Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831.

Bild:
<< vorherige Seite

genen, welche wegen Schulden sitzen. Der Hof bildet
ein Gärtchen, wo diese Schuldner spazieren gehen
können. In der Tiefe unter dem Hofe ist eine Art
Zwinger in Sternform, durch hohe Mauern in viele
Abtheilungen separirt, hinter denen ein halbmondsör-
miges Gebäude hinläuft, welches die Friedensstörer,
Diebe und Mörder beherbergt. Im letzten Theile des-
selben rechts sind die Weiber eingesperrt. Jeder der
einzelnen Strahlen des Zwingers ist als ein Blumen-
garten benutzt, mit Gängen durchschnitten, und zum
Gebrauch der Gefangenen bestimmt, die, so lange sie
noch nicht verurtheilt sind, in grauer Kleidung, nach
der Verurtheilung aber in halb grüner, halb rother
erscheinen. In jeder Abtheilung des hintern Gebäu-
des ist unten ein Gesellschaftszimmer, wo an Wochen-
tagen gearbeitet und dazu Feuer gemacht wird. Die
Zellen sind reinlich und luftig, die Nahrung verschie-
den, nach dem Grade des Verbrechens, bei der letzten
Classe nur Brod, Kartoffeln und Salz. Heute als
am Neujahrstag hatten dagegen alle Roastbeef, Plum-
pudding und Ale bekommen, waren größtentheils, be-
sonders die Weiber, sehr animirt, und machten einen
furchtbaren Lärm mit Hurraschreien auf das Wohl
des Stadtmagistrats, der ihnen diese Fete gegeben.

Die Aussicht von der obern Terrasse, über die Gar-
tenzwinger, die Gefängnisse und eine herrliche Ge-
gend, wo man den Fluß in der Tiefe gleich hinter
den Gefangenzellen strömen, seitwärts die Dächer und
Spitzen der Stadt in malerischem Wirrwarr, und in
der Entfernung die Berge von Wales erblickt, ist

genen, welche wegen Schulden ſitzen. Der Hof bildet
ein Gärtchen, wo dieſe Schuldner ſpazieren gehen
können. In der Tiefe unter dem Hofe iſt eine Art
Zwinger in Sternform, durch hohe Mauern in viele
Abtheilungen ſeparirt, hinter denen ein halbmondſör-
miges Gebäude hinläuft, welches die Friedensſtörer,
Diebe und Mörder beherbergt. Im letzten Theile deſ-
ſelben rechts ſind die Weiber eingeſperrt. Jeder der
einzelnen Strahlen des Zwingers iſt als ein Blumen-
garten benutzt, mit Gängen durchſchnitten, und zum
Gebrauch der Gefangenen beſtimmt, die, ſo lange ſie
noch nicht verurtheilt ſind, in grauer Kleidung, nach
der Verurtheilung aber in halb grüner, halb rother
erſcheinen. In jeder Abtheilung des hintern Gebäu-
des iſt unten ein Geſellſchaftszimmer, wo an Wochen-
tagen gearbeitet und dazu Feuer gemacht wird. Die
Zellen ſind reinlich und luftig, die Nahrung verſchie-
den, nach dem Grade des Verbrechens, bei der letzten
Claſſe nur Brod, Kartoffeln und Salz. Heute als
am Neujahrstag hatten dagegen alle Roaſtbeef, Plum-
pudding und Ale bekommen, waren größtentheils, be-
ſonders die Weiber, ſehr animirt, und machten einen
furchtbaren Lärm mit Hurraſchreien auf das Wohl
des Stadtmagiſtrats, der ihnen dieſe Fete gegeben.

Die Ausſicht von der obern Terraſſe, über die Gar-
tenzwinger, die Gefängniſſe und eine herrliche Ge-
gend, wo man den Fluß in der Tiefe gleich hinter
den Gefangenzellen ſtrömen, ſeitwärts die Dächer und
Spitzen der Stadt in maleriſchem Wirrwarr, und in
der Entfernung die Berge von Wales erblickt, iſt

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0300" n="254"/>
genen, welche wegen Schulden &#x017F;itzen. Der Hof bildet<lb/>
ein Gärtchen, wo die&#x017F;e Schuldner &#x017F;pazieren gehen<lb/>
können. In der Tiefe unter dem Hofe i&#x017F;t eine Art<lb/>
Zwinger in Sternform, durch hohe Mauern in viele<lb/>
Abtheilungen &#x017F;eparirt, hinter denen ein halbmond&#x017F;ör-<lb/>
miges Gebäude hinläuft, welches die Friedens&#x017F;törer,<lb/>
Diebe und Mörder beherbergt. Im letzten Theile de&#x017F;-<lb/>
&#x017F;elben rechts &#x017F;ind die Weiber einge&#x017F;perrt. Jeder der<lb/>
einzelnen Strahlen des Zwingers i&#x017F;t als ein Blumen-<lb/>
garten benutzt, mit Gängen durch&#x017F;chnitten, und zum<lb/>
Gebrauch der Gefangenen be&#x017F;timmt, die, &#x017F;o lange &#x017F;ie<lb/>
noch nicht verurtheilt &#x017F;ind, in grauer Kleidung, nach<lb/>
der Verurtheilung aber in halb grüner, halb rother<lb/>
er&#x017F;cheinen. In jeder Abtheilung des hintern Gebäu-<lb/>
des i&#x017F;t unten ein Ge&#x017F;ell&#x017F;chaftszimmer, wo an Wochen-<lb/>
tagen gearbeitet und dazu Feuer gemacht wird. Die<lb/>
Zellen &#x017F;ind reinlich und luftig, die Nahrung ver&#x017F;chie-<lb/>
den, nach dem Grade des Verbrechens, bei der letzten<lb/>
Cla&#x017F;&#x017F;e nur Brod, Kartoffeln und Salz. Heute als<lb/>
am Neujahrstag hatten dagegen alle Roa&#x017F;tbeef, Plum-<lb/>
pudding und Ale bekommen, waren größtentheils, be-<lb/>
&#x017F;onders die Weiber, &#x017F;ehr animirt, und machten einen<lb/>
furchtbaren Lärm mit Hurra&#x017F;chreien auf das Wohl<lb/>
des Stadtmagi&#x017F;trats, der ihnen die&#x017F;e Fete gegeben.</p><lb/>
          <p>Die Aus&#x017F;icht von der obern Terra&#x017F;&#x017F;e, über die Gar-<lb/>
tenzwinger, die Gefängni&#x017F;&#x017F;e und eine herrliche Ge-<lb/>
gend, wo man den Fluß in der Tiefe gleich hinter<lb/>
den Gefangenzellen &#x017F;trömen, &#x017F;eitwärts die Dächer und<lb/>
Spitzen der Stadt in maleri&#x017F;chem Wirrwarr, und in<lb/>
der Entfernung die Berge von Wales erblickt, i&#x017F;t<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[254/0300] genen, welche wegen Schulden ſitzen. Der Hof bildet ein Gärtchen, wo dieſe Schuldner ſpazieren gehen können. In der Tiefe unter dem Hofe iſt eine Art Zwinger in Sternform, durch hohe Mauern in viele Abtheilungen ſeparirt, hinter denen ein halbmondſör- miges Gebäude hinläuft, welches die Friedensſtörer, Diebe und Mörder beherbergt. Im letzten Theile deſ- ſelben rechts ſind die Weiber eingeſperrt. Jeder der einzelnen Strahlen des Zwingers iſt als ein Blumen- garten benutzt, mit Gängen durchſchnitten, und zum Gebrauch der Gefangenen beſtimmt, die, ſo lange ſie noch nicht verurtheilt ſind, in grauer Kleidung, nach der Verurtheilung aber in halb grüner, halb rother erſcheinen. In jeder Abtheilung des hintern Gebäu- des iſt unten ein Geſellſchaftszimmer, wo an Wochen- tagen gearbeitet und dazu Feuer gemacht wird. Die Zellen ſind reinlich und luftig, die Nahrung verſchie- den, nach dem Grade des Verbrechens, bei der letzten Claſſe nur Brod, Kartoffeln und Salz. Heute als am Neujahrstag hatten dagegen alle Roaſtbeef, Plum- pudding und Ale bekommen, waren größtentheils, be- ſonders die Weiber, ſehr animirt, und machten einen furchtbaren Lärm mit Hurraſchreien auf das Wohl des Stadtmagiſtrats, der ihnen dieſe Fete gegeben. Die Ausſicht von der obern Terraſſe, über die Gar- tenzwinger, die Gefängniſſe und eine herrliche Ge- gend, wo man den Fluß in der Tiefe gleich hinter den Gefangenzellen ſtrömen, ſeitwärts die Dächer und Spitzen der Stadt in maleriſchem Wirrwarr, und in der Entfernung die Berge von Wales erblickt, iſt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/300
Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/300>, abgerufen am 29.04.2024.