Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830.

Bild:
<< vorherige Seite

Ich habe leider meinem freundlichen Amphytrion nicht
Wort halten können. Eine Migraine zwang mich den
ganzen Tag das Bett zu hüten. Der Herr Erzbischof
ließ mir zwar sagen, daß er mich kuriren wolle, und,
wenn ich nur festen Glauben mitbrächte, gewiß sey,
durch wohl applizirten Exorcismus den Kopfwehteufel
auszutreiben -- ich mußte ihm aber entgegensetzen,
daß dieser Teufel einer der unbezwinglichsten sey, und
Niemand respectire als die Natur, die ihn sende und
abberufe wie sie Lust habe, welches indeß selten vor
vier und zwanzig Stunden Leiden statt finde. Ich
muß Dich also, beste Julie, diesen Abend auch nur
mit wenigen Worten verabschieden.



Apres la pluie le soleil! der heutige Tag ent-
schädigte mich für den gestrigen. Schon um sieben
Uhr saß ich zu Pferde, um mich zum Frühstück auf
auf Capt. S. Landhaus zu begeben, wo das Jagd-
rendezvous für die heutige Hasenhetze bestimmt war.
Ich fand sechs bis sieben rüstige Landjunker dort
versammelt, die nicht viel denken, aber ein desto heit'-
reres und sorgloseres Leben führen. Nachdem wir
die heterogensten Dinge, Kaffee, Thee, Whiskey, Wein,
Eyer, Beafsteaks, Honig, rognons de mouton, Ku-
chen und Butterbrod, alles untereinander, hatten


Ich habe leider meinem freundlichen Amphytrion nicht
Wort halten können. Eine Migraine zwang mich den
ganzen Tag das Bett zu hüten. Der Herr Erzbiſchof
ließ mir zwar ſagen, daß er mich kuriren wolle, und,
wenn ich nur feſten Glauben mitbrächte, gewiß ſey,
durch wohl applizirten Exorcismus den Kopfwehteufel
auszutreiben — ich mußte ihm aber entgegenſetzen,
daß dieſer Teufel einer der unbezwinglichſten ſey, und
Niemand reſpectire als die Natur, die ihn ſende und
abberufe wie ſie Luſt habe, welches indeß ſelten vor
vier und zwanzig Stunden Leiden ſtatt finde. Ich
muß Dich alſo, beſte Julie, dieſen Abend auch nur
mit wenigen Worten verabſchieden.



Après la pluie le soleil! der heutige Tag ent-
ſchädigte mich für den geſtrigen. Schon um ſieben
Uhr ſaß ich zu Pferde, um mich zum Frühſtück auf
auf Capt. S. Landhaus zu begeben, wo das Jagd-
rendezvous für die heutige Haſenhetze beſtimmt war.
Ich fand ſechs bis ſieben rüſtige Landjunker dort
verſammelt, die nicht viel denken, aber ein deſto heit’-
reres und ſorgloſeres Leben führen. Nachdem wir
die heterogenſten Dinge, Kaffee, Thee, Whiskey, Wein,
Eyer, Beafſteaks, Honig, rognons de mouton, Ku-
chen und Butterbrod, alles untereinander, hatten

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0127" n="105"/>
        <div n="2">
          <opener>
            <dateline> <hi rendition="#et">Den 13<hi rendition="#sup">ten</hi> Abends.</hi> </dateline>
          </opener><lb/>
          <p>Ich habe leider meinem freundlichen Amphytrion nicht<lb/>
Wort halten können. Eine Migraine zwang mich den<lb/>
ganzen Tag das Bett zu hüten. Der Herr Erzbi&#x017F;chof<lb/>
ließ mir zwar &#x017F;agen, daß er mich kuriren wolle, und,<lb/>
wenn ich nur fe&#x017F;ten Glauben mitbrächte, gewiß &#x017F;ey,<lb/>
durch wohl applizirten Exorcismus den Kopfwehteufel<lb/>
auszutreiben &#x2014; ich mußte ihm aber entgegen&#x017F;etzen,<lb/>
daß die&#x017F;er Teufel einer der unbezwinglich&#x017F;ten &#x017F;ey, und<lb/>
Niemand re&#x017F;pectire als die Natur, die ihn &#x017F;ende und<lb/>
abberufe wie &#x017F;ie Lu&#x017F;t habe, welches indeß &#x017F;elten vor<lb/>
vier und zwanzig Stunden Leiden &#x017F;tatt finde. Ich<lb/>
muß Dich al&#x017F;o, be&#x017F;te <hi rendition="#aq">Julie,</hi> die&#x017F;en Abend auch nur<lb/>
mit wenigen Worten verab&#x017F;chieden.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <opener>
            <dateline> <hi rendition="#et">Den 14<hi rendition="#sup">ten.</hi></hi> </dateline>
          </opener><lb/>
          <p><hi rendition="#aq">Après la pluie le soleil!</hi> der heutige Tag ent-<lb/>
&#x017F;chädigte mich für den ge&#x017F;trigen. Schon um &#x017F;ieben<lb/>
Uhr &#x017F;aß ich zu Pferde, um mich zum Früh&#x017F;tück auf<lb/>
auf Capt. S. Landhaus zu begeben, wo das Jagd-<lb/><hi rendition="#aq">rendezvous</hi> für die heutige Ha&#x017F;enhetze be&#x017F;timmt war.<lb/>
Ich fand &#x017F;echs bis &#x017F;ieben rü&#x017F;tige Landjunker dort<lb/>
ver&#x017F;ammelt, die nicht viel denken, aber ein de&#x017F;to heit&#x2019;-<lb/>
reres und &#x017F;orglo&#x017F;eres Leben führen. Nachdem wir<lb/>
die heterogen&#x017F;ten Dinge, Kaffee, Thee, Whiskey, Wein,<lb/>
Eyer, Beaf&#x017F;teaks, Honig, <hi rendition="#aq">rognons de mouton,</hi> Ku-<lb/>
chen und Butterbrod, alles untereinander, hatten<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[105/0127] Den 13ten Abends. Ich habe leider meinem freundlichen Amphytrion nicht Wort halten können. Eine Migraine zwang mich den ganzen Tag das Bett zu hüten. Der Herr Erzbiſchof ließ mir zwar ſagen, daß er mich kuriren wolle, und, wenn ich nur feſten Glauben mitbrächte, gewiß ſey, durch wohl applizirten Exorcismus den Kopfwehteufel auszutreiben — ich mußte ihm aber entgegenſetzen, daß dieſer Teufel einer der unbezwinglichſten ſey, und Niemand reſpectire als die Natur, die ihn ſende und abberufe wie ſie Luſt habe, welches indeß ſelten vor vier und zwanzig Stunden Leiden ſtatt finde. Ich muß Dich alſo, beſte Julie, dieſen Abend auch nur mit wenigen Worten verabſchieden. Den 14ten. Après la pluie le soleil! der heutige Tag ent- ſchädigte mich für den geſtrigen. Schon um ſieben Uhr ſaß ich zu Pferde, um mich zum Frühſtück auf auf Capt. S. Landhaus zu begeben, wo das Jagd- rendezvous für die heutige Haſenhetze beſtimmt war. Ich fand ſechs bis ſieben rüſtige Landjunker dort verſammelt, die nicht viel denken, aber ein deſto heit’- reres und ſorgloſeres Leben führen. Nachdem wir die heterogenſten Dinge, Kaffee, Thee, Whiskey, Wein, Eyer, Beafſteaks, Honig, rognons de mouton, Ku- chen und Butterbrod, alles untereinander, hatten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/127
Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/127>, abgerufen am 12.10.2024.