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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831.

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über Zaun und Gräben fliegenden Pastoren, welche
oft, schon gestiefelt und gespornt, mit der Jagdpeitsche
in der Hand, schnell vorher noch copuliren, taufen
oder begraben, um sich von der Ceremonie weg so-
gleich auf's Roß zu schwingen. Man erzählt von
einem der berühmtesten geistlichen Fuchsjäger dieser
Art, daß er immer einen zahmen Fuchs in der Tasche
mit sich führte, und fand man keinen andern, diesen
zum Besten gab. Das Thier war so gut abgerichtet,
daß es eine Weile die Hunde amüsirte, und dann, wenn
es der Jagd müde war, sich schnell in seinen unan-
tastbaren Schlupfwinkel rettete, denn dieser war kein
anderer -- als der Altar der Dorfkirche, zu dem ein
Loch in der Mauer führte, und unter dessen Stufen
ihm ein bequemes Lager bereitet war. Dies ist recht
englisch religiös.



Ich habe mir durch Verkältung ein heftiges nervö-
ses Fieber geholt, das mich schon vierzehn Tage an
mein Bett fesselt, und außerordentlich abgemattet hat.
Es ist sogar nicht ganz ohne Gefahr gewesen, die
jetzt jedoch, wie der Arzt versichert, vorüber ist --
also besorge nichts. Sonderbar, daß man bei einer
abmattenden Krankheit gegen den Gedanken des To-
des so gleichgültig wird. Er kommt uns nur wie
Ruhe und Einschlafen vor, und ich wünsche mir sehr
zum dringendsten Ende ein solches langsames Her-

über Zaun und Gräben fliegenden Paſtoren, welche
oft, ſchon geſtiefelt und geſpornt, mit der Jagdpeitſche
in der Hand, ſchnell vorher noch copuliren, taufen
oder begraben, um ſich von der Ceremonie weg ſo-
gleich auf’s Roß zu ſchwingen. Man erzählt von
einem der berühmteſten geiſtlichen Fuchsjäger dieſer
Art, daß er immer einen zahmen Fuchs in der Taſche
mit ſich führte, und fand man keinen andern, dieſen
zum Beſten gab. Das Thier war ſo gut abgerichtet,
daß es eine Weile die Hunde amüſirte, und dann, wenn
es der Jagd müde war, ſich ſchnell in ſeinen unan-
taſtbaren Schlupfwinkel rettete, denn dieſer war kein
anderer — als der Altar der Dorfkirche, zu dem ein
Loch in der Mauer führte, und unter deſſen Stufen
ihm ein bequemes Lager bereitet war. Dies iſt recht
engliſch religiös.



Ich habe mir durch Verkältung ein heftiges nervö-
ſes Fieber geholt, das mich ſchon vierzehn Tage an
mein Bett feſſelt, und außerordentlich abgemattet hat.
Es iſt ſogar nicht ganz ohne Gefahr geweſen, die
jetzt jedoch, wie der Arzt verſichert, vorüber iſt —
alſo beſorge nichts. Sonderbar, daß man bei einer
abmattenden Krankheit gegen den Gedanken des To-
des ſo gleichgültig wird. Er kommt uns nur wie
Ruhe und Einſchlafen vor, und ich wünſche mir ſehr
zum dringendſten Ende ein ſolches langſames Her-

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[306/0324] über Zaun und Gräben fliegenden Paſtoren, welche oft, ſchon geſtiefelt und geſpornt, mit der Jagdpeitſche in der Hand, ſchnell vorher noch copuliren, taufen oder begraben, um ſich von der Ceremonie weg ſo- gleich auf’s Roß zu ſchwingen. Man erzählt von einem der berühmteſten geiſtlichen Fuchsjäger dieſer Art, daß er immer einen zahmen Fuchs in der Taſche mit ſich führte, und fand man keinen andern, dieſen zum Beſten gab. Das Thier war ſo gut abgerichtet, daß es eine Weile die Hunde amüſirte, und dann, wenn es der Jagd müde war, ſich ſchnell in ſeinen unan- taſtbaren Schlupfwinkel rettete, denn dieſer war kein anderer — als der Altar der Dorfkirche, zu dem ein Loch in der Mauer führte, und unter deſſen Stufen ihm ein bequemes Lager bereitet war. Dies iſt recht engliſch religiös. Den 6ten Februar. Ich habe mir durch Verkältung ein heftiges nervö- ſes Fieber geholt, das mich ſchon vierzehn Tage an mein Bett feſſelt, und außerordentlich abgemattet hat. Es iſt ſogar nicht ganz ohne Gefahr geweſen, die jetzt jedoch, wie der Arzt verſichert, vorüber iſt — alſo beſorge nichts. Sonderbar, daß man bei einer abmattenden Krankheit gegen den Gedanken des To- des ſo gleichgültig wird. Er kommt uns nur wie Ruhe und Einſchlafen vor, und ich wünſche mir ſehr zum dringendſten Ende ein ſolches langſames Her-

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. 306. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/324>, abgerufen am 03.05.2024.