Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830.

Bild:
<< vorherige Seite

in der Jungfrau von Orleans, giebt der Diener, der
auf eine Erhöhung gestiegen ist, dem Grafen, der
sich voll Abscheu abgewendet hat, Nachricht von dem
was vorgeht. Endlich ruft der Späher von oben
herab: jetzt kniet der junge Herr Baron nieder .....
sie verbinden ihm die Augen -- der Scharfrichter
naht sich ihm . . . . O mein Gott! . . . . . und
hier hört man einen dumpfen Schlag hinter der
Scene, wie von einem Schwert, das auf den Block
fällt. Der Graf verhüllt sein Gesicht, und tritt
schaudernd zurück, als Polder leichenblaß in seinen
Mantel gehüllt, von zwei Bürgern unterstützt herbei-
geführt wird, während lautes Getöse hinter der
Scene erschallt. "Gerechter Himmel! was habt Ihr
gethan!" ruft der Graf. "Seht hier, was ich ge-
than," erwiedert Polder mit schwacher Stimme, und
den Mantel aufschlagend, hält er ihm den verbunde-
nen Stumpf seines rechten Armes hin, von dem er
sich eben die Hand selbst abgehauen. "Mein junger
Freund," setzt er matt hinzu, "ist nun wenigstens auf
mehrere Stunden sicher." Das Volk strömt in
dumpfer Betäubung herbei, aber mit ihnen auch
Vandryks Onkel, der wüthend befiehlt, den pflichtlo-
sen Scharfrichter sogleich in das tiefste Gefängniß
zu werfen. Doch indem er noch spricht, erschallt von
fern ein ängstliches Rufen, man hört den Gallop ei-
nes Pferdes, und sieht Baron Steevens, vom schäu-
menden Roß springend, den Pardon des Statthal-
ters hoch empor halten, laut Gnade! Gnade! rufen,
und dann erschöpft den Umstehenden in die Arme

in der Jungfrau von Orleans, giebt der Diener, der
auf eine Erhöhung geſtiegen iſt, dem Grafen, der
ſich voll Abſcheu abgewendet hat, Nachricht von dem
was vorgeht. Endlich ruft der Späher von oben
herab: jetzt kniet der junge Herr Baron nieder .....
ſie verbinden ihm die Augen — der Scharfrichter
naht ſich ihm . . . . O mein Gott! . . . . . und
hier hört man einen dumpfen Schlag hinter der
Scene, wie von einem Schwert, das auf den Block
fällt. Der Graf verhüllt ſein Geſicht, und tritt
ſchaudernd zurück, als Polder leichenblaß in ſeinen
Mantel gehüllt, von zwei Bürgern unterſtützt herbei-
geführt wird, während lautes Getöſe hinter der
Scene erſchallt. „Gerechter Himmel! was habt Ihr
gethan!“ ruft der Graf. „Seht hier, was ich ge-
than,“ erwiedert Polder mit ſchwacher Stimme, und
den Mantel aufſchlagend, hält er ihm den verbunde-
nen Stumpf ſeines rechten Armes hin, von dem er
ſich eben die Hand ſelbſt abgehauen. „Mein junger
Freund,“ ſetzt er matt hinzu, „iſt nun wenigſtens auf
mehrere Stunden ſicher.“ Das Volk ſtrömt in
dumpfer Betäubung herbei, aber mit ihnen auch
Vandryks Onkel, der wüthend befiehlt, den pflichtlo-
ſen Scharfrichter ſogleich in das tiefſte Gefängniß
zu werfen. Doch indem er noch ſpricht, erſchallt von
fern ein ängſtliches Rufen, man hört den Gallop ei-
nes Pferdes, und ſieht Baron Steevens, vom ſchäu-
menden Roß ſpringend, den Pardon des Statthal-
ters hoch empor halten, laut Gnade! Gnade! rufen,
und dann erſchöpft den Umſtehenden in die Arme

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0398" n="376"/>
in der Jungfrau von Orleans, giebt der Diener, der<lb/>
auf eine Erhöhung ge&#x017F;tiegen i&#x017F;t, dem Grafen, der<lb/>
&#x017F;ich voll Ab&#x017F;cheu abgewendet hat, Nachricht von dem<lb/>
was vorgeht. Endlich ruft der Späher von oben<lb/>
herab: jetzt kniet der junge Herr Baron nieder .....<lb/>
&#x017F;ie verbinden ihm die Augen &#x2014; der Scharfrichter<lb/>
naht &#x017F;ich ihm . . . . O mein Gott! . . . . . und<lb/>
hier hört man einen dumpfen Schlag hinter der<lb/>
Scene, wie von einem Schwert, das auf den Block<lb/>
fällt. Der Graf verhüllt &#x017F;ein Ge&#x017F;icht, und tritt<lb/>
&#x017F;chaudernd zurück, als Polder leichenblaß in &#x017F;einen<lb/>
Mantel gehüllt, von zwei Bürgern unter&#x017F;tützt herbei-<lb/>
geführt wird, <choice><sic>wa&#x0307;hrend</sic><corr>während</corr></choice> lautes Getö&#x017F;e hinter der<lb/>
Scene er&#x017F;challt. &#x201E;Gerechter Himmel! was habt Ihr<lb/>
gethan!&#x201C; ruft der Graf. &#x201E;Seht hier, was ich ge-<lb/>
than,&#x201C; erwiedert Polder mit &#x017F;chwacher Stimme, und<lb/>
den Mantel auf&#x017F;chlagend, hält er ihm den verbunde-<lb/>
nen Stumpf &#x017F;eines rechten Armes hin, von dem er<lb/>
&#x017F;ich eben die Hand &#x017F;elb&#x017F;t abgehauen. &#x201E;Mein junger<lb/>
Freund,&#x201C; &#x017F;etzt er matt hinzu, &#x201E;i&#x017F;t nun wenig&#x017F;tens auf<lb/>
mehrere Stunden &#x017F;icher.&#x201C; Das Volk &#x017F;trömt in<lb/>
dumpfer Betäubung herbei, aber mit ihnen auch<lb/>
Vandryks Onkel, der wüthend befiehlt, den pflichtlo-<lb/>
&#x017F;en Scharfrichter &#x017F;ogleich in das tief&#x017F;te Gefängniß<lb/>
zu werfen. Doch indem er noch &#x017F;pricht, er&#x017F;challt von<lb/>
fern ein äng&#x017F;tliches Rufen, man hört den Gallop ei-<lb/>
nes Pferdes, und &#x017F;ieht Baron Steevens, vom &#x017F;chäu-<lb/>
menden Roß &#x017F;pringend, den Pardon des Statthal-<lb/>
ters hoch empor halten, laut Gnade! Gnade! rufen,<lb/>
und dann er&#x017F;chöpft den Um&#x017F;tehenden in die Arme<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[376/0398] in der Jungfrau von Orleans, giebt der Diener, der auf eine Erhöhung geſtiegen iſt, dem Grafen, der ſich voll Abſcheu abgewendet hat, Nachricht von dem was vorgeht. Endlich ruft der Späher von oben herab: jetzt kniet der junge Herr Baron nieder ..... ſie verbinden ihm die Augen — der Scharfrichter naht ſich ihm . . . . O mein Gott! . . . . . und hier hört man einen dumpfen Schlag hinter der Scene, wie von einem Schwert, das auf den Block fällt. Der Graf verhüllt ſein Geſicht, und tritt ſchaudernd zurück, als Polder leichenblaß in ſeinen Mantel gehüllt, von zwei Bürgern unterſtützt herbei- geführt wird, während lautes Getöſe hinter der Scene erſchallt. „Gerechter Himmel! was habt Ihr gethan!“ ruft der Graf. „Seht hier, was ich ge- than,“ erwiedert Polder mit ſchwacher Stimme, und den Mantel aufſchlagend, hält er ihm den verbunde- nen Stumpf ſeines rechten Armes hin, von dem er ſich eben die Hand ſelbſt abgehauen. „Mein junger Freund,“ ſetzt er matt hinzu, „iſt nun wenigſtens auf mehrere Stunden ſicher.“ Das Volk ſtrömt in dumpfer Betäubung herbei, aber mit ihnen auch Vandryks Onkel, der wüthend befiehlt, den pflichtlo- ſen Scharfrichter ſogleich in das tiefſte Gefängniß zu werfen. Doch indem er noch ſpricht, erſchallt von fern ein ängſtliches Rufen, man hört den Gallop ei- nes Pferdes, und ſieht Baron Steevens, vom ſchäu- menden Roß ſpringend, den Pardon des Statthal- ters hoch empor halten, laut Gnade! Gnade! rufen, und dann erſchöpft den Umſtehenden in die Arme

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/398
Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. 376. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/398>, abgerufen am 14.05.2024.