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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831.

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Ich trat in eine weite, sehr einfache Vorhalle, nur
mit einigen Geweihen von Riesenhirschen der Urwelt,
die hier ausgegraben wurden, geschmückt, und mit
wenigen massiven Bänken und Stühlen versehen, auf
welche das Wappen der Familie in bunten Farben
gemalt war. Einige sehr alte Gemälde, eine gothi-
sche Lampe, ein großer aus zwei Stücken Muschel-
marmor bestehender Tisch, von dem nur die obere
Seite des Tischblattes geschliffen, das Uebrige ganz
roh war, und ein Dutzend lederne Feuereymer, eben-
falls mit bunten Wappen bemalt, machten alle übri-
gen Meubles dieser Piece aus. Die Decke war von
Holz mit tiefen Caissons und verschossener alter Ma-
lerei. Man sah auf den ersten Blick, daß man in
kein Haus von gestern getreten war.

Eine hohe Thüre, aus schwerem geschnitzten Eichen-
holz, führte von hier in die Herren-Halle, einem
großen Saal, dessen ungeheure Fenster von der Decke
bis zum Boden gingen, und auf dieser Seite den
freien Anblick der Landschaft gewährten. Viele Ah-
nenbilder in Lebensgröße, zum Theil von Van Dyk
gemalt, hingen an der entgegengesetzten Wand, und
zwischen ihnen erhob sich der colossale Marmor-Ca-
min mit dem in Stuck ausgeführten und reichgefärb-
ten Wappen der Suffolks darüber. Die dritte Wand,
dieselbe, durch welche wir hereingekommen, war von
innen durchgängig mit kunstreichem, vortretendem
Schnitzwerk bedeckt, Figuren in halber Lebensgröße,
wie man an den Chören gothischer Kirchen sieht.
Gegenüber befand sich wieder eine hohe Flügelthüre,

Ich trat in eine weite, ſehr einfache Vorhalle, nur
mit einigen Geweihen von Rieſenhirſchen der Urwelt,
die hier ausgegraben wurden, geſchmückt, und mit
wenigen maſſiven Bänken und Stühlen verſehen, auf
welche das Wappen der Familie in bunten Farben
gemalt war. Einige ſehr alte Gemälde, eine gothi-
ſche Lampe, ein großer aus zwei Stücken Muſchel-
marmor beſtehender Tiſch, von dem nur die obere
Seite des Tiſchblattes geſchliffen, das Uebrige ganz
roh war, und ein Dutzend lederne Feuereymer, eben-
falls mit bunten Wappen bemalt, machten alle übri-
gen Meubles dieſer Piece aus. Die Decke war von
Holz mit tiefen Caiſſons und verſchoſſener alter Ma-
lerei. Man ſah auf den erſten Blick, daß man in
kein Haus von geſtern getreten war.

Eine hohe Thüre, aus ſchwerem geſchnitzten Eichen-
holz, führte von hier in die Herren-Halle, einem
großen Saal, deſſen ungeheure Fenſter von der Decke
bis zum Boden gingen, und auf dieſer Seite den
freien Anblick der Landſchaft gewährten. Viele Ah-
nenbilder in Lebensgröße, zum Theil von Van Dyk
gemalt, hingen an der entgegengeſetzten Wand, und
zwiſchen ihnen erhob ſich der coloſſale Marmor-Ca-
min mit dem in Stuck ausgeführten und reichgefärb-
ten Wappen der Suffolks darüber. Die dritte Wand,
dieſelbe, durch welche wir hereingekommen, war von
innen durchgängig mit kunſtreichem, vortretendem
Schnitzwerk bedeckt, Figuren in halber Lebensgröße,
wie man an den Chören gothiſcher Kirchen ſieht.
Gegenüber befand ſich wieder eine hohe Flügelthüre,

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[93/0133] Ich trat in eine weite, ſehr einfache Vorhalle, nur mit einigen Geweihen von Rieſenhirſchen der Urwelt, die hier ausgegraben wurden, geſchmückt, und mit wenigen maſſiven Bänken und Stühlen verſehen, auf welche das Wappen der Familie in bunten Farben gemalt war. Einige ſehr alte Gemälde, eine gothi- ſche Lampe, ein großer aus zwei Stücken Muſchel- marmor beſtehender Tiſch, von dem nur die obere Seite des Tiſchblattes geſchliffen, das Uebrige ganz roh war, und ein Dutzend lederne Feuereymer, eben- falls mit bunten Wappen bemalt, machten alle übri- gen Meubles dieſer Piece aus. Die Decke war von Holz mit tiefen Caiſſons und verſchoſſener alter Ma- lerei. Man ſah auf den erſten Blick, daß man in kein Haus von geſtern getreten war. Eine hohe Thüre, aus ſchwerem geſchnitzten Eichen- holz, führte von hier in die Herren-Halle, einem großen Saal, deſſen ungeheure Fenſter von der Decke bis zum Boden gingen, und auf dieſer Seite den freien Anblick der Landſchaft gewährten. Viele Ah- nenbilder in Lebensgröße, zum Theil von Van Dyk gemalt, hingen an der entgegengeſetzten Wand, und zwiſchen ihnen erhob ſich der coloſſale Marmor-Ca- min mit dem in Stuck ausgeführten und reichgefärb- ten Wappen der Suffolks darüber. Die dritte Wand, dieſelbe, durch welche wir hereingekommen, war von innen durchgängig mit kunſtreichem, vortretendem Schnitzwerk bedeckt, Figuren in halber Lebensgröße, wie man an den Chören gothiſcher Kirchen ſieht. Gegenüber befand ſich wieder eine hohe Flügelthüre,

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/133>, abgerufen am 29.04.2024.