Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830.

Bild:
<< vorherige Seite

men könne. Ich versprach alles was man wollte,
machte jedoch bemerklich, daß dermalen ein neues Ge-
betbuch mehr Glück machen würde, als ein neues phi-
losophisches System, deren wir ohnehin genug hätten.

Abends nahm ich für die jungen Damen, die noch
sehr wenig ausgehen dürfen, eine Loge im Pferde-
Theater, wohin ich sie begleitete. Ihr naives Ver-
gnügen an den vielfachen Künsten der Rossebändiger
war ergötzlich anzusehen. Die kleine Sechzehnjährige
verwandte kein Auge von Ducrow's halsbrechenden
Manöuvres, und hielt, vor Angst und Begierde zit-
ternd, die ganze Zeit ihre Händchen fest zusammen-
geballt; die Aeltere betrachtete schon, still erröthend
die schönen Formen und üppigen Stellungen der ge-
wandten Reiter.

Es war ein wunderschönes Kind bei der Gesell-
schaft, welches, erst sieben Jahre alt, bereits auf dem
Pferde tanzte, eine Menge Rollen mit ungemeiner
Grazie spielte, und besonders, als Napoleon ange-
zogen, wo das winzige Mädchen, die schroffen Ma-
nieren des Kaisers höchst possirlich nachahmte, immer
den rauschendsten Beifall einärndtete. Meine jun-
gen Freundinnen wünschten dies Kind von Nahem
zu sehen, und ich begab mich daher auf's Theater,
wo der kleine Engel eben ausgekleidet wurde, und
ganz nackt, wie ein leibhaftiger Amor, vor dem
Spiegel stand. Ihre Rolle war für heute ausge-
spielt, und sobald die neue Toilette beendet war,
nahm ich sie auf den Arm, und brachte "l'enfant

men könne. Ich verſprach alles was man wollte,
machte jedoch bemerklich, daß dermalen ein neues Ge-
betbuch mehr Glück machen würde, als ein neues phi-
loſophiſches Syſtem, deren wir ohnehin genug hätten.

Abends nahm ich für die jungen Damen, die noch
ſehr wenig ausgehen dürfen, eine Loge im Pferde-
Theater, wohin ich ſie begleitete. Ihr naives Ver-
gnügen an den vielfachen Künſten der Roſſebändiger
war ergötzlich anzuſehen. Die kleine Sechzehnjährige
verwandte kein Auge von Ducrow’s halsbrechenden
Manöuvres, und hielt, vor Angſt und Begierde zit-
ternd, die ganze Zeit ihre Händchen feſt zuſammen-
geballt; die Aeltere betrachtete ſchon, ſtill erröthend
die ſchönen Formen und üppigen Stellungen der ge-
wandten Reiter.

Es war ein wunderſchönes Kind bei der Geſell-
ſchaft, welches, erſt ſieben Jahre alt, bereits auf dem
Pferde tanzte, eine Menge Rollen mit ungemeiner
Grazie ſpielte, und beſonders, als Napoleon ange-
zogen, wo das winzige Mädchen, die ſchroffen Ma-
nieren des Kaiſers höchſt poſſirlich nachahmte, immer
den rauſchendſten Beifall einärndtete. Meine jun-
gen Freundinnen wünſchten dies Kind von Nahem
zu ſehen, und ich begab mich daher auf’s Theater,
wo der kleine Engel eben ausgekleidet wurde, und
ganz nackt, wie ein leibhaftiger Amor, vor dem
Spiegel ſtand. Ihre Rolle war für heute ausge-
ſpielt, und ſobald die neue Toilette beendet war,
nahm ich ſie auf den Arm, und brachte „l’enfant

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0202" n="180"/>
men könne. Ich ver&#x017F;prach alles was man wollte,<lb/>
machte jedoch bemerklich, daß dermalen ein neues Ge-<lb/>
betbuch mehr Glück machen würde, als ein neues phi-<lb/>
lo&#x017F;ophi&#x017F;ches Sy&#x017F;tem, deren wir ohnehin genug hätten.</p><lb/>
          <p>Abends nahm ich für die jungen Damen, die noch<lb/>
&#x017F;ehr wenig ausgehen dürfen, eine Loge im Pferde-<lb/>
Theater, wohin ich &#x017F;ie begleitete. Ihr naives Ver-<lb/>
gnügen an den vielfachen Kün&#x017F;ten der Ro&#x017F;&#x017F;ebändiger<lb/>
war ergötzlich anzu&#x017F;ehen. Die kleine <choice><sic>Sechzehnja&#x0307;hrige</sic><corr>Sechzehnjährige</corr></choice><lb/>
verwandte kein Auge von Ducrow&#x2019;s halsbrechenden<lb/>
Manöuvres, und hielt, vor Ang&#x017F;t und Begierde zit-<lb/>
ternd, die ganze Zeit ihre Händchen fe&#x017F;t zu&#x017F;ammen-<lb/>
geballt; die Aeltere betrachtete &#x017F;chon, &#x017F;till erröthend<lb/>
die &#x017F;chönen Formen und üppigen Stellungen der ge-<lb/>
wandten Reiter.</p><lb/>
          <p>Es war ein wunder&#x017F;chönes Kind bei der Ge&#x017F;ell-<lb/>
&#x017F;chaft, welches, er&#x017F;t &#x017F;ieben Jahre alt, bereits auf dem<lb/>
Pferde tanzte, eine Menge Rollen mit ungemeiner<lb/>
Grazie &#x017F;pielte, und be&#x017F;onders, als Napoleon ange-<lb/>
zogen, wo das winzige Mädchen, die &#x017F;chroffen Ma-<lb/>
nieren des Kai&#x017F;ers höch&#x017F;t po&#x017F;&#x017F;irlich nachahmte, immer<lb/>
den <choice><sic>rau&#x017F;che&#x0307;nd&#x017F;ten</sic><corr>rau&#x017F;chend&#x017F;ten</corr></choice> Beifall <choice><sic>eina&#x0307;rndtete</sic><corr>einärndtete</corr></choice>. Meine jun-<lb/>
gen Freundinnen wün&#x017F;chten dies Kind von Nahem<lb/>
zu &#x017F;ehen, und ich begab mich daher auf&#x2019;s Theater,<lb/>
wo der kleine Engel eben ausgekleidet wurde, und<lb/>
ganz nackt, wie ein leibhaftiger Amor, vor dem<lb/>
Spiegel &#x017F;tand. Ihre Rolle war für heute ausge-<lb/>
&#x017F;pielt, und &#x017F;obald die neue Toilette beendet war,<lb/>
nahm ich &#x017F;ie auf den Arm, und brachte <hi rendition="#aq">&#x201E;l&#x2019;enfant<lb/></hi></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[180/0202] men könne. Ich verſprach alles was man wollte, machte jedoch bemerklich, daß dermalen ein neues Ge- betbuch mehr Glück machen würde, als ein neues phi- loſophiſches Syſtem, deren wir ohnehin genug hätten. Abends nahm ich für die jungen Damen, die noch ſehr wenig ausgehen dürfen, eine Loge im Pferde- Theater, wohin ich ſie begleitete. Ihr naives Ver- gnügen an den vielfachen Künſten der Roſſebändiger war ergötzlich anzuſehen. Die kleine Sechzehnjährige verwandte kein Auge von Ducrow’s halsbrechenden Manöuvres, und hielt, vor Angſt und Begierde zit- ternd, die ganze Zeit ihre Händchen feſt zuſammen- geballt; die Aeltere betrachtete ſchon, ſtill erröthend die ſchönen Formen und üppigen Stellungen der ge- wandten Reiter. Es war ein wunderſchönes Kind bei der Geſell- ſchaft, welches, erſt ſieben Jahre alt, bereits auf dem Pferde tanzte, eine Menge Rollen mit ungemeiner Grazie ſpielte, und beſonders, als Napoleon ange- zogen, wo das winzige Mädchen, die ſchroffen Ma- nieren des Kaiſers höchſt poſſirlich nachahmte, immer den rauſchendſten Beifall einärndtete. Meine jun- gen Freundinnen wünſchten dies Kind von Nahem zu ſehen, und ich begab mich daher auf’s Theater, wo der kleine Engel eben ausgekleidet wurde, und ganz nackt, wie ein leibhaftiger Amor, vor dem Spiegel ſtand. Ihre Rolle war für heute ausge- ſpielt, und ſobald die neue Toilette beendet war, nahm ich ſie auf den Arm, und brachte „l’enfant

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/202
Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/202>, abgerufen am 01.05.2024.