedanken
und Gefühle erwecken, als es ausspricht.

Das Wohnhaus, durch einzelne Bäume und Grup-
pen malerisch unterbrochen, und nicht eher sichtbar,
als bis man eine ihm gegenüber liegende Anhöhe er-
reicht, wo es auf einmal aus den Waldmassen, mit
Epheu, wilden Wein und Rosen überrankt, hervor-
bricht -- ist ebenfalls von dem Besitzer nach eignen
Plänen erbaut. Es ist weniger im gothischen, als
in einem alterthümlichpittoresken, eigenthümlichen
Style aufgeführt, den ein feiner Takt sich ganz der
Gegend gemäß ausdachte. Auch die Ausführung ist
vortrefflich, denn es ahmt wahres Alterthum täu-

weiſer Oekonomie benutzt, ſich wie nothwendig dar-
bieten; jeder Weg ſo geführt iſt, daß er gar keine
andre Richtung, ohne Zwang, nehmen zu können
ſcheint; der herrlichſte Effect von Wald und Pflan-
zungen durch geſchickte Behandlung, durch Contraſti-
ren der Maſſen, durch Abhauen einiger, Lichten an-
drer, Aufputzen, oder Niedrighalten der Aeſte, er-
langt worden iſt — ſo daß der Blick bald tief in
das Walddunkel hinein, bald unter, bald über den
Zweigen hingezogen, und jede mögliche Varietät im
Gebiet des Schönen hervorgebracht wird, ohne doch
irgend wo dieſe Schönheit nackt vorzulegen, ſondern
immer verſchleiert genug, um der Einbildungskraft
ihren nöthigen Spielraum zu laſſen; — denn ein
vollkommner Park, oder mit andern Worten: eine
durch Kunſt idealiſirte Gegend, ſoll gleich einem gu-
ten Buche, wenigſtens eben ſoviel neue Gedanken
und Gefühle erwecken, als es ausſpricht.

Das Wohnhaus, durch einzelne Bäume und Grup-
pen maleriſch unterbrochen, und nicht eher ſichtbar,
als bis man eine ihm gegenüber liegende Anhöhe er-
reicht, wo es auf einmal aus den Waldmaſſen, mit
Epheu, wilden Wein und Roſen überrankt, hervor-
bricht — iſt ebenfalls von dem Beſitzer nach eignen
Plänen erbaut. Es iſt weniger im gothiſchen, als
in einem alterthümlichpittoresken, eigenthümlichen
Style aufgeführt, den ein feiner Takt ſich ganz der
Gegend gemäß ausdachte. Auch die Ausführung iſt
vortrefflich, denn es ahmt wahres Alterthum täu-

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[315/0339] weiſer Oekonomie benutzt, ſich wie nothwendig dar- bieten; jeder Weg ſo geführt iſt, daß er gar keine andre Richtung, ohne Zwang, nehmen zu können ſcheint; der herrlichſte Effect von Wald und Pflan- zungen durch geſchickte Behandlung, durch Contraſti- ren der Maſſen, durch Abhauen einiger, Lichten an- drer, Aufputzen, oder Niedrighalten der Aeſte, er- langt worden iſt — ſo daß der Blick bald tief in das Walddunkel hinein, bald unter, bald über den Zweigen hingezogen, und jede mögliche Varietät im Gebiet des Schönen hervorgebracht wird, ohne doch irgend wo dieſe Schönheit nackt vorzulegen, ſondern immer verſchleiert genug, um der Einbildungskraft ihren nöthigen Spielraum zu laſſen; — denn ein vollkommner Park, oder mit andern Worten: eine durch Kunſt idealiſirte Gegend, ſoll gleich einem gu- ten Buche, wenigſtens eben ſoviel neue Gedanken und Gefühle erwecken, als es ausſpricht. Das Wohnhaus, durch einzelne Bäume und Grup- pen maleriſch unterbrochen, und nicht eher ſichtbar, als bis man eine ihm gegenüber liegende Anhöhe er- reicht, wo es auf einmal aus den Waldmaſſen, mit Epheu, wilden Wein und Roſen überrankt, hervor- bricht — iſt ebenfalls von dem Beſitzer nach eignen Plänen erbaut. Es iſt weniger im gothiſchen, als in einem alterthümlichpittoresken, eigenthümlichen Style aufgeführt, den ein feiner Takt ſich ganz der Gegend gemäß ausdachte. Auch die Ausführung iſt vortrefflich, denn es ahmt wahres Alterthum täu-

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830, S. 315. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830/339>, abgerufen am 29.04.2024.