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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831.

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neu acquirirten Grundstück ankam, fand er dasselbe
fast ganz von Bäumen entblößt, und kein andres
hanging wood daselbst, als einen nahen -- Galgen.
Soviel für englische Humoristik und Rechtlichkeit.

Wie hätte ich aber die City verlassen können, ohne
ihren wahren Lion (englischer Ausdruck für jedes
Ausserordentliche in seiner Art) ihren Beherrscher --
mit einem Wort: Rothschild, besucht zu haben.

Auch er bewohnt hier nur ein unscheinbares Lo-
kal (denn im westend of the town befindet sich sein
Hotel), und in dem kleinen Hof des Comptoirs wurde
mir durch einen Frachtwagen, mit Silberbarren bela-
den, der Eingang zu diesem Haupt-Alliirten der hei-
ligen Allianz ziemlich schwierig gemacht. Ich fand
den russischen Consul daselbst, der eben seine Cour
machte. Es war ein seiner und gescheuter Mann,
der seine Rolle perfekt zu spielen, und den schuldigen
Respekt cum dignitate zu verbinden wußte. Dies
wurde um desto schwerer, da der geniale Selbstherr-
scher der City eben nicht viel Umstände machte, denn,
nachdem er gegen mich, der ihm seinen Creditbrief
überreicht hatte, ironisch geäussert: wir wären glück-
liche reiche Leute, daß wir so umherreisen und uns
amüsiren könnten, während auf ihm armen Manne
Weltlasten lägen, fuhr er damit fort, sich bitter zu
beklagen, daß kein armer Teufel nach England käme,
der nicht von ihm etwas haben wolle. So habe noch
gestern wieder ein Russe bei ihm gebettelt, eine Epi-
sode, die dem Gesicht des Consuls einen bittersüßen
Stempel aufdrückte, und, setzte er hinzu, die Deut-

neu acquirirten Grundſtück ankam, fand er daſſelbe
faſt ganz von Bäumen entblößt, und kein andres
hanging wood daſelbſt, als einen nahen — Galgen.
Soviel für engliſche Humoriſtik und Rechtlichkeit.

Wie hätte ich aber die City verlaſſen können, ohne
ihren wahren Lion (engliſcher Ausdruck für jedes
Auſſerordentliche in ſeiner Art) ihren Beherrſcher —
mit einem Wort: Rothſchild, beſucht zu haben.

Auch er bewohnt hier nur ein unſcheinbares Lo-
kal (denn im westend of the town befindet ſich ſein
Hotel), und in dem kleinen Hof des Comptoirs wurde
mir durch einen Frachtwagen, mit Silberbarren bela-
den, der Eingang zu dieſem Haupt-Alliirten der hei-
ligen Allianz ziemlich ſchwierig gemacht. Ich fand
den ruſſiſchen Conſul daſelbſt, der eben ſeine Cour
machte. Es war ein ſeiner und geſcheuter Mann,
der ſeine Rolle perfekt zu ſpielen, und den ſchuldigen
Reſpekt cum dignitate zu verbinden wußte. Dies
wurde um deſto ſchwerer, da der geniale Selbſtherr-
ſcher der City eben nicht viel Umſtände machte, denn,
nachdem er gegen mich, der ihm ſeinen Creditbrief
überreicht hatte, ironiſch geäuſſert: wir wären glück-
liche reiche Leute, daß wir ſo umherreiſen und uns
amüſiren könnten, während auf ihm armen Manne
Weltlaſten lägen, fuhr er damit fort, ſich bitter zu
beklagen, daß kein armer Teufel nach England käme,
der nicht von ihm etwas haben wolle. So habe noch
geſtern wieder ein Ruſſe bei ihm gebettelt, eine Epi-
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Stempel aufdrückte, und, ſetzte er hinzu, die Deut-

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[61/0101] neu acquirirten Grundſtück ankam, fand er daſſelbe faſt ganz von Bäumen entblößt, und kein andres hanging wood daſelbſt, als einen nahen — Galgen. Soviel für engliſche Humoriſtik und Rechtlichkeit. Wie hätte ich aber die City verlaſſen können, ohne ihren wahren Lion (engliſcher Ausdruck für jedes Auſſerordentliche in ſeiner Art) ihren Beherrſcher — mit einem Wort: Rothſchild, beſucht zu haben. Auch er bewohnt hier nur ein unſcheinbares Lo- kal (denn im westend of the town befindet ſich ſein Hotel), und in dem kleinen Hof des Comptoirs wurde mir durch einen Frachtwagen, mit Silberbarren bela- den, der Eingang zu dieſem Haupt-Alliirten der hei- ligen Allianz ziemlich ſchwierig gemacht. Ich fand den ruſſiſchen Conſul daſelbſt, der eben ſeine Cour machte. Es war ein ſeiner und geſcheuter Mann, der ſeine Rolle perfekt zu ſpielen, und den ſchuldigen Reſpekt cum dignitate zu verbinden wußte. Dies wurde um deſto ſchwerer, da der geniale Selbſtherr- ſcher der City eben nicht viel Umſtände machte, denn, nachdem er gegen mich, der ihm ſeinen Creditbrief überreicht hatte, ironiſch geäuſſert: wir wären glück- liche reiche Leute, daß wir ſo umherreiſen und uns amüſiren könnten, während auf ihm armen Manne Weltlaſten lägen, fuhr er damit fort, ſich bitter zu beklagen, daß kein armer Teufel nach England käme, der nicht von ihm etwas haben wolle. So habe noch geſtern wieder ein Ruſſe bei ihm gebettelt, eine Epi- ſode, die dem Geſicht des Conſuls einen bitterſüßen Stempel aufdrückte, und, ſetzte er hinzu, die Deut-

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/101>, abgerufen am 14.05.2024.