War es also der Teufel oder nicht? fragst Du. Ma foi, je n'en sais rien. Jedenfalls hatte er in dem erwähnten Augenblick eine sehr recommendable, wenn gleich gefährliche, Gestalt erwählt, nämlich die eines hübschen Mädchens, die in ihrem dunkelblauen, vom Regen noch schwärzer gemachten, langen Man- tel eingehüllt, und der rothen Mütze von Kerry auf dem Kopfe, barfuß, und vor Kälte schauernd, bei mir vorbeigehen wollte, als ich sie anhielt, und frug, warum sie hinke, und wie sie in diesem Wetter hier so allein umher irre? Ach, rief sie, in halb verständ- lichem patois, auf ihren verbundenen Fuß zeigend ich gehe blos nach dem nächsten Dorfe, habe mich verspätet, bin bei dem abscheulichen Wetter gefallen, und habe mir recht wehe gethan! Hierbei sah sie ganz schalkhaft und lose aus (am Ende war doch etwas nicht ganz Geheures dabei) und zeigte so viel
Briefe eines Verstorbenen. II. 1
Vier und dreißigſter Brief.
Kenmare, den 28ſten September 1828.
Geliebte Freundin!
War es alſo der Teufel oder nicht? fragſt Du. Ma foi, je n’en sais rien. Jedenfalls hatte er in dem erwähnten Augenblick eine ſehr recommendable, wenn gleich gefährliche, Geſtalt erwählt, nämlich die eines hübſchen Mädchens, die in ihrem dunkelblauen, vom Regen noch ſchwärzer gemachten, langen Man- tel eingehüllt, und der rothen Mütze von Kerry auf dem Kopfe, barfuß, und vor Kälte ſchauernd, bei mir vorbeigehen wollte, als ich ſie anhielt, und frug, warum ſie hinke, und wie ſie in dieſem Wetter hier ſo allein umher irre? Ach, rief ſie, in halb verſtänd- lichem patois, auf ihren verbundenen Fuß zeigend ich gehe blos nach dem nächſten Dorfe, habe mich verſpätet, bin bei dem abſcheulichen Wetter gefallen, und habe mir recht wehe gethan! Hierbei ſah ſie ganz ſchalkhaft und loſe aus (am Ende war doch etwas nicht ganz Geheures dabei) und zeigte ſo viel
Briefe eines Verſtorbenen. II. 1
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[[1]/0023]
Vier und dreißigſter Brief.
Kenmare, den 28ſten September 1828.
Geliebte Freundin!
War es alſo der Teufel oder nicht? fragſt Du.
Ma foi, je n’en sais rien. Jedenfalls hatte er in
dem erwähnten Augenblick eine ſehr recommendable,
wenn gleich gefährliche, Geſtalt erwählt, nämlich die
eines hübſchen Mädchens, die in ihrem dunkelblauen,
vom Regen noch ſchwärzer gemachten, langen Man-
tel eingehüllt, und der rothen Mütze von Kerry auf
dem Kopfe, barfuß, und vor Kälte ſchauernd, bei
mir vorbeigehen wollte, als ich ſie anhielt, und frug,
warum ſie hinke, und wie ſie in dieſem Wetter hier
ſo allein umher irre? Ach, rief ſie, in halb verſtänd-
lichem patois, auf ihren verbundenen Fuß zeigend
ich gehe blos nach dem nächſten Dorfe, habe mich
verſpätet, bin bei dem abſcheulichen Wetter gefallen,
und habe mir recht wehe gethan! Hierbei ſah ſie
ganz ſchalkhaft und loſe aus (am Ende war doch
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Briefe eines Verſtorbenen. II. 1
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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. [1]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/23>, abgerufen am 04.10.2024.
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