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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830.

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auf den, in andrer Art eben so wohlgefüllten, und
gleich stark illuminirten Stadtmarkt -- wo unter be-
deckten Gallerieen alle Arten Viktualien verkauft wer-
den. Alles ist hier einladend, und elegant, der Ge-
genstand für tausend Meisterstücke flämischer Pinsel,
und ein genußreicher Anblick für den Gastronomen,
der hier seine Natur schönheiten bewundert. Enor-
mere Stücken Beef, saftroth in goldnem Fette zit-
ternd, besser gemästetes, wie mit Eiderdaun gestopf-
tes Geflügel, stolzeres Gemüse, schöngelbern Butter,
saftigere Früchte und einladendere Fische sah mein er-
stauntes Auge nie! Alles war vom Glanze hundert
bunter Lichter verherrlicht, und mit Lorbeer und
rothbeerigtem Holly aufgeputzt. Statt eines Weih-
nachtstisches, waren hundert aufgestellt, und die
Carrikaturen der verkaufenden Weiber glichen vor-
trefflich den Pfefferkuchenpuppen, wir Käufer aber
den neugierigen und erstaunten Kindern. Schwerlich
hätte die brillanteste Gesellschaft mich besser amüsiren
können. Wenn ich einen gravitätischen Schöps an-
sah, der in jeder Pfote ein Inseltlicht hielt, und sich
so selbst erleuchtete, oder eine hängende Poularde,
der man einen rothen Wachsstock auf die Kehrseite
gepflanzt hatte, einen Kalbskopf mit einer Laterne
zwischen den Zähnen, neben einem großen Gänse-
rich, dem zwei Kirchenlichter vorleuchteten, oder einen
Ochsenschwanz, durch den eine Gasröhre ging, die
pretentiös im Flammenbüschel endigte -- so machte
ich mir die ergötzlichsten Vergleiche mit einer assem-
blee
in der Heimath, und fand die Aehnlichkeiten

auf den, in andrer Art eben ſo wohlgefüllten, und
gleich ſtark illuminirten Stadtmarkt — wo unter be-
deckten Gallerieen alle Arten Viktualien verkauft wer-
den. Alles iſt hier einladend, und elegant, der Ge-
genſtand für tauſend Meiſterſtücke flämiſcher Pinſel,
und ein genußreicher Anblick für den Gaſtronomen,
der hier ſeine Natur ſchönheiten bewundert. Enor-
mere Stücken Beef, ſaftroth in goldnem Fette zit-
ternd, beſſer gemäſtetes, wie mit Eiderdaun geſtopf-
tes Geflügel, ſtolzeres Gemüſe, ſchöngelbern Butter,
ſaftigere Früchte und einladendere Fiſche ſah mein er-
ſtauntes Auge nie! Alles war vom Glanze hundert
bunter Lichter verherrlicht, und mit Lorbeer und
rothbeerigtem Holly aufgeputzt. Statt eines Weih-
nachtstiſches, waren hundert aufgeſtellt, und die
Carrikaturen der verkaufenden Weiber glichen vor-
trefflich den Pfefferkuchenpuppen, wir Käufer aber
den neugierigen und erſtaunten Kindern. Schwerlich
hätte die brillanteſte Geſellſchaft mich beſſer amüſiren
können. Wenn ich einen gravitätiſchen Schöps an-
ſah, der in jeder Pfote ein Inſeltlicht hielt, und ſich
ſo ſelbſt erleuchtete, oder eine hängende Poularde,
der man einen rothen Wachsſtock auf die Kehrſeite
gepflanzt hatte, einen Kalbskopf mit einer Laterne
zwiſchen den Zähnen, neben einem großen Gänſe-
rich, dem zwei Kirchenlichter vorleuchteten, oder einen
Ochſenſchwanz, durch den eine Gasröhre ging, die
pretentiös im Flammenbüſchel endigte — ſo machte
ich mir die ergötzlichſten Vergleiche mit einer assem-
blée
in der Heimath, und fand die Aehnlichkeiten

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[281/0303] auf den, in andrer Art eben ſo wohlgefüllten, und gleich ſtark illuminirten Stadtmarkt — wo unter be- deckten Gallerieen alle Arten Viktualien verkauft wer- den. Alles iſt hier einladend, und elegant, der Ge- genſtand für tauſend Meiſterſtücke flämiſcher Pinſel, und ein genußreicher Anblick für den Gaſtronomen, der hier ſeine Natur ſchönheiten bewundert. Enor- mere Stücken Beef, ſaftroth in goldnem Fette zit- ternd, beſſer gemäſtetes, wie mit Eiderdaun geſtopf- tes Geflügel, ſtolzeres Gemüſe, ſchöngelbern Butter, ſaftigere Früchte und einladendere Fiſche ſah mein er- ſtauntes Auge nie! Alles war vom Glanze hundert bunter Lichter verherrlicht, und mit Lorbeer und rothbeerigtem Holly aufgeputzt. Statt eines Weih- nachtstiſches, waren hundert aufgeſtellt, und die Carrikaturen der verkaufenden Weiber glichen vor- trefflich den Pfefferkuchenpuppen, wir Käufer aber den neugierigen und erſtaunten Kindern. Schwerlich hätte die brillanteſte Geſellſchaft mich beſſer amüſiren können. Wenn ich einen gravitätiſchen Schöps an- ſah, der in jeder Pfote ein Inſeltlicht hielt, und ſich ſo ſelbſt erleuchtete, oder eine hängende Poularde, der man einen rothen Wachsſtock auf die Kehrſeite gepflanzt hatte, einen Kalbskopf mit einer Laterne zwiſchen den Zähnen, neben einem großen Gänſe- rich, dem zwei Kirchenlichter vorleuchteten, oder einen Ochſenſchwanz, durch den eine Gasröhre ging, die pretentiös im Flammenbüſchel endigte — ſo machte ich mir die ergötzlichſten Vergleiche mit einer assem- blée in der Heimath, und fand die Aehnlichkeiten

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. 281. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/303>, abgerufen am 30.04.2024.