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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830.

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Viertens. Eine schlafende Nymphe. Die Alten,
welche Alles unter den schönsten Gesichtspunkt zu
bringen verstanden, pflegten häufig mit solchen Figu-
ren, als bloßen Emblemen des Todes, ihre Sarko-
phage zu schmücken. Der Schlaf, sieht man, ist tief
-- aber die Stellung dennoch beinahe üppig, und rei-
zend die Glieder, an die sich eine schöne Draperie,
nur halb verbergend, anschließt. Sie erinnert mehr
an neues junges Leben, als an den vorhergehenden
Tod. *) --

Fünftens. Eine Zigeunerin (angeblich), merkwür-
dig durch die Mischung von Stein und Bronce. Von
letzterem ist die Figur, von ersterem der lacedämoni-
sche Mantel. Der Kopf ist zwar modern, aber von
einem höchst gefälligen, schalkhaften Ausdruck, der
ganz einer ächten Zingarella angehört, wie sie Ita-
lien liefert.

Sechstens. Die prächtige Statüe einer Anbeten-
den. Der Kopf und Hals, von weißem Marmor, hat
die streng ideale Schönheit der besten Antiken, und
der Faltenwurf, vom härtesten Porphyr, könnte in
Sammt und Seide nicht leichter und freier fallen.

*) So sollten wir Alle den Tod betrachten, darstellen
und behandeln. Nur falsch verstandenes Christenthum,
vielleicht der jüdische Untergrund (wahrlich kein Gold-
grund) hat den Tod so lügübre gemacht, und eben so
grob sinnlich als unpoetisch, Verwesung und Gerippe
zu seinem Emblem erwählt.
A. d. H.

Viertens. Eine ſchlafende Nymphe. Die Alten,
welche Alles unter den ſchönſten Geſichtspunkt zu
bringen verſtanden, pflegten häufig mit ſolchen Figu-
ren, als bloßen Emblemen des Todes, ihre Sarko-
phage zu ſchmücken. Der Schlaf, ſieht man, iſt tief
— aber die Stellung dennoch beinahe üppig, und rei-
zend die Glieder, an die ſich eine ſchöne Draperie,
nur halb verbergend, anſchließt. Sie erinnert mehr
an neues junges Leben, als an den vorhergehenden
Tod. *)

Fünftens. Eine Zigeunerin (angeblich), merkwür-
dig durch die Miſchung von Stein und Bronce. Von
letzterem iſt die Figur, von erſterem der lacedämoni-
ſche Mantel. Der Kopf iſt zwar modern, aber von
einem höchſt gefälligen, ſchalkhaften Ausdruck, der
ganz einer ächten Zingarella angehört, wie ſie Ita-
lien liefert.

Sechstens. Die prächtige Statüe einer Anbeten-
den. Der Kopf und Hals, von weißem Marmor, hat
die ſtreng ideale Schönheit der beſten Antiken, und
der Faltenwurf, vom härteſten Porphyr, könnte in
Sammt und Seide nicht leichter und freier fallen.

*) So ſollten wir Alle den Tod betrachten, darſtellen
und behandeln. Nur falſch verſtandenes Chriſtenthum,
vielleicht der jüdiſche Untergrund (wahrlich kein Gold-
grund) hat den Tod ſo lügübre gemacht, und eben ſo
grob ſinnlich als unpoetiſch, Verweſung und Gerippe
zu ſeinem Emblem erwählt.
A. d. H.
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[342/0364] Viertens. Eine ſchlafende Nymphe. Die Alten, welche Alles unter den ſchönſten Geſichtspunkt zu bringen verſtanden, pflegten häufig mit ſolchen Figu- ren, als bloßen Emblemen des Todes, ihre Sarko- phage zu ſchmücken. Der Schlaf, ſieht man, iſt tief — aber die Stellung dennoch beinahe üppig, und rei- zend die Glieder, an die ſich eine ſchöne Draperie, nur halb verbergend, anſchließt. Sie erinnert mehr an neues junges Leben, als an den vorhergehenden Tod. *) — Fünftens. Eine Zigeunerin (angeblich), merkwür- dig durch die Miſchung von Stein und Bronce. Von letzterem iſt die Figur, von erſterem der lacedämoni- ſche Mantel. Der Kopf iſt zwar modern, aber von einem höchſt gefälligen, ſchalkhaften Ausdruck, der ganz einer ächten Zingarella angehört, wie ſie Ita- lien liefert. Sechstens. Die prächtige Statüe einer Anbeten- den. Der Kopf und Hals, von weißem Marmor, hat die ſtreng ideale Schönheit der beſten Antiken, und der Faltenwurf, vom härteſten Porphyr, könnte in Sammt und Seide nicht leichter und freier fallen. *) So ſollten wir Alle den Tod betrachten, darſtellen und behandeln. Nur falſch verſtandenes Chriſtenthum, vielleicht der jüdiſche Untergrund (wahrlich kein Gold- grund) hat den Tod ſo lügübre gemacht, und eben ſo grob ſinnlich als unpoetiſch, Verweſung und Gerippe zu ſeinem Emblem erwählt. A. d. H.

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. 342. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/364>, abgerufen am 27.04.2024.