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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831.

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wieder zu Lord H ..., immer mit neuem Entzücken
den herrlichen Eichenwald seines Parks genießend,
an dessen Eingang die niedlichste Gärtnerwohnung
von rohen Stämmen und Aesten geschmackvoll aufge-
baut, und mit Rosen überwachsen, den lieblichen
Charakter des Ganzen schon im voraus anzeigt. Ich
fand eine große Gesellschaft, die Oberhofmeisterin, zwei
Hofdamen und zwei Cavaliere der Königin von Wür-
temberg, sämmtlich Deutsche, le Marquis de H ...,
einen Franzosen mit seinen zwei Söhnen und seiner
artigen Tochter, einer ächten Pariserin, ferner einen
englischen Geistlichen und noch einen andern frem-
den Edelmann.

Die französischen Herren haben sehr gescheidterweise
bei dem alten Lord ohne Verwandten die Cousinschaft
geltend gemacht, sind sehr gut aufgenommen, wohnen
in der Cottage im Thale, die ich gestern beschrieb,
und haben alle Anwartschaft, die Erben des ganzen
colossalen Vermögens zu werden. Auch sieht man die
kleine Französin schon für eine große Parthie an.
Von allen interessirte mich indessen die Gräfin am
meisten, weil sie eine höchst liebenswürdige alte Frau
ist, voller Würde und Höflichkeit mit dem anmuthig-
sten Geiste verbunden, die überdieß viel gesehen und
erlebt hat, und es auf interessante Weise wieder zu
erzählen weiß. Sie sagte mir Manches über Lord
Byron, der als Knabe lange in ihrem Hause lebte,
und schon damals so unbezähmbar war, daß sie, wie
sie sagte, unsägliche Noth mit dem trotzigen, gern
Unheil anstiftenden Buben gehabt habe. Sie hielt

wieder zu Lord H …, immer mit neuem Entzücken
den herrlichen Eichenwald ſeines Parks genießend,
an deſſen Eingang die niedlichſte Gärtnerwohnung
von rohen Stämmen und Aeſten geſchmackvoll aufge-
baut, und mit Roſen überwachſen, den lieblichen
Charakter des Ganzen ſchon im voraus anzeigt. Ich
fand eine große Geſellſchaft, die Oberhofmeiſterin, zwei
Hofdamen und zwei Cavaliere der Königin von Wür-
temberg, ſämmtlich Deutſche, le Marquis de H …,
einen Franzoſen mit ſeinen zwei Söhnen und ſeiner
artigen Tochter, einer ächten Pariſerin, ferner einen
engliſchen Geiſtlichen und noch einen andern frem-
den Edelmann.

Die franzöſiſchen Herren haben ſehr geſcheidterweiſe
bei dem alten Lord ohne Verwandten die Couſinſchaft
geltend gemacht, ſind ſehr gut aufgenommen, wohnen
in der Cottage im Thale, die ich geſtern beſchrieb,
und haben alle Anwartſchaft, die Erben des ganzen
coloſſalen Vermögens zu werden. Auch ſieht man die
kleine Franzöſin ſchon für eine große Parthie an.
Von allen intereſſirte mich indeſſen die Gräfin am
meiſten, weil ſie eine höchſt liebenswürdige alte Frau
iſt, voller Würde und Höflichkeit mit dem anmuthig-
ſten Geiſte verbunden, die überdieß viel geſehen und
erlebt hat, und es auf intereſſante Weiſe wieder zu
erzählen weiß. Sie ſagte mir Manches über Lord
Byron, der als Knabe lange in ihrem Hauſe lebte,
und ſchon damals ſo unbezähmbar war, daß ſie, wie
ſie ſagte, unſägliche Noth mit dem trotzigen, gern
Unheil anſtiftenden Buben gehabt habe. Sie hielt

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[153/0169] wieder zu Lord H …, immer mit neuem Entzücken den herrlichen Eichenwald ſeines Parks genießend, an deſſen Eingang die niedlichſte Gärtnerwohnung von rohen Stämmen und Aeſten geſchmackvoll aufge- baut, und mit Roſen überwachſen, den lieblichen Charakter des Ganzen ſchon im voraus anzeigt. Ich fand eine große Geſellſchaft, die Oberhofmeiſterin, zwei Hofdamen und zwei Cavaliere der Königin von Wür- temberg, ſämmtlich Deutſche, le Marquis de H …, einen Franzoſen mit ſeinen zwei Söhnen und ſeiner artigen Tochter, einer ächten Pariſerin, ferner einen engliſchen Geiſtlichen und noch einen andern frem- den Edelmann. Die franzöſiſchen Herren haben ſehr geſcheidterweiſe bei dem alten Lord ohne Verwandten die Couſinſchaft geltend gemacht, ſind ſehr gut aufgenommen, wohnen in der Cottage im Thale, die ich geſtern beſchrieb, und haben alle Anwartſchaft, die Erben des ganzen coloſſalen Vermögens zu werden. Auch ſieht man die kleine Franzöſin ſchon für eine große Parthie an. Von allen intereſſirte mich indeſſen die Gräfin am meiſten, weil ſie eine höchſt liebenswürdige alte Frau iſt, voller Würde und Höflichkeit mit dem anmuthig- ſten Geiſte verbunden, die überdieß viel geſehen und erlebt hat, und es auf intereſſante Weiſe wieder zu erzählen weiß. Sie ſagte mir Manches über Lord Byron, der als Knabe lange in ihrem Hauſe lebte, und ſchon damals ſo unbezähmbar war, daß ſie, wie ſie ſagte, unſägliche Noth mit dem trotzigen, gern Unheil anſtiftenden Buben gehabt habe. Sie hielt

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/169>, abgerufen am 29.04.2024.