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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830.

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nes Dieners, etablirte ich jedoch eine Jakobslei-
ter
, auf deren Rücken ich mich hinaufschwang. Man
übersieht von der Zinne eine unermeßliche Strecke
Landes, und die Raubritter, wenn es solche hier gab,
konnten Reisende von hier schon Meilen weit ankom-
men sehen. Nachdem ich Alles gehörig durchkrochen
hatte, und den Berg auf der andern Seite wieder
hinabgestiegen, frühstückte ich behaglich im Boote,
während dieses geschäftig von den schnell strömenden
Wellen fortgetragen wurde. Das Wetter war schön,
die Sonne schien hell, ein sehr seltner Fall in dieser
Jahreszeit, und die Luft war so warm, wie an einem
angenehmen Aprilstag bei uns. Die Bäume hatten
freilich kein Laub, da sie aber ungemein dicht in
Aesten, auch mit vielem Immergrün untermischt wa-
ren, und das Gras dabei weit grüner und heller
glänzte als im Sommer, so verlor die Landschaft
durch die Jahreszeit weit weniger als man erwartet
hätte. Der Boden ist ungemein fruchtbar, die sanf-
ten Hügel von oben bis unten bewachsen, wenig Fel-
der, meistens Wiesen zwischen den Büschen, und jeden
Augenblick erscheint ein Thurm, Dorf oder Schloß,
das die fortwährenden Krümmungen des Flusses in
den verschiedenartigsten Ansichten zeigen. Eine Zeit
lang schwammen wir an den Gränzen dreier Graf-
schaften hin, Monmouth zur rechten, Hereford zur
linken, und Gloucester vor uns. An einer maleri-
schen Stelle, Eisenhämmern gegenüber, deren Flam-
men auch bei Tage sichtbar waren, erhebt sich ein
Landsitz, der halb den neuen Stempel unsrer Zeit,

nes Dieners, etablirte ich jedoch eine Jakobslei-
ter
, auf deren Rücken ich mich hinaufſchwang. Man
überſieht von der Zinne eine unermeßliche Strecke
Landes, und die Raubritter, wenn es ſolche hier gab,
konnten Reiſende von hier ſchon Meilen weit ankom-
men ſehen. Nachdem ich Alles gehörig durchkrochen
hatte, und den Berg auf der andern Seite wieder
hinabgeſtiegen, frühſtückte ich behaglich im Boote,
während dieſes geſchäftig von den ſchnell ſtrömenden
Wellen fortgetragen wurde. Das Wetter war ſchön,
die Sonne ſchien hell, ein ſehr ſeltner Fall in dieſer
Jahreszeit, und die Luft war ſo warm, wie an einem
angenehmen Aprilstag bei uns. Die Bäume hatten
freilich kein Laub, da ſie aber ungemein dicht in
Aeſten, auch mit vielem Immergrün untermiſcht wa-
ren, und das Gras dabei weit grüner und heller
glänzte als im Sommer, ſo verlor die Landſchaft
durch die Jahreszeit weit weniger als man erwartet
hätte. Der Boden iſt ungemein fruchtbar, die ſanf-
ten Hügel von oben bis unten bewachſen, wenig Fel-
der, meiſtens Wieſen zwiſchen den Büſchen, und jeden
Augenblick erſcheint ein Thurm, Dorf oder Schloß,
das die fortwährenden Krümmungen des Fluſſes in
den verſchiedenartigſten Anſichten zeigen. Eine Zeit
lang ſchwammen wir an den Gränzen dreier Graf-
ſchaften hin, Monmouth zur rechten, Hereford zur
linken, und Glouceſter vor uns. An einer maleri-
ſchen Stelle, Eiſenhämmern gegenüber, deren Flam-
men auch bei Tage ſichtbar waren, erhebt ſich ein
Landſitz, der halb den neuen Stempel unſrer Zeit,

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[247/0269] nes Dieners, etablirte ich jedoch eine Jakobslei- ter, auf deren Rücken ich mich hinaufſchwang. Man überſieht von der Zinne eine unermeßliche Strecke Landes, und die Raubritter, wenn es ſolche hier gab, konnten Reiſende von hier ſchon Meilen weit ankom- men ſehen. Nachdem ich Alles gehörig durchkrochen hatte, und den Berg auf der andern Seite wieder hinabgeſtiegen, frühſtückte ich behaglich im Boote, während dieſes geſchäftig von den ſchnell ſtrömenden Wellen fortgetragen wurde. Das Wetter war ſchön, die Sonne ſchien hell, ein ſehr ſeltner Fall in dieſer Jahreszeit, und die Luft war ſo warm, wie an einem angenehmen Aprilstag bei uns. Die Bäume hatten freilich kein Laub, da ſie aber ungemein dicht in Aeſten, auch mit vielem Immergrün untermiſcht wa- ren, und das Gras dabei weit grüner und heller glänzte als im Sommer, ſo verlor die Landſchaft durch die Jahreszeit weit weniger als man erwartet hätte. Der Boden iſt ungemein fruchtbar, die ſanf- ten Hügel von oben bis unten bewachſen, wenig Fel- der, meiſtens Wieſen zwiſchen den Büſchen, und jeden Augenblick erſcheint ein Thurm, Dorf oder Schloß, das die fortwährenden Krümmungen des Fluſſes in den verſchiedenartigſten Anſichten zeigen. Eine Zeit lang ſchwammen wir an den Gränzen dreier Graf- ſchaften hin, Monmouth zur rechten, Hereford zur linken, und Glouceſter vor uns. An einer maleri- ſchen Stelle, Eiſenhämmern gegenüber, deren Flam- men auch bei Tage ſichtbar waren, erhebt ſich ein Landſitz, der halb den neuen Stempel unſrer Zeit,

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/269>, abgerufen am 28.04.2024.