Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831.

Bild:
<< vorherige Seite

alles bietet sich fortwährend die Hand zu einem
freudigen Reigen, in dem man wie im Traume durch
flüchtige Pferde fortgerissen wird, während immer
neue Palläste, immer andere Städte am Horizont
erscheinen, und ihre hohen gothischen Thürme in
dämmernder Ferne mit den Wolken sich verschmelzen.
Eben so läßt in der Nähe eine oft groteske und stets
wechselnde Staffage keinem Gefühl der Einförmigkeit
Raum. Bald sind es seltsam mit Schnitzwerk und
Vergoldung verzierte Wagen ohne Deichsel, und von
Kutschern regiert, die in blauen Westen, kurzen schwar-
zen Hosen, schwarzen Strümpfen und Schuhen mit
ungeheuren silbernen Schnallen, auf einer schmalen
Pritsche sitzen; oder zu Fuß wandernde Weiber mit
sechs Zoll langen goldnen und silbernen Ohrringen
behangen, und chinesischen Sommerhüten, gleich
Dächern auf den Köpfen; bald zu Drachen und fa-
belhaften Ungethümen verschnittene Taxus-Bäume,
oder mit weiß und bunter Oelfarbe angestrichene
Lindenstämme, asiatisch mit vielfachen Thürmchen ver-
zierte Feueressen, absichtlich schief liegend gebaute
Häuser, Gärten mit lebensgroßen Marmor-Statuen
in altfranzösischer Hofkleidung durch das Gebüsch lau-
schend, oder eine Menge 2 -- 3 Fuß hoher, spiegel-
blank polirter Messingflaschen auf den grünen Wiesen
am Wege stehend, die wie pures Gold im Grase blin-
ken, und doch nur die bescheidne Bestimmung haben,
die Milch der Kühe aufzunehmen, welche daneben
von jungen Mädchen und Knaben emsig gemolken
werden -- kurz eine Menge ganz fremder ungewohn-

alles bietet ſich fortwährend die Hand zu einem
freudigen Reigen, in dem man wie im Traume durch
flüchtige Pferde fortgeriſſen wird, während immer
neue Palläſte, immer andere Städte am Horizont
erſcheinen, und ihre hohen gothiſchen Thürme in
dämmernder Ferne mit den Wolken ſich verſchmelzen.
Eben ſo läßt in der Nähe eine oft groteske und ſtets
wechſelnde Staffage keinem Gefühl der Einförmigkeit
Raum. Bald ſind es ſeltſam mit Schnitzwerk und
Vergoldung verzierte Wagen ohne Deichſel, und von
Kutſchern regiert, die in blauen Weſten, kurzen ſchwar-
zen Hoſen, ſchwarzen Strümpfen und Schuhen mit
ungeheuren ſilbernen Schnallen, auf einer ſchmalen
Pritſche ſitzen; oder zu Fuß wandernde Weiber mit
ſechs Zoll langen goldnen und ſilbernen Ohrringen
behangen, und chineſiſchen Sommerhüten, gleich
Dächern auf den Köpfen; bald zu Drachen und fa-
belhaften Ungethümen verſchnittene Taxus-Bäume,
oder mit weiß und bunter Oelfarbe angeſtrichene
Lindenſtämme, aſiatiſch mit vielfachen Thürmchen ver-
zierte Feuereſſen, abſichtlich ſchief liegend gebaute
Häuſer, Gärten mit lebensgroßen Marmor-Statuen
in altfranzöſiſcher Hofkleidung durch das Gebüſch lau-
ſchend, oder eine Menge 2 — 3 Fuß hoher, ſpiegel-
blank polirter Meſſingflaſchen auf den grünen Wieſen
am Wege ſtehend, die wie pures Gold im Graſe blin-
ken, und doch nur die beſcheidne Beſtimmung haben,
die Milch der Kühe aufzunehmen, welche daneben
von jungen Mädchen und Knaben emſig gemolken
werden — kurz eine Menge ganz fremder ungewohn-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0068" n="28"/>
alles bietet &#x017F;ich fortwährend die Hand zu <hi rendition="#g">einem</hi><lb/>
freudigen Reigen, in dem man wie im Traume durch<lb/>
flüchtige Pferde fortgeri&#x017F;&#x017F;en wird, während immer<lb/>
neue Pallä&#x017F;te, immer andere Städte am Horizont<lb/>
er&#x017F;cheinen, und ihre hohen gothi&#x017F;chen Thürme in<lb/>
dämmernder Ferne mit den Wolken &#x017F;ich ver&#x017F;chmelzen.<lb/>
Eben &#x017F;o läßt in der Nähe eine oft groteske und &#x017F;tets<lb/>
wech&#x017F;elnde Staffage keinem Gefühl der Einförmigkeit<lb/>
Raum. Bald &#x017F;ind es &#x017F;elt&#x017F;am mit Schnitzwerk und<lb/>
Vergoldung verzierte Wagen ohne Deich&#x017F;el, und von<lb/>
Kut&#x017F;chern regiert, die in blauen We&#x017F;ten, kurzen &#x017F;chwar-<lb/>
zen Ho&#x017F;en, &#x017F;chwarzen Strümpfen und Schuhen mit<lb/>
ungeheuren &#x017F;ilbernen Schnallen, auf einer &#x017F;chmalen<lb/>
Prit&#x017F;che &#x017F;itzen; oder zu Fuß wandernde Weiber mit<lb/>
&#x017F;echs Zoll langen goldnen und &#x017F;ilbernen Ohrringen<lb/>
behangen, und chine&#x017F;i&#x017F;chen Sommerhüten, gleich<lb/>
Dächern auf den Köpfen; bald zu Drachen und fa-<lb/>
belhaften Ungethümen ver&#x017F;chnittene Taxus-Bäume,<lb/>
oder mit weiß und bunter Oelfarbe ange&#x017F;trichene<lb/>
Linden&#x017F;tämme, a&#x017F;iati&#x017F;ch mit vielfachen Thürmchen ver-<lb/>
zierte Feuere&#x017F;&#x017F;en, ab&#x017F;ichtlich &#x017F;chief liegend gebaute<lb/>
Häu&#x017F;er, Gärten mit lebensgroßen Marmor-Statuen<lb/>
in altfranzö&#x017F;i&#x017F;cher Hofkleidung durch das Gebü&#x017F;ch lau-<lb/>
&#x017F;chend, oder eine Menge 2 &#x2014; 3 Fuß hoher, &#x017F;piegel-<lb/>
blank polirter Me&#x017F;&#x017F;ingfla&#x017F;chen auf den grünen Wie&#x017F;en<lb/>
am Wege &#x017F;tehend, die wie pures Gold im Gra&#x017F;e blin-<lb/>
ken, und doch nur die be&#x017F;cheidne Be&#x017F;timmung haben,<lb/>
die Milch der Kühe aufzunehmen, welche daneben<lb/>
von jungen Mädchen und Knaben em&#x017F;ig gemolken<lb/>
werden &#x2014; kurz eine Menge ganz fremder ungewohn-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[28/0068] alles bietet ſich fortwährend die Hand zu einem freudigen Reigen, in dem man wie im Traume durch flüchtige Pferde fortgeriſſen wird, während immer neue Palläſte, immer andere Städte am Horizont erſcheinen, und ihre hohen gothiſchen Thürme in dämmernder Ferne mit den Wolken ſich verſchmelzen. Eben ſo läßt in der Nähe eine oft groteske und ſtets wechſelnde Staffage keinem Gefühl der Einförmigkeit Raum. Bald ſind es ſeltſam mit Schnitzwerk und Vergoldung verzierte Wagen ohne Deichſel, und von Kutſchern regiert, die in blauen Weſten, kurzen ſchwar- zen Hoſen, ſchwarzen Strümpfen und Schuhen mit ungeheuren ſilbernen Schnallen, auf einer ſchmalen Pritſche ſitzen; oder zu Fuß wandernde Weiber mit ſechs Zoll langen goldnen und ſilbernen Ohrringen behangen, und chineſiſchen Sommerhüten, gleich Dächern auf den Köpfen; bald zu Drachen und fa- belhaften Ungethümen verſchnittene Taxus-Bäume, oder mit weiß und bunter Oelfarbe angeſtrichene Lindenſtämme, aſiatiſch mit vielfachen Thürmchen ver- zierte Feuereſſen, abſichtlich ſchief liegend gebaute Häuſer, Gärten mit lebensgroßen Marmor-Statuen in altfranzöſiſcher Hofkleidung durch das Gebüſch lau- ſchend, oder eine Menge 2 — 3 Fuß hoher, ſpiegel- blank polirter Meſſingflaſchen auf den grünen Wieſen am Wege ſtehend, die wie pures Gold im Graſe blin- ken, und doch nur die beſcheidne Beſtimmung haben, die Milch der Kühe aufzunehmen, welche daneben von jungen Mädchen und Knaben emſig gemolken werden — kurz eine Menge ganz fremder ungewohn-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/68
Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/68>, abgerufen am 29.04.2024.