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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831.

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langer Linie mit einem Blick zu übersehen ist. Die
Umgegend ist reizend, die Luft sehr gesund, da Utrecht
am höchsten in Holland liegt, und wie man mir sagte,
auch die Gesellschaft im Winter und Frühling sehr
belebt, weil der reichste Adel des Landes sich hier
aufhält. Der Handel dagegen ist unbedeutend, und
die ganze Allüre der Stadt und Menschen mehr ari-
stokratisch.

Von hier fuhr ich nach Gouda, dessen Dom durch
seine köstlichen Glasmalereien berühmt ist. Für eins
dieser Fenster wurden von einem Engländer ohnlängst
80,000 Gulden vergebens geboten. Es gleicht an
Ausführung einem Miniatur-Gemälde und glänzt in
unbeschreiblicher Farbenpracht, ja die Edelsteine und
Perlen an dem Schmuck der Priester wetteifern mit
ächten. Ein anderes schenkte Philipp 11. der Kirche,
dessen eine Hälfte der Blitz kurz darauf zerschmet-
terte, was gewiß in jener Zeit als omineus angese-
hen wurde. Er selbst ist darauf abgebildet, und
zwar in einem Mantel von ächter Purpurfarbe, nicht
das gewöhnliche Roth, sondern ein violett schim-
merndes, zwischen Veilchenblau und Cramoisi spie-
lend, schöner als ich es je noch auf altem Glase sah.
Auf einem dritten befindet sich das Portrait des
Herzogs von Alba. Alle Fenster sind von ungewöhn-
lich großen Dimensionen, und mit wenigen Ausnah-
men tadellos erhalten, sämmtlich aus dem 15. und
16. Jahrhundert bis auf eins, welches erst im 17.
gemalt wurde, und auch den Verfall dieser Kunst
sehr verräth, indem es den übrigen sowohl an Gluth

langer Linie mit einem Blick zu überſehen iſt. Die
Umgegend iſt reizend, die Luft ſehr geſund, da Utrecht
am höchſten in Holland liegt, und wie man mir ſagte,
auch die Geſellſchaft im Winter und Frühling ſehr
belebt, weil der reichſte Adel des Landes ſich hier
aufhält. Der Handel dagegen iſt unbedeutend, und
die ganze Allüre der Stadt und Menſchen mehr ari-
ſtokratiſch.

Von hier fuhr ich nach Gouda, deſſen Dom durch
ſeine köſtlichen Glasmalereien berühmt iſt. Für eins
dieſer Fenſter wurden von einem Engländer ohnlängſt
80,000 Gulden vergebens geboten. Es gleicht an
Ausführung einem Miniatur-Gemälde und glänzt in
unbeſchreiblicher Farbenpracht, ja die Edelſteine und
Perlen an dem Schmuck der Prieſter wetteifern mit
ächten. Ein anderes ſchenkte Philipp 11. der Kirche,
deſſen eine Hälfte der Blitz kurz darauf zerſchmet-
terte, was gewiß in jener Zeit als omineus angeſe-
hen wurde. Er ſelbſt iſt darauf abgebildet, und
zwar in einem Mantel von ächter Purpurfarbe, nicht
das gewöhnliche Roth, ſondern ein violett ſchim-
merndes, zwiſchen Veilchenblau und Cramoiſi ſpie-
lend, ſchöner als ich es je noch auf altem Glaſe ſah.
Auf einem dritten befindet ſich das Portrait des
Herzogs von Alba. Alle Fenſter ſind von ungewöhn-
lich großen Dimenſionen, und mit wenigen Ausnah-
men tadellos erhalten, ſämmtlich aus dem 15. und
16. Jahrhundert bis auf eins, welches erſt im 17.
gemalt wurde, und auch den Verfall dieſer Kunſt
ſehr verräth, indem es den übrigen ſowohl an Gluth

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[31/0071] langer Linie mit einem Blick zu überſehen iſt. Die Umgegend iſt reizend, die Luft ſehr geſund, da Utrecht am höchſten in Holland liegt, und wie man mir ſagte, auch die Geſellſchaft im Winter und Frühling ſehr belebt, weil der reichſte Adel des Landes ſich hier aufhält. Der Handel dagegen iſt unbedeutend, und die ganze Allüre der Stadt und Menſchen mehr ari- ſtokratiſch. Von hier fuhr ich nach Gouda, deſſen Dom durch ſeine köſtlichen Glasmalereien berühmt iſt. Für eins dieſer Fenſter wurden von einem Engländer ohnlängſt 80,000 Gulden vergebens geboten. Es gleicht an Ausführung einem Miniatur-Gemälde und glänzt in unbeſchreiblicher Farbenpracht, ja die Edelſteine und Perlen an dem Schmuck der Prieſter wetteifern mit ächten. Ein anderes ſchenkte Philipp 11. der Kirche, deſſen eine Hälfte der Blitz kurz darauf zerſchmet- terte, was gewiß in jener Zeit als omineus angeſe- hen wurde. Er ſelbſt iſt darauf abgebildet, und zwar in einem Mantel von ächter Purpurfarbe, nicht das gewöhnliche Roth, ſondern ein violett ſchim- merndes, zwiſchen Veilchenblau und Cramoiſi ſpie- lend, ſchöner als ich es je noch auf altem Glaſe ſah. Auf einem dritten befindet ſich das Portrait des Herzogs von Alba. Alle Fenſter ſind von ungewöhn- lich großen Dimenſionen, und mit wenigen Ausnah- men tadellos erhalten, ſämmtlich aus dem 15. und 16. Jahrhundert bis auf eins, welches erſt im 17. gemalt wurde, und auch den Verfall dieſer Kunſt ſehr verräth, indem es den übrigen ſowohl an Gluth

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/71>, abgerufen am 29.04.2024.