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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831.

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Du tadelst es, daß ich in gewissen Dingen lieber
schreibe wie rede. Du hast im Ganzen recht. Es ist
aber diese Sache und alles Suppliciren so meiner
ganzen Natur entgegen, daß ich unbeholfen und
schlecht spreche, und daher immer noch besser thue,
wenn ich schreibe. Auch ist dann das Mißlingen nicht
so unangenehm. Doch zu meiner Reise zurück.

Die Menge prachtvoller Besitzungen in England ist
wirklich fast zahllos zu nennen. Man muß sich nur
auf die wichtigsten einschränken. Ohngefähr 10 Mei-
len von Harrowgate fand ich an der Straße Hare-
woodpark, einen sehr reizenden Aufenthalt. Dieser
Park ist vor 100 Jahren von Brown ganz auf ei-
nem Terrain angelegt, wie ich es mir immer wünschte,
nämlich in einem natürlichen Wald mit Thalschluch-
ten, Felsen darin, einem reich mit Wasser versehenen
Waldbach, und auf einem der Hügel die Ruine ei-
nes alten Schlosses -- alles dies in der fruchtbarsten
Gegend mit fernen Aussichten auf die Gebirge Cum-
berlands. Der große Meister hat diese Materialien
herrlich benützt, ein prächtiges Schloß im edlen anti-
ken Geschmack auf einen der Hügel gebaut, im Thal-
grund davor den kleinen Fluß zu einem weiten See
ausgedehnt, und so dem Schloß auf der einen Seite
eine überaus liebliche Aussicht in den einsamen Park,
auf der andern in die weite Ferne und reiche Ge-
gend gegeben.

Auf eine auffallende Art wurde für mich die Scene
noch dadurch belebt, daß grade, als ich vor dem

Du tadelſt es, daß ich in gewiſſen Dingen lieber
ſchreibe wie rede. Du haſt im Ganzen recht. Es iſt
aber dieſe Sache und alles Suppliciren ſo meiner
ganzen Natur entgegen, daß ich unbeholfen und
ſchlecht ſpreche, und daher immer noch beſſer thue,
wenn ich ſchreibe. Auch iſt dann das Mißlingen nicht
ſo unangenehm. Doch zu meiner Reiſe zurück.

Die Menge prachtvoller Beſitzungen in England iſt
wirklich faſt zahllos zu nennen. Man muß ſich nur
auf die wichtigſten einſchränken. Ohngefähr 10 Mei-
len von Harrowgate fand ich an der Straße Hare-
woodpark, einen ſehr reizenden Aufenthalt. Dieſer
Park iſt vor 100 Jahren von Brown ganz auf ei-
nem Terrain angelegt, wie ich es mir immer wünſchte,
nämlich in einem natürlichen Wald mit Thalſchluch-
ten, Felſen darin, einem reich mit Waſſer verſehenen
Waldbach, und auf einem der Hügel die Ruine ei-
nes alten Schloſſes — alles dies in der fruchtbarſten
Gegend mit fernen Ausſichten auf die Gebirge Cum-
berlands. Der große Meiſter hat dieſe Materialien
herrlich benützt, ein prächtiges Schloß im edlen anti-
ken Geſchmack auf einen der Hügel gebaut, im Thal-
grund davor den kleinen Fluß zu einem weiten See
ausgedehnt, und ſo dem Schloß auf der einen Seite
eine überaus liebliche Ausſicht in den einſamen Park,
auf der andern in die weite Ferne und reiche Ge-
gend gegeben.

Auf eine auffallende Art wurde für mich die Scene
noch dadurch belebt, daß grade, als ich vor dem

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[219/0235] Du tadelſt es, daß ich in gewiſſen Dingen lieber ſchreibe wie rede. Du haſt im Ganzen recht. Es iſt aber dieſe Sache und alles Suppliciren ſo meiner ganzen Natur entgegen, daß ich unbeholfen und ſchlecht ſpreche, und daher immer noch beſſer thue, wenn ich ſchreibe. Auch iſt dann das Mißlingen nicht ſo unangenehm. Doch zu meiner Reiſe zurück. Die Menge prachtvoller Beſitzungen in England iſt wirklich faſt zahllos zu nennen. Man muß ſich nur auf die wichtigſten einſchränken. Ohngefähr 10 Mei- len von Harrowgate fand ich an der Straße Hare- woodpark, einen ſehr reizenden Aufenthalt. Dieſer Park iſt vor 100 Jahren von Brown ganz auf ei- nem Terrain angelegt, wie ich es mir immer wünſchte, nämlich in einem natürlichen Wald mit Thalſchluch- ten, Felſen darin, einem reich mit Waſſer verſehenen Waldbach, und auf einem der Hügel die Ruine ei- nes alten Schloſſes — alles dies in der fruchtbarſten Gegend mit fernen Ausſichten auf die Gebirge Cum- berlands. Der große Meiſter hat dieſe Materialien herrlich benützt, ein prächtiges Schloß im edlen anti- ken Geſchmack auf einen der Hügel gebaut, im Thal- grund davor den kleinen Fluß zu einem weiten See ausgedehnt, und ſo dem Schloß auf der einen Seite eine überaus liebliche Ausſicht in den einſamen Park, auf der andern in die weite Ferne und reiche Ge- gend gegeben. Auf eine auffallende Art wurde für mich die Scene noch dadurch belebt, daß grade, als ich vor dem

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/235>, abgerufen am 28.04.2024.